Urteile und Entscheidungen im Strafrecht

Anwalt für Strafrecht: „Gemischte“ Bande bestehend aus Dieben und Hehlern / Strafbarkeit wegen Bandenhehlerei

Der Zusammenschluss eines Hehlers mit Beteiligten am Diebstahl erfüllt nicht den Qualifikationstatbestand eines Bandendiebstahls, sondern den der Bandenhehlerei bzw. der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei.

Eine Bande ist der Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich auf gewisse Dauer mit dem Willen verbunden haben, in Zukunft mehrere selbstständige, im Einzelnen möglicherweise noch ungewisse Straftaten zu begehen.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 04.08.2015 (Aktenzeichen: 5 StR 295/15) mit der Frage befasst, ob ein Bandendiebstahl gem. §§ 244 Absatz 1 Nr. 2, 244a Absatz 1 StGB angenommen werden kann, wenn jemand einen Diebstahl allein begeht, die Verwertung der Beute jedoch gemeinschaftlich mit weiteren Personen erfolgt. Das erstinstanzliche Gericht hatte den Angeklagten, welcher absprachegemäß die Diebstähle allein beging und die dabei erbeuteten EC- und Kreditkarten sodann mit weiteren Personen gemeinschaftlich bei späteren Einkäufen betrügerisch eingesetzt hatte, unter anderem wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt.

Nach dem Gesetzeswortlaut kann eine „gemischte“ Bande, welche aus Hehler und Dieben besteht nur bei den Hehlereitatbeständen (§§ 260 Absatz 1 Nr. 2, 260a Absatz 1 StGB) vorliegen. Daher hat der BGH entschieden, dass eine Diebesbande (§§ 244 Absatz 1 Nr. 2, 244a Absatz 1 StGB) lediglich dann zu bejahen ist, wenn die Betreffenden nach der Bandenabrede auch zugleich an den Diebstahlstaten, und sei es auch nur als Gehilfen, teilgenommen haben.

Deshalb kann eine Verurteilung wegen Bandendiebstahls nicht erfolgen. Vielmehr lag eine Bandenhehlerei vor.

Anwalt für Strafrecht: Terminverlegung zur Vermeidung einer notwendigen Verteidigerbestellung / Pflichtverteidiger

Die Ersparung von Kosten für eine notwendige Verteidigerbestellung stellt keinen Grund für eine Terminverlegung dar. Die Terminierung kann eigenständig mit der Beschwerde angegriffen werden.

Das Kammergericht Berlin hat sich mit Beschluss vom 09.12.2016 (4 Ws 191/16 – 161 AR 174/16) mit der Frage auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen eine Terminierung zur Hauptverhandlung durch ein Instanzgericht eigenständig mit der Beschwerde angegriffen werden kann. Der Angeklagte befand sich in anderer Sache in Haft. Der Vorsitzende hatte den Hauptverhandlungstermin auf einen Zeitpunkt nach Entlassung des Angeklagten verlegt. Hintergrund der Verlegung war, dass anderenfalls das Gericht dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger hätte bestellen müssen. Nach § 140 Absatz 1 Nr. 5 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn sich der Beschuldigte mindestens drei Monate in Haft befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird.

Zunächst ist festzuhalten, dass eine Terminverfügung eigeständig anfechtbar ist, wenn hierdurch eine selbständige Beschwer für Prozessbeteiligte bewirkt wird. Hierbei sind die Interessen sämtlicher Prozessbeteiligten zu beachten. Im konkreten Fall spielte insbesondere der Beschleunigungsgrundsatz gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK eine wesentliche Rolle. Dieser besagt, dass das Verfahren aufgrund des erheblichen Eingriffs in die Grundrechte des Beschuldigten so zügig wie möglich durchgeführt werden soll. Die Entscheidung des Vorsitzenden ist somit ermessensfehlerhaft, da die Verteidigerbestellung kein sachliches Kriterium ist, das Verfahren zu verzögern. Das Kammergericht Berlin hat deshalb die Rechtswidrigkeit festgestellt. Einen neuen Hauptverhandlungstermin konnte das Kammergericht nicht festsetzen, da dies dem Vorsitzenden aufgrund der ihm zustehenden „Terminhoheit“ zu steht. Ob dem Angeklagten dann noch ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, hängt davon ab, ob er sich weiterhin in Haft befindet.

Weitere Informationen zum Pflichtverteidiger und zur notwendigen Verteidigung finden Sie unter:
www.pflichtverteidiger-strafrecht.berlin/

Anwalt für Strafrecht: Auslieferung zur Strafvollstreckung an die Türkei / Verbindliche Zusicherung zu den Haftbedingungen / Auslieferungshaft

Die Auslieferung eines Verfolgten zur Strafvollstreckung ist unzulässig, wenn seitens des ersuchenden Staates keine verbindliche Zusicherung zu den erwartenden Haftbedingungen und zur Überprüfung durch deutsche Behördenvertreter vorliegt.

Die seit einem Jahr andauernden politischen und justiziellen Entwicklungen in der Türkei und deren Auswirkungen insbesondere auf die Haftbedingungen in der Türkei stehen aus völkerrechtlichen Gründen der Auslieferung zur Strafvollstreckung entgegen. Aus diesem Grund machen die deutschen Gerichte die Zulässigkeit einer Auslieferung davon abhängig, dass die Türkei eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung zu den den Verfolgten konkret erwartenden Haftbedingungen und zur Überprüfbarkeit durch deutsche Behördenvertreter mit folgenden Inhalten abgibt:

Angabe der - in einer Entfernung von maximal 250 Kilometern zur Deutschen Botschaft oder zu einem Deutschen (General-)Konsulat befindlichen - Haftanstalt (genaue namentliche Bezeichnung der Haftanstalt), in die der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung aufgenommen und in der er während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird;

Zusicherung, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in dieser Haftanstalt den europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht;

Beschreibung der Haftbedingungen in der namentlich benannten Haftanstalt, insbesondere im Hinblick auf: Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume (insbesondere auch Angaben zu Fenstern, Frischluftzufuhr und Heizung), Belegung der Hafträume, Ausstattung der Haftanstalt mit sanitären Einrichtungen, Verpflegungsbedingungen, Art und Bedingungen des Zugangs der Häftlinge zu medizinischer Versorgung;

Zusicherung, dass Besuche durch diplomatische oder konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Verfolgten während der Dauer seiner Inhaftierung - auch unangekündigt - möglich sind.

Zuletzt hat das Kammergericht Berlin dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin auf Anordnung einer Auslieferungshaft (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG) nicht entsprochen, weil die Türkei lediglich unzureichende allgemein gehaltene Erklärungen zu Haftbedingungen abgegeben hatte (Beschluss vom 17.01.2017 Aktenzeichen: (4) 151 AuslA 11/16 (10/17)). Diese Entscheidung erfolgte in Übereinstimmung mit der Auffassung des OLG München (Beschluss vom 16.08.2016 Aktenzeichen: 1 AR 252/16). Das OLG München hatte in vielen vergleichbaren Fällen die Zulässigkeit einer Auslieferung aufgrund der durch die türkischen Behörden erfolgten pauschalen Zusicherungen verneint. Des Weiteren sind die deutschen Gerichte der Auffassung, dass allein die Höhe der zu vollstreckenden Strafe den Haftgrund für eine Auslieferungshaft nicht begründen kann. Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin beruht auf § 73 Satz 1 IRG (Grenze der Rechtshilfe) i.V.m. Art. 3 EMRK (Verbot der Folter).

Anwalt für Strafrecht: Fortdauer der Untersuchungshaft / Kein rechtskräftiges Urteil / Vollstreckungssicherung als Nebenzweck der Untersuchungshaft

Der Grund für die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft im Stadium zwischen nicht rechtskräftigem Urteil und dessen Vollstreckung darf nicht allein in der Vollstreckungssicherung liegen.

Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 29.08.2016 (Aktenzeichen: 4 Ws 124/16) den Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Berlin und den Haftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten aufgehoben. Dem Beschluss liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Berlin vom 10.02.2016 befand sich der Angeklagte bis zu seiner Verurteilung durch das Landgericht Berlin am 15.07.2016 zu einer Haftstrafe in der Untersuchungshaft. Das Landgericht Berlin hat im Übrigen die Fortdauer der Untersuchungshaft mit der Begründung, dass aufgrund der zu erwartenden Strafe ein Fluchtanreiz bestehe, angeordnet. Gegen das Urteil des Landgerichts Berlin hat der Angeklagte Revision eingelegt hat, sodass es noch nicht rechtskräftig ist. Gegen die Haftfortdauerentscheidung hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde hatte Erfolg. Es ist zunächst zulässig, zwischen Urteil und Rechtskraft die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Allerdings sind hierfür wegen des freiheitsverletzenden Eingriffs strenge Anforderungen vorgesehen. Zunächst einmal muss ein Haftgrund im Sinne des § 112 StPO vorliegen. Im konkreten Fall hat das Landgericht Berlin die Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) als Haftgrund genannt. Allerdings ist bei der Anordnung als auch bei der Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft immer das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den unabweisbaren Bedürfnissen einer wirksamen Strafverfolgung zu beachten (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Dies bedeutet dass eine Abwägung zwischen diesen beiden Interessen stattfinden muss. Denn die Vollstreckungssicherung ist nur ein Nebenzweck der Untersuchungshaft. Im konkreten Fall waren außer der Straferwartung keine weiteren für eine Flucht sprechenden Umstände ersichtlich. Die Straferwartung allein kann die Fluchtgefahr nicht begründen. Weiterhin ist bei einer noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten ein ausreichender Fluchtanreiz nicht gegeben.

Weitere Informationen im Falle einer Verhaftung oder Festnahme finden Sie unter:
www.rechtsanwalt-haftbefehl.de/

Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung

Wuchtige Tritte mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf einer anderen Person sind nicht zwingend als gefährliche Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs anzusehen, insbesondere, wenn lediglich ein Turnschuh getragen wird.

Wegen gefährlicher Körperverletzung wird unter anderem derjenige bestraft, der die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs begeht. Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einem solchen Werkzeug jeder Gegenstand zu verstehen, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art seiner Verwendung dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Seit einiger Zeit gilt auch der beschuhte Fuß als gefährliches Werkzeug, wenn es sich bei dem Schuh um einen derben Schuh handelt. Als Paradebeispiel gilt der Springerstiefel.

In seiner Entscheidung vom 26.10.2016 – 2 StR 253/16 hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Grundsätze noch einmal bekräftigt und die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Landgericht Frankfurt aufgehoben. Der Angeklagte hatte einer anderen Person nach einem Streit zweimal hintereinander wuchtig von oben mit seinem mit einem Turnschuh beschuhten Fuß senkrecht auf den Kopf getreten, als diese bereits bewusstlos auf dem Asphalt lag. Nach Ansicht des BGH liegt hier jedoch keine gefährliche Körperverletzung vor, da der Angriff äußerlich folgenlos blieb und keine erhebliche Verletzung festgestellt werden konnte. Außerdem betonte der BGH, dass etwaige Verletzungsfolgen auch konkret durch den Schuh und nicht nur durch die Tritte an sich verursacht werden müssen, damit der erhöhte Strafrahmen des § 224 StGB greift.

Anwalt für Strafrecht: Notwendige Verteidigung / Pflichtverteidiger / Polizeibeamte als Belastungszeugen

Das Gericht darf den Antrag des Angeklagten auf Beiordnung seines bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger nicht ablehnen, wenn sämtliche Zeugen Polizeibeamte sind, das Ergebnis der Hauptverhandlung allein davon abhängt, ob das Gericht den Aussagen der Zeugen folgt, die Darlegung von eventuellen Widersprüchen in den Angaben der Zeugen nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhalts erfolgen kann und die materiell-rechtliche Frage der Strafbarkeit des Angeklagten strittig ist.

Das Landgericht Bielefeld hat mit Beschluss vom 15.06.2016 (Aktenzeichen: 8 Qs 246/16 VIII) den bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger bestellt. Dem Beschluss liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Mit einem Strafbefehl (Straffestsetzung nach Aktenlage ohne Hauptverhandlung) setzte das Amtsgericht Minden gegen den Angeklagten eine Geldstrafe wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung fest. Hiergegen hat der Angeklagte Einspruch eingelegt und die Beiordnung seines bisherigen Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger beantragt. Seinen Antrag begründete der Angeklagte insbesondere damit, dass als einzig zulässiges Beweismittel die Aussagen der Polizeibeamten vorhanden seien und dies somit die Beweislage schwierig mache. Den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger wurde durch das Amtsgericht Minden abgelehnt. Hiergegen hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Bielefeld bestätigte die Ausführungen des Angeklagten und bestellte den bisherigen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger. Seine Entscheidung begründet das Landgericht Bielefeld damit, dass im konkreten Fall die Notwendigkeit der Verteidigung im Sinne des § 140 Absatz 2 Satz 1 StPO aus der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage folge. Denn nach dieser Vorschrift erhält der Angeklagte einen Pflichtverteidiger, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig ist. Im konkreten Fall ist die Sachlage aus dem Grund schwierig, da sämtliche Zeugen Polizeibeamte sind, das Ergebnis der Hauptverhandlung allein davon abhängt, ob das Gericht den Aussagen der Zeugen folgt und die Darlegung von eventuellen Widersprüchen in den Angaben der Zeugen nur durch Kenntnis des gesamten Akteninhalts erfolgen kann. Die Schwierigkeit der Rechtslage beruhte darauf, dass zweifelhaft war, ob ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte überhaupt vorliegen konnte. Denn der Angeklagte war von der Vollstreckungshandlung gar nicht betroffen, sodass eine Subsumtion unter den Tatbestand des § 113 Absatz 1 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) noch konkret zu beurteilen war.
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Anwalt für Strafrecht: Verbotene Vernehmungsmethoden

Gesteht der Beschuldigte eine Tat, weil ihm bei der Vernehmung vorgetäuscht wird, er könne nur durch ein Geständnis die sonst eindeutige Beweislage entkräften, so ist das Geständnis wegen Einsatzes verbotener Vernehmungsmethoden unverwertbar.

In seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2016 – 2 StR 84/16 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut betont, dass bewusste Täuschungen über die Beweis- und Verfahrenslage als Täuschung im Sinne des § 136a StPO gelten. Nach diesem sind Angaben des Beschuldigten, die durch die Täuschung erlangt wurden, nicht verwertbar. Die verbotene Täuschung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH abzugrenzen von erlaubter kriminalistischer List, bei der zumindest Fangfragen gestellt oder doppeldeutige Erklärungen abgegeben werden dürfen. Die Grenze ist jedoch überschritten, wenn Vernehmungsbeamte bewusst falsche Angaben über Rechtsfragen machen oder gar Tatsachen vorspiegeln, die tatsächlich nicht existieren. Lügen sind demnach nicht mehr von kriminalistischer List erfasst. In dem vom BGH zu verhandelnden Fall lag ein solcher Fall der Täuschung über die Beweislage vor. Dem Beschuldigten wurde ein Mord vorgeworfen. In seiner ersten Vernehmung wies der Vernehmungsbeamte ihn mehrmals darauf hin, dass er ihn zwar nicht für einen „Mörder“ halte, die Tat aber angesichts der gravierenden Verletzungsfolgen und des Nachtatverhaltens wie ein „richtiger, klassischer Mord“ erscheine, wenn der Beschuldigte dies nicht richtigstelle und sich zur Sache einlasse. Daraufhin räumte der Beschuldigte den äußeren Tatablauf weitgehend ein, obwohl tatsächlich noch kein dringender Tatverdacht wegen Mordes gegen ihn bestand.

Anwalt für Strafrecht: Fahrerflucht / Trunkenheitsfahrt / Gefährdung des Straßenverkehrs

Kommt es im Rahmen einer Trunkenheitsfahrt zu einem Unfall und begeht man anschließend eine Fahrerflucht, stellen die Trunkenheitsfahrt, die Gefährdung des Straßenverkehrs und die Fahrerflucht eine prozessuale Tat da. Dies hat zur Folge, dass ein Strafklageverbrauch in Bezug auf die Fahrerflucht eintritt, wenn die Trunkenheitsfahrt und die Gefährdung des Straßenverkehrs gegen Auflage eingestellt werden.

Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 30.08.2016 (Aktenzeichen:(3) 161 Ss 146/16 (82/16)) das Verfahren gegen den Angeklagten wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort aufgrund eines Verfahrenshindernisses, dem Verbot der Doppelbestrafung, eingestellt. Dem Beschluss liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Der Angeklagte wurde zunächst durch das Amtsgericht Tiergarten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs, unerlaubten Entfernens vom Unfallort und Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Der Angeklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Im Berufungsverfahren wurde das Verfahren in Bezug auf die Gefährdung des Straßenverkehrs und wegen der Trunkenheitsfahrt gem. § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Der Angeklagte wurde allerdings wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt. Gegen das Urteil des Landgerichts Berlin legte der Angeklagte Revision ein und erhob eine Verfahrensrüge, welche er mit dem Doppelbestrafungsverbot begründete. Das Doppelbestrafungsverbot verbietet es, dass jemand wegen derselben Tat zweimal bestraft wird. Das Kammergericht in Berlin bestätigte die Ausführungen des Angeklagten und führte diesbezüglich aus, dass durch die Erfüllung der Zahlungsauflage ein Strafklageverbrauch in Bezug auf die gesamte prozessuale Tat gem. § 153a Abs. 1 Satz 5 StPO eingetreten ist. Strafklageverbrauch bedeutet, dass die Verfolgung des Täters wegen derselben Tat ausgeschlossen ist. Problematisch war in diesem Fall der Tatbegriff. Denn im Strafrecht existieren unterschiedliche Tatbegriffe, welche wegen ihrer praktischen Auswirkungen auseinandergehalten werden müssen. Im prozessualen Sinne ist die „Tat“ immer ein vollständiger Lebenssachverhalt. Hingegen ist die „Tat“ im materiell-rechtlichen Sinne als „Handlung“ zu verstehen, welche einen abtrennbaren Teil aus einem Lebenssachverhalt darstellt. Im Fall des Angeklagten hatte der Alkohol- und Drogenkonsum sowohl Einfluss auf das Unfall- als auch auf das nachfolgende Tatgeschehen (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort), sodass eine prozessuale Tat vorliegt. Da die Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO die gesamte prozessuale Tat erfasst, ist zugleich für die begangene Straftat des unerlaubten Entfernens vom Unfallort Strafklageverbrauch eingetreten, welcher ein Verfahrenshindernis darstellt. Somit war eine Verurteilung des Angeklagten wegen derselben „Tat“ unmöglich.

Weiter Informationen zur Fahrerflucht erhalten Sie unter:
http://strafverteidiger-fahrerflucht.de/index.php/strafverteidiger-fahrerflucht.php

Anwalt für Strafrecht: Unfallflucht

Der hintere Teil eines Betriebsgeländes, der mit einer Zugangsschranke versehen ist und allein der An- und Ablieferung von Waren dient, ist kein öffentlicher Verkehrsraum, sodass Verkehrsstraftaten nicht verwirklicht sind.

Das Landgericht (LG) Arnsberg hat mit Beschluss vom 25. Oktober 2016 – 2 Qs 71/16 entschieden, dass kein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (Unfallflucht) vorliegt, wenn ein Rolltor auf dem hinteren Teil eines Betriebsgeländes, das der An- und Ablieferung von Waren dient, beschädigt wird.

Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, ein solches Rolltor mit seinem Kraftfahrzeug beschädigt und dadurch einen Sachschaden von 2.800 € verursacht zu haben. Ihm wurde sodann vom Amtsgericht vorläufig die Fahrerlaubnis entzogen, was er mit der Beschwerde beim LG Arnsberg zu Recht rügte. Denn das LG Arnsberg sah den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nicht als erfüllt an, da sich der Unfall nicht im öffentlichen Verkehrsraum zugetragen habe. Ein Verkehrsraum ist nach ständiger Rechtsprechung öffentlich, wenn er entweder für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmbare größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen ist. Dies war hier nach Ansicht des LG Arnsberg nicht der Fall, da der Teil des Betriebsgeländes mit einer Zugangsschranke versehen war und ausschließlich der An- und Ablieferung von Waren dienen sollte. Eine Benutzung für jedermann oder allgemein bestimmbaren größeren Personenkreis lag demnach nicht vor, sodass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis nicht hätte entzogen werden dürfen.
http://strafverteidiger-fahrerflucht.de

Anwalt für Strafrecht: Erheblichkeit sexueller Handlungen

Eine Berührung unbekleideter Körperteile bei einer kurzen Umarmung in situationsadäquater Badebekleidung stellt in der Regel keine erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB dar.

In seinem Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/16 hat der Bundesgerichtshof (BGH) Ausführungen dazu gemacht, wann eine sexuelle Handlung im Rahmen des Sexualstrafrechts erheblich ist. Denn nach § 184h Nr. 1 StGB sind sexuelle Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind. Nach ständiger Rechtsprechung gelten als erheblich in diesem Sinne solche sexualbezogenen Handlungen, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung besorgen lassen, wobei belanglose Handlungen ausscheiden. Der BGH führt in seiner Entscheidung aus, dass die sexuelle Selbstbestimmung am ehesten bei Kontakt an Geschlechtsorganen verletzt sei. Aber auch Berührungen an anderen Körperregionen würden die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten können. Insbesondere bei Kindern seien die Anforderungen an die Erheblichkeit zudem geringer.

In dem Verhalten des Angeklagten, der ein 13-jähriges Mädchen bei einem Schwimmbadbesuch umarmte, um sich durch den dadurch entstehenden Kontakt sexuell zu erregen, sah der BGH aber keine erhebliche sexuelle Handlung. Der Angeklagte hatte das nur mit einem Bikini bekleidete Mädchen so nah an sich herangezogen, dass direkter Kontakt zwischen den unbekleideten Körperpartien und ein deutlich spürbarer Kontakt zu seinem Penis entstand. Nach Ansicht des BGH reicht dieses Verhalten aber ohne entsprechende Feststellungen zur Dauer und Intensität der Handlung nicht aus. Vielmehr halte sich eine Berührung unbekleideter Körperteile bei einer kurzen Umarmung in situationsadäquater Badebekleidung im Rahmen des Üblichen.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Die Fortdauer der Untersuchungshaft darf im Laufe einer Hauptverhandlung nicht lediglich mit einem Verweis auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder frühere Haftfortdauerentscheidungen begründet werden.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Beschluss vom 29. September 2016 – StB 30/16 über die konkreten Anforderungen an die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls während einer laufenden Hauptverhandlung entschieden. Dabei verwies der BGH darauf, dass das Gericht, welches den Haftbefehl überprüft, sich mit den Ergebnissen der Hauptverhandlung auseinandersetzen muss. Will es den Haftbefehl aufrechterhalten, reicht es nach Ansicht des BGH nicht aus, einfach auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder auf eine frühere Entscheidung zur Haftfortdauer zu verweisen. Denn in der Hauptverhandlung könne sich der hinreichende Tatverdacht abschwächen oder ganz entfallen. Es muss also zumindest knapp dargestellt werden, aus welchen Erkenntnissen der Beweisaufnahme sich ein hinreichender Tatverdacht weiterhin ergibt.

Anwalt für Strafrecht: Schwerer Raub / Räuberische Erpressung

Wer ein gefährliches Werkzeug lediglich am Tatort vorfindet und es unangetastet lässt, macht sich nicht wegen schweren Raubes strafbar.

Wer bei einem Raub oder einer räuberischen Erpressung eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug bei sich führt, muss nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) StGB mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter drei Jahren rechnen. Doch wann ist das Merkmal des Beisichführens überhaupt verwirklicht? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich dazu in seiner Entscheidung vom 5. Oktober 2016 – 3 StR 328/16 dahingehend geäußert, dass das Merkmal auch dann vorliegen soll, wenn sich das Werkzeug nur in räumlicher Nähe des Beteiligten befindet und dieser es zum Tatort mitgebracht hat oder es zu irgendeinem Zeitpunkt bis zur Tatbeendigung noch ergreift.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass kein Beisichführen vorliegt, wenn ein gefährliches Werkzeug lediglich am Tatort vorgefunden und unangetastet gelassen wird, auch wenn das Bewusstsein besteht, dass das Werkzeug funktionsbereit zur Verfügung steht. Grundsätzlich erfordert das Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs nach ständiger Rechtsprechung zwar nicht, dass der Beteiligte es in der Hand hält oder am Körper trägt. Allerdings reicht es aus, wenn das Werkzeug sich in Griffweite befindet oder er sich jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Das bloße Wachestehen bei einem Einbruchsdiebstahl in einen Geschäftsraum reicht für den Erlass eines Haftbefehls jedenfalls dann nicht aus, wenn nur ein geringer Schaden entstanden ist.

Ein Haftbefehl kann unter anderem aus dem Grund der Wiederholungsgefahr erlassen werden. Wann eine solche vorliegt, ist in § 112a Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Danach besteht ein Haftgrund, wenn der Beschuldigte dringend verdächtig ist, wiederholt eine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat, zum Beispiel einen Wohnungseinbruchdiebstahl, begangen zu haben und zudem die Gefahr besteht, dass er weitere Taten begehen wird.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in seinem Beschluss vom 15.06.2016 – 2 Ws 193/16, 2 Ws 194/16 festgestellt, dass das bloße Wachestehen bei einem Einbruchsdiebstahl in Geschäftsräumen nicht ausreicht, um den Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu begründen. In dem zu verhandelnden Fall bestand zwar der Verdacht, dass der Beschuldige bei drei Einbrüchen in Bäckereifilialen Wache gehalten hat. Allerdings sah das OLG Karlsruhe darin keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung. Als Indizien für eine solche Beeinträchtigung gelten neben der Art der Tatbegehung insbesondere Art und Ausmaß des angerichteten Schadens. Bei einem Einbruchsdiebstahl liege eine solche schwerwiegende Beeinträchtigung nach Ansicht des OLG Karlsruhe eher fern, da die immateriellen Auswirkungen typischerweise nicht mit den Auswirkungen auf einen Geschädigten eines Wohnungseinbruchsdiebstahl zu vergleichen seien. Zwar bestehe auch bei einem Einbruch in einen Geschäftsraum die Möglichkeit eines Haftbefehls. Dazu müsse aber die Schadenssumme zumindest 1.000 Euro übersteigen, was für die Diebstähle in den Bäckereien hier nicht zutraf. Der Beschuldigte musste demnach unverzüglich aus der Haft entlassen werden.

Anwalt für Strafrecht: Beleidigung

Die Bezeichnung einer Person als „alter Mann“ stellt für sich genommen keine Beleidigung dar, da sie der so bezeichneten Person nicht den sozialen Geltungswert abspricht.

Das Amtsgericht Dortmund hatte den Angeklagten wegen Beleidigung verurteilt, weil er einen 59-jährigen Mann als „alten Mann“ bezeichnet hatte. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hob diese Verurteilung in seinem Beschluss vom 26. September 2016 – 1 RVs 67/16 auf, da die Äußerung des Angeklagten – auch mit Blick auf das tatsächliche Lebensalter des Mannes – keine Herabwürdigung darstelle.

Eine Beleidigung nach § 185 StGB ist der Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgabe eigener Missachtung, wobei maßgebend ist, wie ein verständiger Dritter die Äußerung versteht. Eine Äußerung, die nach dem allgemeinen Verständnis wertneutral ist, kann in der Regel nicht als Beleidigung angesehen werden. Bei der Äußerung des Angeklagten sah das OLG Hamm keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Mann sein personaler oder sozialer Geltungswert abgesprochen und seine Minderwertigkeit zum Ausdruck gebracht wird. Insbesondere sei nicht belegt worden, dass die Äußerung besonders abwertend oder abfällig war.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Die für den Erlass eines Haftbefehls erforderliche Fluchtgefahr kann nicht damit begründet werden, dass bei einer Straferwartung in bestimmter Höhe stets ein rechtlich beachtlicher Fluchtanreiz bestehe.

Für den Erlass eines Haftbefehls ist ein Haftgrund erforderlich, der unter anderem mit Fluchtgefahr belegt werden kann. Fluchtgefahr ist gegeben, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte sich zumindest für eine gewisse Zeit dem Strafverfahren entziehen wird. Wann dies der Fall ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen im Einzelfall. Jedenfalls darf aber allein von einer zu erwartenden Strafhöhe nicht auf Fluchtgefahr geschlossen werden, wie das Kammergericht mit Beschluss vom 13. September 2016 – 4 Ws 130/16 - 161 AR 70/16 entschieden hat. Vielmehr verbiete sich jede schematische Beurteilung anhand genereller Maßstäbe. Denn andernfalls würde es ab einer bestimmten Straferwartung zu einer unzulässigen Haftgrundvermutung kommen. Das Landgericht Berlin hatte die zur Aufrechterhaltung eines Haftbefehls erforderliche Fluchtgefahr des Angeklagten damit begründet, dass der Angeklagte mit einer deutlich höheren Freiheitsstrafe als zwei Jahre rechnen müsse, was wiederum die Fluchtgefahr indiziere. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung bereits zwei Jahre in Untersuchungshaft.

Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung / Drogenstrafrecht

Wer absichtlich verschweigt, dass Plätzchen Cannabis enthalten, macht sich auch dann nicht wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar, wenn nach dem Verzehr eines solchen Haschkekses Schweißausbrüche, der Verlust der Gesichtsfarbe und Zittern beim Verzehrenden auftreten.

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat in seinem Beschluss vom 11.02.2016 - 1 OLG 1 Ss 2/16 ein Urteil eines Amtsgerichts aufgehoben, durch das der Angeklagte unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte zum Weihnachtsfest bei seiner Mutter selbst gebackene Kekse mitgebracht, in die er Cannabis eingearbeitet hatte. Um die sonst immer so schlechte Stimmung auf der Weihnachtsfeier aufzuhellen, legte er diese Kekse auf den Tisch ohne die Familie über den Inhalt aufzuklären. Ein 17-Jähriger erlitt nach dem Konsum fast eines ganzen Kekses Schweißausbrüche, wurde kreidebleich und begann zu zittern.

Eine gefährliche Körperverletzung sah das OLG Zweibrücken in diesem Verhalten nicht, da die verwendete Substanz grundsätzlich nach der Art der Anwendung oder Zuführung des Stoffes, seiner Menge oder Konzentration, ebenso aber auch nach dem Alter und der Konstitution des Opfers mit der konkreten Gefahr einer erheblichen Schädigung im Einzelfall verbunden sein muss. Eine überdurchschnittliche und erhebliche Schädigung war hier jedoch nicht gegeben. Auch eine einfache Körperverletzung kam nicht in Betracht, da der Angeklagte keine Gesundheitsschädigung seiner Familienmitglieder in Kauf nahm. Er wollte lediglich die Stimmung aufhellen und vertraute darauf, dass schon alles gut gehe und niemand verletzt werden würde. Allerdings wird ihm wohl auch bei einer erneuten Verhandlung zumindest eine Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in geringer Menge drohen.

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung und Kennzeichenmissbrauch

Wer im Straßenverkehr einen Roller mit einem abgelaufenen Versicherungskennzeichen führt, macht sich weder wegen Urkundenfälschung noch wegen Kennzeichenmissbrauchs strafbar.

In seinem Beschluss vom 19.05.2016 - 2 OLG 4 Ss 158/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden, dass sich jemand, der ein Kleinkraftfahrzeug mit einem abgelaufenen Versicherungskennzeichen führt, nicht wegen Urkundenfälschung oder Kennzeichenmissbrauch strafbar macht. Der Angeklagte wurde von den Vorinstanzen wegen Urkundenfälschung verurteilt, weil er an seinem Roller ein Versicherungskennzeichen aus dem Jahre 2009 anbrachte und damit 2014 bei einem Unfall erwischt wurde. Zwar stellt das Versicherungskennzeichen, das an dem Roller angebracht ist, eine zusammengesetzte Urkunde im Sinne des § 267 StGB dar. Strafbares Verhalten liegt nach Ansicht des OLG Koblenz jedoch nur dann vor, wenn das Versicherungskennzeichen an einem anderen Fahrzeug als demjenigen angebracht wird, für das es ausgegeben wurde. Denn durch das Anbringen an einem anderen Fahrzeug wird eine unechte Urkunde hergestellt. Auch wer Manipulationen am Versicherungskennzeichen vornimmt, um darüber zu täuschen, dass ein gültiges Versicherungsverhältnis besteht, begeht eine Urkundenfälschung in Form des Verfälschens einer echten Urkunde nach § 267 Abs. 1 Alt. 2 StGB. Dies kann etwa durch das ändern der Farbe des Versicherungskennzeichens geschehen. Wer allerdings, so wie der Angeklagte, lediglich mit einem abgelaufenen Kennzeichen fährt, begeht keine Urkundenfälschung. Auch eine Strafbarkeit wegen Kennzeichenmissbrauchs nach § 22 StVG scheidet aus, da es sich bei Versicherungskennzeichen nicht um amtliche Kennzeichen im Sinne dieser Vorschrift handelt. Ganz straflos dürfte das Fahren mit einem abgelaufenen Kennzeichen jedoch nicht sein. Denn zumindest ein Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz kommt in Betracht, wenn man ohne gültige Haftpflichtversicherung unterwegs ist.

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung

Das Herstellen einer einfachen Abschrift eines Urteils, dass tatsächlich nicht existiert, stellt keine Urkundenfälschung nach § 267 StGB dar, da eine einfache Urteilsabschrift keine Urkundenqualität hat.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in seinem Beschluss vom 12.05.2016 – 1 Rvs 18/16 einen Rechtsanwalt vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen. Der Rechtsanwalt hatte eine einfache Urteilsabschrift gefälscht, um seinem Mandanten glaubhaft zu machen, dass das von ihm eingeleitete Gerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen sei. Das OLG Hamm sah jedoch in der einfachen Urteilsabschrift keine Urkunde im strafrechtlichen Sinne. Da es sich bei Abschriften, wie auch bei Kopien, lediglich um Ablichtungen von Originalen ohne eigenen Erklärungswert handelt, wird ihnen von der Rechtsprechung grundsätzlich keine Urkundenqualität zugesprochen. Gewisse einfache Abschriften werden nur ausnahmsweise als Urkunden angesehen, wenn sie kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der Urschrift treten. Einfache Urteilsabschriften treten nach Ansicht des OLG Hamm insofern aber gerade nicht, wie etwa Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften, kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der bei den Gerichtsakten verbleibenden Urschrift eines gerichtlichen Urteils. Sie seien deshalb keine Urkunden im strafrechtlichen Sinne, sodass sich der angeklagte Rechtsanwalt nicht wegen Urkundenfälschung strafbar gemacht hat.

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Wird der Tankvorgang an einer Selbstbedienungstankstelle nicht vom Kassenpersonal wahrgenommen, so liegt, wenn der Tankende den Treibstoff von vorneherein nicht bezahlen wollte, kein vollendeter Betrug vor.

Wer an einer Selbstbedienungstankstelle den getankten Treibstoff nicht bezahlt und beim Tankvorgang nicht vom Kassenpersonal wahrgenommen wird, macht sich lediglich wegen versuchten, nicht aber wegen vollendeten Betrugs strafbar. Das hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 13.01.2016 – 4 StR 532/15 entschieden und damit eine Entscheidung des Landgerichts Mönchengladbach abgeändert. Das Landgericht hatte den Angeklagten unter anderem wegen Betrugs verurteilt. Da allerdings keine Feststellungen dazu getroffen werden konnten, ob der Tankvorgang vom Kassenpersonal wahrgenommen wurden, musste der vollendete Betrug verneint werden. Der BGH führte dazu aus, dass der für den Betrug erforderliche Irrtum über die Zahlungsbereitschaft des Angeklagten nicht vorliegen kann, wenn der Tankvorgang an sich nicht wahrgenommen wird. Anders ist dies, wenn der Tankende, wie der Angeklagte im zu verhandelnden Fall, von vorneherein die Absicht hat, das Benzin nicht zu bezahlen und davon ausgeht, beim Tankvorgang beobachtet zu werden. Hier ist ein versuchter Betrug gegeben, bei dem die Strafe gemildert werden kann.

Anwalt für Strafrecht: Beleidigung

Die Bezeichnung einer Staatsanwältin als „durchgeknallte, widerwärtige, boshafte, dümmliche und geisteskranke Staatsanwältin“ erfüllt nicht zwingend den Tatbestand einer Beleidigung. Vielmehr muss eine Abwägung im Einzelfall getroffen werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29.06.2016 - 1 BvR 2646/15 eine Entscheidung des Kammergerichts aufgehoben, das die Verurteilung des Angeklagten wegen Beleidigung durch das Landgericht Berlin in der Revision bestätigt hatte. Der angeklagte Rechtsanwalt hatte in einem Telefongespräch mit einem Journalisten die einen seiner Fälle betreuende Staatsanwältin als „durchgeknallte, widerwärtige, boshafte, dümmliche und geisteskranke Staatsanwältin“ bezeichnet, weil sie gegen seinen Mandanten Untersuchungshaft beantragt hatte. Von den Gerichten wurde diese Äußerung als Schmähkritik, bei der nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, eingeordnet. Liegt Schmähkritik vor, so muss das Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ohne eine Abwägung im Einzelfall hinter dem Persönlichkeitsrecht des Beleidigten zurücktreten, sodass eine strafbare Beleidigung vorliegt. Das Bundesverfassungsgericht betonte aber, dass eine Schmähung nur gegeben ist, wenn ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes steht. Die sei aber nicht der Fall, da es in dem Kontext, in dem der Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Strafverteidiger zu dem Ermittlungsverfahren gegen seinen Mandanten und dessen Inhaftierung befragt wurde, zumindest möglich sei, dass sich seine Äußerung auf das dienstliche Verhalten der Staatsanwältin bezogen habe. Das Landgericht Berlin darf sich also nun erneut mit dem Fall befassen und muss dabei eine genaue Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits vornehmen.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Hält das Gericht eine Strafverteidigung für notwendig, so darf es die Verteidigerbestellung auch dann nicht aufheben, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Voraussetzungen der Pflichtverteidigung nicht vorlagen.

In seinem Beschluss vom 22.01.2016 – 21 Qs-660 Js 405/14-72/15 hat das Landgericht (LG) Bonn die Rücknahme einer Verteidigerbestellung durch das Amtsgericht für unzulässig erklärt. Das Amtsgericht hatte dem Angeklagten zuerst einen Verteidiger bestellt, weil es aufgrund eines stationären Aufenthalts des Angeklagten in einer psychiatrischen Klinik von einer möglichen Schuldunfähigkeit ausging und deshalb eine Verteidigung für notwendig erachtete. Als das Sachverständigengutachten jedoch ergab, dass der Angeklagte zur Tatzeit strafrechtlich voll verantwortlich war, nahm das Amtsgericht die Verteidigerbestellung mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung hätten von Anfang an nicht vorgelegen. Das LG Bonn erklärte diese Vorgehensweise für unzulässig und wies darauf hin, dass die Verteidigerbestellung, wenn ihre Notwendigkeit einmal bejaht wurde, grundsätzlich auch dann bestehen bleibt, wenn sich die Beurteilung nachträglich ändert. Eine Rücknahme sei nur bei wesentlicher Veränderung der Umstände möglich, die im zu verhandelnden Fall nach Ansicht des LG Bonn aber nicht gegeben waren.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl mit Waffen

Allein von der Klingenlänge eines Messers von 8,4 cm darf das Gericht nicht auf das Bewusstsein des Beisichführens eines gefährlichen Werkzeugs schließen.

In seinem Beschluss vom 17.05.2016 – 2 RV 39/16 hat das Oberlandesgericht Naumburg entschieden, dass allein von der Klingenlänge eines Messers nicht auf das Bewusstsein des Angeklagten geschlossen werden darf, beim Diebstahl ein gefährliches Werkzeug bei sich zu führen. Dies spielt insofern eine entscheidende Rolle, als dass die Strafandrohung beim Diebstahl mit Waffen im Gegensatz zum einfachen Diebstahl auf 6 Monate bis zu zehn Jahren erhöht ist und damit zwingend eine Freiheitsstrafe im Raum steht. Der Angeklagte hatte bei dem Diebstahl zwar ein Messer mit einer Klingenlänge von 8,4 cm in seiner Jackentasche, war sich dessen aber seinen Angaben nach überhaupt nicht mehr bewusst. Damit war zwar objektiv der Tatbestand des Diebstahls mit Waffen oder gefährlichen Werkzeugen erfüllt, da allein das Beisichführen eines solchen Gegenstandes ausreicht und keine Verwendungsabsicht gefordert wird. Es fehlte nach Ansicht des OLG Naumburg jedoch am Vorsatz, da der Angeklagte überhaupt kein Bewusstsein darüber hatte, dass sich das Taschenmesser in seiner Jackentasche befand. Allein von der Klingenlänge auf dieses Bewusstsein zu schließen, wie es das erstinstanzliche Gericht zuvor getan hatte, sah das OLG Naumburg als rechtsfehlerhaft an. Der Angeklagte hat demnach lediglich einen einfachen Diebstahl und keinen Diebstahl mit Waffen begangen.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Zur Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr müssen die entsprechenden notwendigen Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen und festgestellt werden. Nicht ausreichend ist hingegen, dass ein etwaiger Rückreisewille eines abwesenden Beschuldigten nicht hinreichend sicher festgestellt wurde.

Das Kammergericht (KG) in Berlin hat sich mit Beschluss vom 24. Mai 2016 – 4 Ws 75/16 zu den Anforderungen für die Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr geäußert. Dem Beschluss lag ein Haftbefehl gegen den Angeklagten in einem größeren, bereits mehrfach unterbrochenem, Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Berlin zugrunde. Der Angeklagte hatte sich zunächst während des laufenden Verfahrens mehrfach im Ausland aufgehalten, war zu den Verhandlungstagen aber immer wieder anwesend. Noch bevor der Angeklagte zwei Tage vor dem nächsten Verhandlungstermin erneut ins Ausland abgereist war, unterrichtete dessen Verteidigerin das Gericht, dass der Angeklagte aus gesundheitlichen Gründen nicht rechtzeitig zum Prozess zurück sein würde. Kurze Zeit später wurde ein Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen und Fluchtgefahr angenommen. Das Landgericht begründete den Haftbefehl im Wesentlichen damit, dass (durch Interpretation des Geschehens nach der Mitteilung der Verteidigerin) bereits vor der Abreise des Angeklagten ins Ausland offenbar festgestanden habe, dass dieser nicht zum Prozess zurückkehren werde. Insofern vermutete das Landgericht einen Fluchtwillen des Angeklagten. Gleichzeitig konnte das Landgericht einen etwaigen Rückreisewille des Angeklagten „nicht mit der erforderlichen Sicherheit“ feststellen. Das Kammergericht macht in seinem Beschluss zunächst deutlich, dass sich das Landgericht nicht hinreichend mit der Erklärung des Angeklagten auseinandergesetzt hat. Demnach habe der Angeklagte lediglich eine spezielle ärztliche Behandlung im Ausland wahrnehmen wollen. Er habe sogar ein Rückflugticket gehabt, um rechtzeitig zum Prozess wieder da zu sein. Ein Fluchtwille des Angeklagten könne demnach ohnehin nur vermutet werden. Als „grundlegenden dogmatischen Mangel“ bezeichnet das Kammergericht dann in diesem Zusammenhang, dass das Landgericht Fluchtgefahr angenommen hat, weil auch ein Rückreisewille des Angeklagten nicht mit der erforderliche Sicherheit habe festgestellt werden können. Das Kammergericht stellt insofern klar, dass zur Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr die entsprechenden Umstände sicher festgestellt werden müssen. Hingegen reiche es gerade nicht aus, dass Umstände, die gegen eine Flucht sprechen – wie etwa ein Rückreisewille – nicht sicher festgestellt werden können.

Anwalt für Strafrecht: Strafzumessung

Macht das Gericht von der bei einer versuchten Tat möglichen Strafmilderung nicht Gebrauch, so darf es die Vollendungsnähe und Gefährlichkeit des Versuchs nicht noch einmal strafschärfend berücksichtigen.

Wird eine Straftat lediglich versucht und nicht vollendet, so hat das Gericht die Möglichkeit, die Strafe gemäß § 23 Abs. 2 StGB zu mildern. Lehnt das Gericht diese, zugunsten des Angeklagten wirkende, Strafrahmenverschiebung ab, so muss es die konkrete Höhe der Strafe an dem für die vollendete Tat vorgesehenen Strafrahmen bemessen. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12. Mai 2016 – 5 StR 102/16 darf das Gericht dann aber die Gefährlichkeit des Versuches und die Vollendungsnähe nicht doppelt zu Lasten des Angeklagten berücksichtigen. Dies hatte das Landgericht Leipzig bei der Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten nicht berücksichtigt. Es machte wegen der Gefährlichkeit und den schweren Verletzungen des Opfers nicht von der möglichen Strafmilderung beim Versuch Gebrauch und stellte dann bei der konkreten Strafzumessung erneut auf die Gefährlichkeit des Versuchs ab. Der BGH hob deshalb den Strafausspruch auf.

Anwalt für Strafrecht: Richterliche Überzeugungsbildung

Werden Erkenntnisse, die während oder nach der Urteilsverkündung gewonnen werden, für die schriftliche Begründung des Urteils herangezogen, so stellt dies einen Verstoß gegen die richterliche Überzeugungsbildung nach § 261 StPO dar.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Beschluss vom 21. Januar 2016 – 2 StR 433/15 ein Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn aufgehoben, weil das Landgericht sich in seiner schriftlichen Urteilsbegründung auf Informationen bezogen hat, die zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung noch gar nicht vorlagen. So bezog sich das Landgericht, das den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren verurteilte, auf ein Sachverständigengutachten zur Aussagefähigkeit der Geschädigten, das dem Gericht allerdings erst nach der Urteilsverkündung zugeleitet wurde. Ein solches Vorgehen stellt nach Ansicht des BGH einen Verstoß gegen die freie richterliche Überzeugungsbildung dar, nach der das Gericht seine Überzeugung nur aus der Hauptverhandlung schöpfen darf. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz führt dazu, dass das Recht auf rechtliches Gehör eingeschränkt wird, da sich der Angeklagte nach der Urteilsverkündung nicht mehr zu neu aufgeworfenen Aspekten äußern kann. Das Urteil des Landgerichts musste demnach vom BGH aufgehoben werden.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Allein eine prekäre wirtschaftliche Situation des Beschuldigten kann nicht ohne Weiteres die Annahme von „Fluchtgefahr“ begründen

Mit seinem Beschluss vom 20. Mai 2016 – 1 Ws 369/16 hat das Oberlandesgericht (OLG) München klargestellt, dass nicht allein aufgrund einer prekären wirtschaftlichen bzw. finanziellen Situation des Beschuldigten eine die Untersuchungshaft begründende „Fluchtgefahr“ angenommen werden kann. Damit hob das OLG einen Haftbefehl gegen einen Angeklagten auf, der wegen unterschiedlicher Vermögensdelikte vom Amtsgericht in erster Instanz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden war. Das Amtsgericht war davon ausgegangen, die hohe Verschuldung des Angeklagten und auch das scheinbar überraschend hohe Strafmaß würden dem Angeklagten einen besonderen Fluchtanreiz bieten, weshalb der Haftgrund der Fluchtgefahr anzunehmen und die U-Haft zu verhängen sei. Das OLG München lehnt die Fluchtgefahr hingegen ab und weist in seinem Beschluss zunächst darauf hin, dass die familiären Bindungen des Angeklagten nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Der Angeklagte lebe gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen drei minderjährigen Kindern in Deutschland. Beziehungen ins Ausland habe er nicht. Zudem hält das OLG gerade eine Flucht ohne finanzielle Mittel für äußerst schwierig und eine erfolgreiche Flucht des Angeklagten mit seinen drei Kindern für geradezu ausgeschlossen. Insgesamt sei nicht zu erwarten, dass der Angeklagte überhaupt von etwaigen Fluchtmöglichkeiten tatsächlich auch Gebrauch machen würde. Dies wäre jedoch hinsichtlich des Vorliegens eines Haftgrundes auch zu prüfen gewesen.

Anwalt für Strafrecht: Raub

Für eine Verurteilung wegen Raubes muss zwischen dem Einsatz der Gewalt und der Wegnahme ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang bestehen, in dem die Dispositionsfreiheit des Opfers über den weggenommenen Gegenstand nötigungsbedingt eingeschränkt war.

In seinem Beschluss vom 20.01.2016 – 1 StR 398/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass es für den Raub nicht nur einen Finalzusammenhang, sondern auch einen räumlich-zeitlichen Zusammenhang dergestalt geben muss, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist. Das bedeutet zunächst, dass die Gewalt eingesetzt werden muss, um die Wegnahme des Gegenstandes zu ermöglichen. Darüber hinaus muss nach Ansicht des BGH ein raubspezifischer Zusammenhang gegeben sein. Wegnahme und Gewaltanwendung dürfen also nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern müssen das typische Tatbild eines Raubes ergeben. Diesen raubspezifischen Zusammenhang sah der BGH in dem zu verhandelnden Fall nicht als gegeben an und hob die Verurteilung des Angeklagten wegen schweren Raubes auf. Der Angeklagte hatte dem zunächst schlafenden Geschädigten in dessen Wohnung eine volle Flasche und einen Fleischhammer auf den Kopf geschlagen, um ihn kampfunfähig zu machen und Wertgegenstände an sich zu nehmen. Bevor der Angeklagte jedoch Goldkette und Smartphone des Geschädigten wegnahm und die Wohnung verließ, duschte er im Badezimmer, während der Geschädigte seine Verletzungen säuberte. Da der Angeklagte seinen fortbestehenden Wegnahmevorsatz nicht sofort nach der Gewaltanwendung umgesetzt hat, obwohl der Geschädigte sichtbar unter der Wirkung der ausgeübten Gewalt stand, lag für den BGH das raubtypische Geschehen nicht vor.

Anwalt für Strafrecht: Strafzumessung

Wird mit Betäubungsmitteln Handel getrieben, so darf der Umstand, dass der Angeklagte mit einer anderen Person in Mittäterschaft gehandelt hat, nicht pauschal strafschärfend berücksichtigt werden.

In seinem Beschluss vom 5. April 2016 – 3 StR 428/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass die pauschale Behauptung, eine Mittäterschaft wirke für den Angeklagten strafschärfend, fehlerhaft ist. Zwar könne die Beteiligung mehrerer Personen an einer Straftat im Rahmen der Strafzumessung grundsätzlich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Allerdings gelte dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt, da allein der Umstand des mittäterschaftlichen Handelns noch nichts über das Maß der Tatschuld des einzelnen Beteiligten aussage. Das Zusammenwirken mit einer anderen Person kann nach den Ausführungen des BGH im Einzelfall sogar zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, etwa wenn der Tatbeitrag des anderen Beteiligten den Beitrag des Angeklagten in einem milderen Licht erscheinen lasse. Deshalb verstößt die pauschal strafschärfende Bewertung der Mittäterschaft gegen § 46 Abs. 3 StGB, nach dem Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden dürfen. Damit hob der BGH das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach auf, durch das der Angeklagte wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war.

Anwalt für Strafrecht: Handynutzung am Steuer

Wer am Steuer ein mit einer Freisprechanlage verbundenes Mobiltelefon in der Hand hält und über die Freisprechanlage telefoniert, begeht keine Ordnungswidrigkeit, solange er keine anderen Funktionen des Handys benutzt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat mit seinem Beschluss vom 25.4.2016 – 4 Ss 212/16 eine überraschende Entscheidung zur Handynutzung am Steuer getroffen. Während die Rechtsprechung das Verbot der Handynutzung bisher auf jegliche Art der Nutzung ausgeweitet hat, hat das OLG Stuttgart nun entschieden, dass ein Kraftfahrzeugführer, der während der Fahrt ein mit einer Freisprechanlage verbundenes Mobiltelefon in der Hand hält und über die Freisprechanlage telefoniert, keine Ordnungswidrigkeit begeht. Dies gilt allerdings nach Ausführungen des OLG nur, wenn keine weiteren Funktionen des Handys benutzt werden. Nach § 23 Abs. 1a StVO darf ein Fahrzeugführer ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür der Hörer aufgenommen oder gehalten werden muss. Das Verbot erfasse damit nach Ansicht des OLG Stuttgart nicht die Benutzung jeglicher Mobilfunkgeräte, die der Fahrer hält, sondern beziehe sich nur auf Geräte, die zur Benutzung in der Hand gehalten werden müssen. Dies sei aber bei der Benutzung einer Freisprechanlage über das Mobiltelefon gerade nicht der Fall, da dem Fahrer weiterhin beide Hände für die eigentliche Fahraufgabe zur Verfügung stünden. Daher sei die Verwendung eines Mobiltelefons über Bluetooth, bei der das Mobiltelefon lediglich gehalten wird, keine Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO, wenn der Fahrzeugführer dazu den Telefonhörer nicht aufnehmen oder halten müsse.

Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung

Eine Verurteilung wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung kommt nur in Betracht, wenn die verletzte Person durch das Zusammenwirken mehrerer Personen in ihrer Abwehr- oder Fluchtmöglichkeiten beeinträchtigt wird.

In seinem Beschluss vom 18. Februar 2016 – 4 StR 550/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut die Anforderungen an eine Verurteilung wegen gemeinschaftlich begangener gefährlicher Körperverletzung definiert. Eine gemeinschaftliche Begehung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Körperverletzungshandlung von einer weiteren, am Tatort anwesenden Person bewusst in einer Weise, die geeignet ist die Lage des Verletzten zu verschlechtern, verstärkt wird. Die erforderliche verstärkte Gefährlichkeit wird vor allem in Fällen anerkannt, in denen die Beteiligung einer zweiten Person der Schwächung der Abwehrmöglichkeiten des Verletzten dient. Dies ist nach Ausführungen des BGH auch der Fall, wenn der Verletzte durch das Zusammenwirken in seiner Chance beeinträchtigt wird, dem Täter der Körperverletzung Gegenwehr zu leisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten. Im zu verhandelnden Fall hat die Verletzte den Komplizen des Handelnden aber erst gar nicht wahrgenommen, sodass ihre Abwehr- oder Fluchtmöglichkeiten nicht durch dessen Anwesenheit eingeschränkt wurden und von einer gemeinschaftlichen Körperverletzung deshalb nicht die Rede sein konnte.

Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung

Eine gefährliche Körperverletzung ist beim Einsatz eines Kraftfahrzeugs nur dann gegeben, wenn sie durch den Anstoß mit dem Kraftfahrzeug selbst und nicht erst durch einen nachfolgenden Sturz ausgelöst wird.

In seinem Beschluss vom 03. Februar 2016 – 4 StR 594/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut deutlich gemacht, dass eine gefährliche Körperverletzung nicht automatisch gegeben ist, wenn die Verletzung im weitesten Sinne durch ein Kraftfahrzeug ausgelöst wurde. Vielmehr erfordert die gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB eine Begehung mittels eines gefährlichen Werkzeugs. Das bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des BGH, dass die Körperverletzung durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eintreten muss. Im Fall des Einsatzes eines Kraftfahrzeugs muss die körperliche Misshandlung also bereits durch den Anstoß selbst ausgelöst werden. Eine erst infolge eines anschließenden Sturzes erlittene Körperverletzung reicht nach Ausführungen des BGH nicht, da sie nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Fahrzeug und Körper zurückzuführen ist. Die beiden Angeklagten hatten versucht, den Geschädigten, den sie zuvor bestohlen hatten, von der Motorhaube ihres Autos abzuschütteln, als dieser die Angeklagten von der Flucht abhalten wollte. Sie fuhren mit dem Auto mit mittlerer Geschwindigkeit über den Parkplatz, wobei der Geschädigte von der Motorhaube abrutschte und sein linker Fuß kurzzeitig unter die Motorhaube geriet. Die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung wurde vom BGH aufgehoben.

Anwalt für Strafrecht: Drogenstrafrecht / Strafzumessung

Bei einer Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln darf die Fortsetzung des Betäubungsmittelkonsums nicht generell strafschärfend für den Beschuldigten bewertet werden.

In seinem Beschluss vom 25. Februar 2016 – 2 StR 39/16 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass ein fortgesetzter Eigenkonsum von Drogen bei der Strafzumessung nicht unbedingt nachteilig bewertet werden darf. Das Landgericht Bonn hatte den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dabei hatte es strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte während des laufenden Verfahrens weiter, wenn auch reduziert, Betäubungsmittel konsumiert hat. Der Angeklagte hatte nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft gelegentlich Joints geraucht und zweimal Amphetamin konsumiert. Der straflose Eigenkonsum von Drogen ist jedoch nach Ansicht des BGH bei dieser Sachlage kein bestimmender Strafschärfungsgrund, sodass der Strafausspruch keinen Bestand haben konnte.

Anwalt für Strafrecht: Wohnungseinbruchdiebstahl

Wer durch die Terrassentür in eine Wohnung gelangt, begeht auch dann keinen Wohnungseinbruchdiebstahl, wenn die Tür auf manipulative Art und Weise geöffnet wird.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 10. März 2016 – 3 StR 404/15 entschieden, dass derjenige, der eine Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür betritt, sich nicht wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar macht, unabhängig davon, auf welche Weise er die Tür geöffnet hat. Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte hatte aus einem Wohnhaus Alkohol entwendet. Um in das Wohnhaus zu gelangen, griff er durch ein auf Kipp stehendes Fenster und löste die am oberen Fensterrahmen angebrachte Verriegelungsschiene. Dadurch war es ihm möglich, das Fenster weiter nach hinten zu kippen, den Griff der danebenliegenden Terrassentür umzulegen und die Wohnung zu betreten. Da das hier in Betracht kommende Merkmal des Einsteigens in eine Wohnung aber erfordert, dass durch eine zum ordnungsgemäßen Eintreten nicht bestimmte Öffnung unter Überwindung eines entgegenstehenden Hindernisses eingedrungen wird, war der Tatbestand nach Ansicht des BGH nicht erfüllt. Die Terrassentür sei eine zum Eintreten bestimmte Tür, was auch nicht dadurch verneint werden könne, dass sie auf manipulative Art und Weise geöffnet werde.

Anwalt für Strafrecht: Bußgeldverfahren

Erkenntnisse, die die Ermittlungsbehörden in einem Strafverfahren durch die Überwachung von Telekommunikation gewonnen haben, dürfen in einem Bußgeldverfahren nicht verwendet werden.

In seinem aktuellen Beschluss vom 14.12.2015 – 2 Ss (OWi) 294/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden, dass Erkenntnisse, die einem Strafverfahren durch Abhören von Telekommunikation erlangt wurden, nicht in einem Bußgeldverfahren verwendet werden dürfen. Betroffen war ein Polizeibeamter, der sich gegen einen Bußgeldbescheid seiner Polizeidirektion wehren wollte. In dem Bescheid wurde er zur Zahlung eines Bußgeldes verurteilt, weil er ohne dienstlichen Grund Auskünfte von verschiedenen Personen über das polizeiliche Auskunftssystem abgefragt hatte. Über diese Erkenntnisse verfügte die Polizeidirektion aber nur, weil gegen den Polizeibeamten vorher ein Strafverfahren wegen Bestechlichkeit eingeleitet wurde, in dem eine Telefonüberwachung des Betroffenen stattfand. Der Vorwurf der Bestechlichkeit konnte nicht bestätigt werden, sodass das Strafverfahren eingestellt werden musste. Dass die Polizeidirektion die Daten aber dennoch für die Verfolgung des Betroffenen in einem Bußgeldverfahren verwendete, war unzulässig. Zwar können die im Rahmen einer Telefonüberwachung gewonnen Daten unter bestimmten Voraussetzungen in einem anderen Strafverfahren gegen den Betroffenen verwendet werden. Dies gilt aber nach Ansicht des OLG Oldenburg nicht für ein Bußgeldverfahren und ist im Übrigen unverhältnismäßig.

Anwalt für Strafrecht: Raub / Diebstahl

Die für den Raub erforderliche Zueignungsabsicht ist nicht gegeben, wenn ein Handy lediglich zu dem Zweck genommen wird, es nach Fotos zu durchsuchen und diese zu löschen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss vom 28.4.2015 – 3 StR 48/15 entschieden, dass die Wegnahme eines Mobiltelefons, um an Bilddateien zu gelangen und diese zu löschen, den Tatbestand des Raubes nicht erfüllt. Die erforderliche Zueignungsabsicht, die sowohl beim Raub als auch beim Diebstahl vorliegen muss, fehlt, wenn es dem Wegnehmenden auf das Handy selbst nicht ankommt.

Zueignungsabsicht hat, wer sich oder einem Dritten die Sache zumindest vorübergehend aneignen und den Eigentümer dauerhaft aus seiner Eigentumsposition verdrängen will. Sie muss sich auf die Sache selbst oder ihren Wert richten. Nach Ansicht des BGH ist Zueignungsabsicht nicht gegeben, wenn ein Mobiltelefon zum Zeitpunkt der Wegnahme nicht über die zur Löschung der Bilder benötigte Zeit hinaus behalten werden soll. Dass die beabsichtigte Durchsuchung des Speichers im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache liegt, ist für den BGH unschädlich, da der Sachgebrauch jedenfalls nicht zum Verbrauch der Sache führt. Damit hob der BGH eine Verurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Kleve wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung auf. Die Angeklagten hatten dem Geschädigten sein Handy unter Gewalteinwirkung weggenommen, um nach Bildern zu suchen und diese zu löschen. Das Handy wollten sie dem Geschädigten nicht zurückgeben und über dessen Verbleib zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Begründet der Angeklagte einen Wohnsitz im (EU-) Ausland und verschleiert seinen tatsächlichen Aufenthalt, kann sich unter Umständen der Haftgrund der Fluchtgefahr ergeben.

Das Kammergericht in Berlin hat mit Beschluss vom 08. Februar 2016 – 5 Ws 12/16 entschieden, dass sich der Haftgrund der Fluchtgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO daraus ergeben kann, dass der Angeklagte einen Wohnsitz im (EU-) Ausland begründet und seinen Aufenthalt derart verschleiert, dass er für die deutschen Behörden nicht erreichbar ist. Der Angeklagte war wegen insgesamt 14 Betrugstaten per Haftbefehl gesucht und schließlich auf Mallorca verhaftet worden. Nach seiner Auslieferung wurde der Angeklagte Im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde verworfen. Über die Revision ist noch nicht entschieden. Mit beiden Urteilen wurde jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Diese Anordnung der U-Haft wegen Fluchtgefahr wird nun durch das Kammergericht bestätigt.

Das Kammergericht stützt seine Entscheidung darauf, dass die Untersuchungshaft nicht nur die Durchführung des Strafverfahrens sicherstellen soll, sondern auch den Vollzug einer zu erwartenden Freiheitsstrafe. Unter Anrechnung der bisher erlittenen Auslieferungs- und Untersuchungshaft bliebe nach Rechtskraft des Urteils immer noch eine Restfreiheitsstrafe von etwas mehr als einem Jahr und zehn Monaten zu erwarten. Diese biete dem Angeklagten erheblichen Anreiz, sich der Strafvollstreckung zu entziehen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte bereits seit Februar 2013 unbekannten Aufenthalts und damit für die deutschen Behörden faktisch unerreichbar gewesen war. An seiner angegebenen Meldeanschrift in Deutschland wurde der Angeklagte seinerzeit nicht angetroffen, zudem ergaben sich Hinweise darauf, dass die angegebene Wohnung tatsächlich leer stand. Später verlegte der Angeklagte seinen Wohnsitz nach Mallorca, ohne sich bei den deutschen Behörden abzumelden. Auch in Spanien war der Angeklagte ersichtlich um Geheimhaltung seines Aufenthaltsortes bemüht und verwendete lediglich eine Postfachanschrift. Aufgrund dieser Umstände sei nach Auffassung des Kammergerichts auch zukünftig damit zu rechnen, dass der Angeklagte im Falle seiner Haftentlassung untertauchen und sich der Strafvollstreckung entziehen würde, sodass im konkreten Fall der Haftgrund der Fluchtgefahr bestehe.

Anwalt für Strafrecht: Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion

Im Rahmen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion gem. § 308 StGB können auch Gase das Tatbestandsmerkmal „Sprengstoff“ erfüllen.

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 08. Dezember 2015 – 3 StR 438/15 klargestellt, dass „Sprengstoff“ im Sinne des § 308 StGB auch Gase sein können. Der Entscheidung lag eine Serie von Überfällen auf Geldautomaten zugrunde, bei denen eine Bande verschiedene Geldautomaten aufgesprengt und das darin befindliche Geld entwendet hatte. Zur Sprengung der Geldautomaten wurde ein Gemisch aus brennbaren Gasen und Sauerstoff in die Automaten geleitet und dann mittels eines eingeleiteten elektrischen Zünders zur Explosion gebracht. Durch die Einordnung der verwendeten Gase als Sprengstoff im Sinne des § 308 StGB schafft der BGH nun etwas Klarheit in der juristischen Debatte um die rechtliche Qualität von Sprengstoffen. Dabei schließt sich der BGH der alten Definition des Reichsgerichts an, das Sprengstoffe als alle explosiven Stoffe beschrieb, welche sich zur Verwendung als Sprengmittel eignen, also alle diejenigen Stoffe, die bei Entzündung eine gewaltsame und plötzliche Ausdehnung dehnbarer (elastischer) Flüssigkeiten und Gase hervorrufen, und geeignet sind, dadurch den Erfolg einer Zerstörung herbeizuführen. Der Aggregatzustand des Stoffes sei demnach unerheblich.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Allein das Bestehen eines polytoxen Abhängigkeitsmusters eines drogenabhängigen Angeklagten rechtfertigt noch nicht die Annahme der Unfähigkeit zur selbständigen Verteidigung vor Gericht und einer damit verbundenen Pflichtverteidigerbestellung gem. § 140 Abs. 2 StPO

Das Kammergericht in Berlin hat mit Beschluss vom 23. Februar 2016 – 3 Ws 87/16 entschieden, dass allein das Bestehen eines polytoxen Abhängigkeitsmusters bei einem drogenabhängigen Angeklagten noch nicht für die Annahme ausreicht, der Angeklagte könne sich nicht selbst vor Gericht verteidigen und benötige deshalb gem. § 140 Abs. 2 StPO einen Pflichtverteidiger. Damit verwarf das Kammergericht die Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung durch das Landgericht Berlin.

Der Angeklagte hatte unter dem Einfluss von Alkohol und Rohypnol einen Imbissbetreiber verletzt und sich gegen seine anschließende Festnahme durch die Polizei gewehrt, weshalb er vom Amtsgericht wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein und rügte, dass ein wichtiger Zeuge nicht gehört worden sei. Mehrere Wochen später beantragte der Angeklagte die Bestellung eines Pflichtverteidigers, was vom Landgericht jedoch abgelehnt wurde. Das Kammergericht bestätigt diese Entscheidung.

Neben den in § 140 Abs. 1 StPO genannten Fällen kann ein Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 2 StPO auch dann bestellt werden, wenn ersichtlich ist, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann. Die Verteidigungsfähigkeit des Beschuldigten ist nach den Ausführungen des Kammergerichts unter anderem nach seinen geistigen Fähigkeiten, seinem Gesundheitszustand und den sonstigen Umständen des Falles zu beurteilen. Als Indiz für eine Verhandlungsunfähigkeit gilt demnach eine gesetzliche Betreuung des Beschuldigten. Zwar bestehe beim Angeklagten ein polytoxes Abhängigkeitsmuster, jedoch sprechen mehrere Umstände nicht für eine Verteidigungsunfähigkeit des Angeklagten. So sei dieser pünktlich zum Verhandlungstermin erschienen, habe fristgemäß Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt, zusätzlich die nicht erfolgte Anhörung eines Zeugen gerügt und diesen auch namentlich benannt. Dies stelle ein vernünftiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten dar. Auch stehe der Angeklagte nicht unter Betreuung. Insgesamt weise das Verfahren auch keine anderen Besonderheiten auf, die eine notwendige Verteidigung begründen würden. Daher war die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung durch das Landgericht rechtmäßig. Das Kammergericht weist abschließend jedoch darauf hin, dass das Landgericht nicht gehindert sei, noch einen Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn sich die Situation in der Hauptverhandlung anders darstellen sollte.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Angeklagter hat das Recht, bereits vor Beginn der Hauptverhandlung eine Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache zu erhalten.

In seinem Urteil vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 457/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass es gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK und den Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt, wenn dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten nicht bereits vor Beginn der Hauptverhandlung eine Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache zugeleitet wird. Allein die mündliche Übersetzung der Anklageschrift in der Hauptverhandlung genüge nur ausnahmsweise, wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen sei. Wurde dem Angeklagten die Anklageschrift nicht ordnungsgemäß mitgeteilt, so kann er nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen, um seine Verteidigung auf der Grundlage der Anklageschrift ausreichend vorbereiten zu können. Bei der Entscheidung über die Aussetzung steht dem Gericht zwar ein Ermessensspielraum zu. Weist das Gericht den Aussetzungsantrag jedoch zurück, ohne sich seines Ermessens überhaupt bewusst zu sein, so stellt dies nach Ausführungen des BGH einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK dar, auf dem das Urteil in der Regel beruht.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl mit Waffen

Der Tatbestand des Diebstahls mit Waffen in der Variante des Beisichführens eines gefährlichen Werkzeuges gem. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB setzt in subjektiver Hinsicht zumindest ein allgemeines „parates Wissen“ hinsichtlich der Verfügungsmöglichkeit über das Werkzeug bei Begehung der Tat voraus.

Mit Beschluss vom 03.11.2015 – (5) 121 Ss 203/15 (53/15) hat sich das Kammergericht zu den Anforderungen an den subjektiven Tatbestand des Diebstahls mit Waffen geäußert. Der Angeklagte hatte einen Diebstahl begangen, bei dem er ein Klappmesser in seiner Hosentasche mitführte. Daher wurde er vom Amtsgericht Tiergarten in Berlin wegen Diebstahls mit Waffen gem. § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB verurteilt. Das Kammergericht hob dieses Urteil mit der Begründung auf, das Amtsgericht habe keine hinreichenden Feststellungen zur inneren Tatseite (subjektiver Tatbestand) getroffen.

Insofern führt das Kammergericht aus, dass ein Diebstahl mit Waffen in Form des Beisichführens eines gefährlichen Werkzeuges zumindest das allgemeine tatsächliche Bewusstsein voraussetzt, dass man bei der Begehung der Tat ein funktionsbereites gefährliches Werkzeug zur Verfügung hat (sog. parates Wissen). Das Amtsgericht hatte lediglich festgestellt, dass sich das Messer in der Hosentasche des Angeklagten befand, weshalb ihm bewusst war, dass das Messer griffbereit ist und damit die Voraussetzungen eines Diebstahls mit Waffen erfüllt seien. Das Kammergericht jedoch betonte, dass allein der Umstand, dass das Messer generell griffbereit ist, nichts über das Bewusstsein des Angeklagten darüber aussagt. Jedoch kommt es gerade darauf an. Ferner liege ein entsprechendes Bewusstsein bei dem Klappmesser auch nicht auf der Hand, zumal die genaue Beschaffenheit des Messers auch nicht festgestellt wurde. Im Ergebnis hob das Kammergericht das Urteil auf und verwies es zu erneuter Entscheidung an das Amtsgericht zurück.

Anwalt für Strafrecht: Wiederaufnahme des Verfahrens

Ein Sachverständiger ist in einem Wiederaufnahmeverfahren ein neues Beweismittel gem. § 359 Nr. 5 StPO, wenn das Gericht bei der Urteilsbildung keinen Sachverständigen gehört hat und die eigene Sachkunde in den Urteilsgründen nicht ausreichend erörtert wurde.

Das Landgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 15.12.2015 – 17 Qs 71/15 entschieden, dass ein Sachverständiger ein neues Beweismittel in einem Wiederaufnahmeverfahren gem. § 359 Nr. 5 StPO darstellt, wenn bisherige Urteilsfeststellungen keinen Anlass dazu geboten haben, einen Sachverständigen zu befragen oder das Gericht bei der Urteilsbildung aufgrund eigener Sachkunde keinen Sachverständigen hinzugezogen hat.

Vorausgegangen war ein Verfahren, in dem der Angeklagte durch das Amtsgericht Stuttgart wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt wurde. Nachdem das Urteil rechtskräftig geworden ist, stellte der Verurteilte einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Als Begründung legte er ein psychiatrisches Gutachten vor. In diesem konstatierte der erstmals herangezogene Sachverständige, dass die Schuldunfähigkeit des Verurteilten gem. § 20 StGB zur Tatzeit nicht ausgeschlossen sei. Das zuständige Amtsgericht lehnte den Antrag zur Wiederaufnahme des Verfahrens ab. Als Begründung führte es aus, aufgrund eigener Sachkunde keinen Sachverständigen hinzugezogen zu haben. Demzufolge sei der Sachverständige kein neues Beweismittel im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO. Dieser Auffassung schloss sich das Landgericht nicht an. Da zur Urteilsbildung des Amtsgerichts kein Sachverständiger herangezogen wurde und das Amtsgericht die ihm bekannte Psychose des Verurteilten vor dem Hintergrund des § 20 StGB nicht nachvollziehbar dargelegt hatte, ist der Sachverständige gem. § 359 Nr. 5 StPO ein neues Beweismittel. Folglich ist der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig.

Anwalt für Strafrecht: Europäischer Haftbefehl

Eine Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung durch die ungarischen Justizbehörden kann trotz Vorliegens eines europäischen Haftbefehls unzulässig sein.

Mit Beschluss vom 14.12.2015 – (4) 151 AuslA 121/15 (156/15) hat das Kammergericht in Berlin seinen Auslieferungshaftbefehl gegen einen mit gleich zwei europäischen Haftbefehlen Verfolgten aufgehoben und die Auslieferung an die ungarischen Justizbehörden für unzulässig erklärt. Gegen den Verfolgten waren durch ungarische Gerichte zum Zwecke der Strafverfolgung europäische Haftbefehle erlassen worden, einerseits wegen des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln und andererseits wegen (in Ungarn strafbarer) Flucht aus dem gerichtlich verhängten Hausarrest.

Das Kammergericht stellt in seinem Beschluss zunächst klar, dass bezüglich der Gefangenenflucht aus dem Hausarrest bereits ein Auslieferungshindernis vorliegt, weil eine solche Tat in Deutschland nicht strafbar ist, somit die Auslieferungsvoraussetzung der beiderseitigen Strafbarkeit fehlt. Bezüglich des vorgeworfenen Betäubungsmittelhandels sieht das Kammergericht ein Auslieferungshindernis darin gegeben, dass nicht hinreichend feststeht, dass der Verfolgte im Falle einer Verurteilung nach dem ungarischen Strafgesetzbuch die Chance hat, jemals wieder in Freiheit zu gelangen. Diesbezüglich präzisiert das Kammergericht, dass in dem vorliegenden Fall nach ungarischem Recht die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe möglich ist. Insofern ist eine Auslieferung nach dem IRG ohnehin nur dann zulässig, wenn nach spätestens 20 Jahren eine Überprüfung der Strafvollstreckung erfolgt. Aus den Mitteilungen des ungarischen Justizministeriums könne jedoch nicht hinreichend sicher geschlossen werden, dass eine solche Überprüfung rechtzeitig erfolgen wird oder der Verurteilte möglicherweise vorzeitig entlassen wird. Im Falle einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit bedingter Entlassung genügen auch die Regelungen des ungarischen Gnadenrechts nach Auffassung des Kammergerichts nicht den vom EGMR konkretisierten Anforderungen im Hinblick auf Artikel 3 EMRK, insbesondere da die Berücksichtigung von Fortschritten bei der Resozialisierung des Verurteilten nicht gewährleistet sei. Überdies wurde seitens der ungarischen Behörden für den vorliegenden Fall auch keine Garantie für eine rechtzeitige Überprüfung der Strafvollstreckung abgegeben. Daher erklärte das Kammergericht die Auslieferung für unzulässig und hob den Auslieferungshaftbefehl auf.

Anwalt für Strafrecht: Sexueller Missbrauch von Strafgefangenen

Der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Strafgefangenen ist nicht erfüllt, wenn die sexuellen Handlungen auf einer langjährigen Liebesbeziehung und nicht auf einem Über- Unterordnungsverhältnis beruhen, da in diesem Fall nicht die berufliche Stellung im Sinne des § 174a Abs. 1 StGB ausgenutzt wird.

Das Oberlandesgericht München hat mit Beschluss vom 19.12.2014 – 5 OLG 15 Ss 606/14 entschieden, dass sich eine zur Betreuung von Gefangenen bestellte Person nicht wegen sexuellen Missbrauchs von Strafgefangenen strafbar macht, wenn sich die zwischen ihr und dem Gefangenen ausgetauschten sexuellen Handlungen aus einer langjährigen Liebesbeziehung entwickeln, die auch nach der Haft fortgeführt wird. In diesem Fall nutze die zur Betreuung eingesetzte Person ihre Stellung nicht im Sinne des § 174a StGB aus. Angenommen wird ein sexueller Missbrauch hingegen, wenn das zwischen der betreuenden Person und dem Gefangenen bestehende Über- Unterordnungsverhältnis derart ausgeprägt ist, dass der Gefangene nur aufgrund der Stellung der betreuenden Person an sexuellen Handlungen mitwirkt. In dem zu verhandelnden Fall hatte eine Anstaltspsychologin mit einem von ihr zu behandelnden Häftling in 10 Fällen Geschlechtsverkehr und wurde deshalb wegen sexuellen Missbrauchs von Strafgefangenen verurteilt. Da sich die sexuellen Handlungen jedoch innerhalb einer langjährigen Liebesbeziehung abspielten, die später sogar zu einer Schwangerschaft der Anstaltspsychologin führte, hob das OLG München das Urteil der Vorinstanz auf. In drei anderen Fällen, in denen es zwischen der Psychologin und einem anderen Gefangenen, mit dem sie keine Liebesbeziehung führte, zum Austausch sexueller Handlungen kam, ließ das OLG München die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs bestehen.

Anwalt für Strafrecht: Verbreitung jugendpornografischer Schriften

Die gezielte Versendung eines jugendpornografischen Bildes an ein Kind stellt kein Verbreiten jugendpornografischer Schriften im Sinne des § 184c Abs. 1 StGB dar. Außerdem ist in dem bloßen Zeigen eines solchen Bildes keine Einwirkung auf das Kind im Sinne des § 176 Abs. 4 StGB zu sehen, da es in der Regel an einer psychischen Einflussnahme tiefergehender Art fehlt.

In seinem Beschluss vom 22.01.2015 – 3 StR 490/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Verfahren gegen den Angeklagten wegen Verbreitens jugendpornografischer Schriften und sexuellen Missbrauchs teilweise eingestellt. Der Angeklagte hatte Bilder mit jugendpornografischem Inhalt gezielt an Einzelpersonen versandt und wurde deshalb unter anderem wegen Verbreitung jugendpornografischer Schriften verurteilt. Die Verbreitung einer Schrift, egal ob es sich um kinder-, jugend-, gewalt- oder tierpornografische Schrift handelt, setzt voraus, dass ihr Inhalt an eine nicht mehr individualisierbare Vielzahl von Personen weitergegeben wird. Entscheidend ist, dass der Personenkreis nicht mehr kontrollierbar ist. Wird der Inhalt hingegen ganz gezielt nur an eine Einzelperson versandt, so liegt grundsätzlich keine Verbreitung im Sinne der Verbreitungstatbestände vor. Wird die Schrift, wie im zu verhandelnden Fall, an ein Kind geschickt, so kommt noch die Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Einwirken auf das Kind nach § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB in Betracht. Beim bloßen Vorzeigen eines Bildes handelt es sich nach Ausführungen des BGH aber in der Regel nicht um ein Einwirken im Sinne des Gesetzes, weil es zu einer psychischen Einflussnahme tiefergehender Art kommen muss.

Anwalt für Strafrecht: Kausalzusammenhang zwischen Tathandlung und Taterfolg

Der Ursachenzusammenhang zwischen Tathandlung und Taterfolg wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Verhalten des Opfers, ein deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten oder eine weitere Handlung des Täters selbst an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat.

In seinem Urteil vom 03. Dezember 2015 – 4 StR 223/15 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) ausführlich mit der Kausalität zwischen Tathandlung und Erfolg und ihren subjektiven Voraussetzungen auseinandergesetzt. Anlass war ein mehraktiges Tötungsgeschehen, bei dem der Angeklagte sein Opfer zunächst in Tötungsabsicht mit einer Metallstange niederschlug. Beim Verlassen des Tatorts ging er davon aus, dass sein Opfer sterben würde. Als das Opfer nach seiner Rückkehr entgegen seiner Erwartung noch lebte, schnitt er ihm mit einem Messer den Hals durch, was zum Tod des Opfers führte. Das Landgericht Paderborn verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags. Der BGH hob dieses Urteil mit der Begründung auf, dass ein vollendeter Mord gegeben sei, weil der Schlag mit der Metallstange als ursächliche Handlung für den Todeserfolg gesehen werden müsse. Zur Begründung führte er aus, dass für den Eintritt des Erfolges grundsätzlich jede Bedingung ursächlich ist, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei sei nach ständiger Rechtsprechung gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Ereignisse zum Erfolgseintritt beigetragen haben. Lediglich in Fällen, in denen ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitige und seinerseits eine eigenständige Ursachenreihe in Gang setze, werde ein unterbrochener Kausalzusammenhang angenommen. Hat hingegen ein weiteres Verhalten an dem Erfolgseintritt mitgewirkt, so schließe dies den Kausalzusammenhang nicht zwingend aus. Ob es sich dabei um ein Verhalten des Opfers, ein deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten oder um ein Verhalten des Täters selbst handelt, ist nach Ausführungen des BGH ebenso gleichgültig. Vom Vorsatz umfasst ist diese mitwirkende Handlung nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn es sich lediglich um eine unwesentliche Abweichung vom ursprünglich vorgestellten Geschehensablauf handelt. Eine unwesentliche Abweichung wird angenommen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt. Um eine solche handelte es sich für den BGH auch in dem zu verhandelnden Fall, da der Umstand, dass der Tod des Opfers unmittelbar durch die im Zuge der Bemühungen um eine Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung gegen das wider Erwarten noch nicht verstorbene Opfer geführten Messerstiche bewirkt wurde, sich nach Ansicht des BGH nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit bewegt und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt.

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Wer einen Anspruch geltend macht, bei dem nicht abschließend geklärt ist, ob er tatsächlich besteht oder nicht, macht sich nicht wegen Betruges strafbar.

In seinem Beschluss vom 28.04.2015 – 1 AR 13/15 hat das Landgericht (LG) Düsseldorf entschieden, dass die Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs bei unklarer Rechtslage den Tatbestand des Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB nicht erfüllt. Dabei stellte sich das LG zuerst die Frage nach einer möglichen Täuschungshandlung und verneinte die notwendige Vorwerfbarkeit für die aktive Geltendmachung eines Anspruch bei unklarer Rechtslage zumindest für die Fälle, in denen der eingenommene rechtliche Standpunkt des Anspruchsstellers nicht gänzlich fernliegend ist. Das LG Düsseldorf sieht den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit vielmehr in einem Unterlassen der Offenbarung derjenigen Umstände, die den Bestand des geltend gemachten Anspruchs in Frage stellen könnten. Um sich aber eines Betruges durch Unterlassen strafbar zu machen, müsste eine Garantenstellung des Anspruchsstellers gegeben sein, die eine Rechtspflicht zur Offenbarung mit sich bringt. Diese zu begründen wird aber in den meisten Fällen nicht möglich sein. Auch in dem zu verhandelnden Fall konnte das Gericht keine Pflicht des Beschuldigten zur Offenbarung ableiten. Der Beschuldigte ist Arzt und hat eine Laborleistung in Rechnung gestellt, obwohl er selbst nicht im Labor anwesend war. Die Frage, ob Ärzte Laborleistungen abrechnen dürfen, auch wenn sie selbst im Labor nicht anwesend waren, ist unter Ärzten schon sehr lange umstritten und dürfte zumindest strafrechtlich mit der Entscheidung des LG Düsseldorf beendet sein.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Wird die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen dessen angeblich zu spät gestellten Akteneinsichtsgesuchs aufgehoben, so stellt dies eine willkürliche Entscheidung dar, die die Besorgnis der Befangenheit des ablehnenden Richters begründet.

In seinem Urteil vom 23.09.2015 – 2 StR 434/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass ein Richter, der einen Pflichtverteidiger wegen eines angeblich zu spät gestellten Akteneinsichtsgesuchs von seinem Mandat enthebt, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann. Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein solches Misstrauen gerechtfertigt, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Ein Verfahrensfehler führt aber nur dann zu einem Befangenheitsgrund, wenn die Entscheidung unvertretbar ist oder den Anschein der Willkür erweckt. Dies hat der BGH in einem Fall angenommen, in dem der Vorsitzende Richter den Pflichtverteidiger der Angeklagten wegen mangelnder Zuverlässigkeit entbunden hat. Dem lag zugrunde, dass der Verteidiger wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung einen Antrag auf ergänzende Akteneinsicht gestellt und, nachdem ihm die Akten nicht zugesandt worden waren, die Aussetzung des Verfahrens beantragt hatte. Der BGH sah in der Begründung des Richters, der Verfahrensablauf sei durch das Verhalten des Verteidigers gefährdet worden, einen nur vorgeschobenen Grund, mit dem womöglich das Ziel verfolgt wurde, einen missliebigen, weil unbequemen Verteidiger aus dem Verfahren zu entfernen.

Anwalt für Strafrecht: Räuberische Erpressung

Entscheidend für die Annahme einer Drohung im Rahmen der räuberischen Erpressung ist neben dem objektiven Vorliegen auch die Vorstellung des Täters, dass seine Drohung zumindest geeignet ist, bei dem Bedrohten Furcht vor der Verwirklichung der Drohung hervorzurufen

Für die Annahme einer Drohung im Rahmen der räuberischen Erpressung gem. §§ 253, 255 StGB kommt es neben dem objektiven Vorliegen einer Drohung entscheidend auf die Vorstellung des Täters an. Dieser muss subjektiv davon ausgehen, dass seine Drohung zumindest geeignet ist, bei dem Bedrohten Furcht vor ihrer Verwirklichung hervorzurufen, was bei diesem zu einer Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung führt. Nicht ausreichend ist allein die Feststellung, dass der Bedrohte subjektiv davon ausgeht, es liege objektiv eine Drohung vor. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 09.09.2015 – 4 StR 335/15. Der Angeklagte war vom Landgericht Kaiserslautern wegen räuberischer Erpressung verurteilt worden, weil er einem Taxifahrer die Hand auf die Schulter gelegt hatte und gleichzeitig Geld forderte, mit dem er später flüchtete. Der Taxifahrer ging davon aus, dass der Angeklagte ihn mit einem Messer bedrohte, weil er zuvor ein Klickgeräusch vernommen hatte. Der BGH hob das Urteil auf, weil das Landgericht keine Feststellungen zur inneren Tatseite des Angeklagten getroffen hatte, sondern lediglich auf die Wahrnehmung des Taxifahrers abstellte. Zwar komme hier objektiv eine Drohung in Betracht, jedoch bedarf es für eine Verurteilung auch entsprechende Feststellungen zur Vorstellung des Täters, er setze die Drohung final zur Erlangung des Vermögensvorteils ein. Zudem hat das Landgericht nicht festgestellt, dass tatsächlich ein Messer eingesetzt wurde bzw. ob das Klickgeräusch überhaupt tatsächlich vom Täter stammte.

Anwalt für Strafrecht: Raub

Verlangt ein Freier vor der Durchführung des Oralverkehrs gewaltsam sein bereits gezahltes Geld von der Prostituierten zurück, so erfüllt dies mangels rechtswidriger Zueignung nicht zwingend den Tatbestand des Raubes.

In seinem Beschluss vom 21.07.2015 – 3 StR 104/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit der Prostitution weiter geführt. Nach dieser Rechtsprechung und § 1 des Prostitutionsgesetzes (ProstG) hat eine Prostituierte erst nach Vornahme der sexuellen Handlung einen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Geldbetrages. Ein Anspruch auf Vorkasse besteht hingegen nicht. Nach Ansicht des BGH führt dies aber nicht dazu, dass sich ein Freier, der die Dienstleistungen nach Vorkasse doch nicht mehr in Anspruch nehmen möchte, zwingend wegen Raubes strafbar macht, wenn er das Geld gewaltsam zurückfordert. Denn nach Ansicht des BGH weiß ein Freier in der Regel nicht, dass ein Anspruch der Prostituierten auf Vorleistung nicht besteht. Nimmt er der Prostituierten das Geld vor der Vollziehung der sexuellen Handlung wieder weg, so fehlt es an der Rechtswidrigkeit der Zueignung, wenn er davon ausgeht, einen Anspruch auf Rückzahlung des Geldes zu haben. Nur wer weiß, dass die Prostituierte keinen Anspruch auf Vorleistung hat, kann sich demzufolge wegen Raubes strafbar machen.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Aus dem Zeitpunkt, zu dem ein Verteidiger einen Beweisantrag stellt, darf das Gericht nichts zum Nachteil des bis dahin schweigenden Angeklagten ableiten.

Das Schweigerecht des Angeklagten ist ein unabdingbarer Grundsatz unserer Strafprozessordnung, den der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom 17.09.2015 – 3 StR 11/15 wieder einmal gestärkt hat. Anlass dafür gab das Landgericht Lüneburg, das die Qualität von Alibis mit der Begründung entwertete, die Alibizeugen hätten bereits im Ermittlungsverfahren benannt werden können. Der BGH erteilte dieser Argumentation eine ganz klare Absage und betonte dabei das Recht des Angeklagten, sich frei äußern oder nicht zur Sache aussagen zu können. Dieses Recht könne nicht ausgeübt werden, wenn der Angeklagte eine Prüfung und Bewertung der Gründe seines Aussageverhaltens befürchten müsse. Erst recht dürfe aus dem Zeitpunkt, zu dem ein Verteidiger einen Beweisantrag anbringe, nichts zum Nachteil des bis dahin schweigenden Angeklagten hergeleitet werden. Dies begründete der BGH mit der selbstständigen Berechtigung des Verteidigers, Beweisanträge zu stellen. Solange sich der Angeklagte das Vorbringen in dem Beweisantrag des Verteidigers nicht als Einlassung zu Eigen mache, dürfe das Gericht keine negativen Schlüsse aus dem Zeitpunkt des Antrags ziehen.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Die Fortdauer der Untersuchungshaft ist bei erheblichen Verfahrensverzögerungen nach Verkündung des auf Freiheitsstrafe von 18 Monaten lautenden Urteils angesichts einer bisherigen Untersuchungshaftdauer von 14 Monaten nicht verhältnismäßig

Das Kammergericht in Berlin hat mit Beschluss vom 03.11.2015 – 3 Ws 532/15 – 141 AR 499/15 der Beschwerde eines Angeklagten stattgegeben und damit die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aufgehoben. Das Kammergericht begründet seinen Beschluss mit einer detaillierten Schilderung des Verfahrensganges, der von erheblichen Verfahrensverzögerungen geprägt ist, die die Fortdauer der Untersuchungshaft letztlich unverhältnismäßig werden lassen. So wurde der Angeklagte, der bereits seit August 2014 in Untersuchungshaft war, vom Landgericht Berlin sechs Monate später, nämlich im Februar 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Anschließend kam es zu Fehlern bei der Fertigung des Sitzungsprotokolls und aufgrund dessen auch bei der Zustellung des Urteils. Erst im Oktober 2015 bemerkte die für die Vollstreckung des Urteils zuständige Staatsanwaltschaft die Unvollständigkeit des Protokolls. Unter dem Gesamteindruck dieses schleppenden Verfahrensganges erklärt das Kammergericht die angeordnete Fortdauer der inzwischen 14 Monate währenden Untersuchungshaft für unverhältnismäßig. Sowohl das Grundrecht der Freiheit der Person sowie das Recht auf ein faires und beschleunigtes Verfahren seien nicht hinreichend beachtet worden. Bereits mehrere Einzelvorgänge in dem Verfahren verstießen nach Ansicht des Kammergerichts gegen das Beschleunigungsgebot. Insbesondere aber der Umstand, dass eine Vorlage an den Bundesgerichtshof als Revisionsgericht nunmehr frühestens im Dezember 2015 zu erwarten war und dann ein Großteil der verhängten Strafe bereits verbüßt sein würde, stellten die Haftfortdauer in ein zu beseitigendes Missverhältnis.

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Allein die Bereitschaft, durch einen Betrug (abgewandelter Enkel-Trick) erlangtes Geld auf seinem Konto zu empfangen, begründet nicht zwangsläufig eine Mittäterschaft an der Tat

Mit Beschluss vom 19.10.15 – (2) 161 Ss 220/15 (63/15) hat sich das Kammergericht unter Aufhebung eines Urteils des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin zu den Anforderungen an eine mittäterschaftliche Tatbegehung im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB geäußert. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte ein Tatbeteiligter dem betagten Geschädigten am Telefon vorgespiegelt, er müsse Geld auf ein Konto überweisen, da ansonsten gerichtliche Konsequenzen drohten (abgewandelter Enkel-Trick). Der Angeklagte hatte sein Konto für den Empfang der Überweisung zur Verfügung gestellt, sich das Geld nach erfolgter Überweisung bei seiner Bank auszahlen lassen und später wohl an andere Tatbeteiligte weitergegeben. Das Kammergericht wertete den Tatbeitrag des Angeklagten aufgrund der getroffenen Feststellungen zur Tat lediglich als eher untergeordnete Unterstützungshandlung zum Betrug, welche für die Annahme von Mittäterschaft im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB nicht ausreiche. Da insbesondere auch keine hinreichenden Feststellungen zur inneren Tatseite des Angeklagten getroffen wurden, mithin nicht ohne Weiteres auf einen gemeinsamen Tatplan und eine Beteiligung an der Tatbeute geschlossen werden könne, liege im objektiven Tatbeitrag des Angeklagten im Ergebnis (nur) eine die Haupttat fördernde Beihilfehandlung.

Anwalt für Strafrecht: Einfuhr von Betäubungsmitteln

Bei der Zwischenlandung eines Betäubungsmittel-Kuriers im Inland kommt es für die Strafbarkeit wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln entscheidend darauf an, ob der reisende Kurier eine tatsächliche Verfügungsmacht über das Gepäckstück hat.

In seinem Beschluss vom 18.03.2015 – 3 StR 634/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut klargestellt, dass es für einen Betäubungsmittelkurier, der Betäubungsmittel in seinem Fluggepäck transportiert, für die Strafbarkeit wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln entscheidend auf die tatsächliche Verfügungsmacht über die transportierten Drogen ankommt. Macht das Flugzeug eine Zwischenlandung in der Bundesrepublik Deutschland, so macht sich der Betäubungsmittelkurier nur dann wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar, wenn er weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass er über das Gepäckstück verfügen kann. Rechnet er hingegen nicht damit, dass das Gepäckstück ausgeladen wird und ihm zur Verfügung steht, so kommt lediglich eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Einfuhr von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 4 BtMG in Betracht. Diese tritt aber nach Ansicht des BGH ohnehin hinter der Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zurück, wenn der Kurier als Täter oder Teilnehmer an dem Drogengeschäft mitwirkt. Die fahrlässige Einfuhr sei in diesem Fall lediglich ein unselbstständiger Teilakt des Handeltreibens.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Das Leugnen der Tat stellt auch dann ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten dar, wenn dadurch der Tatverdacht gegen einen Mittäter wesentlich verstärkt wird.

Das Leugnen der Tat darf nicht zu Lasten des Angeklagten bewertet werden. Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Beschluss vom 22.07.2015 – 1 StR 323/15 noch einmal bestärkt, indem er ein Urteil des Landgerichts Ulm im Strafausspruch aufgehoben hat. Das Landgericht hatte das Leugnen der Tat als rechtsfeindlich bewertet und das Leugnen des Angeklagten ausdrücklich zu seinen Lasten berücksichtigt. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein solches Prozessverhalten aber nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn es nicht allein auf der Furcht vor Bestrafung beruht. Dies muss allerdings hinreichend festgestellt werden. Leugnet der Angeklagte die Tat, so stellt dies ein zulässiges Verteidigungsverhalten des Angeklagten dar, auch wenn durch sein Leugnen der Tatverdacht gegen einen anderen wesentlich verstärkt wird. Demzufolge kann das Leugnen für sich genommen nicht als Begründung einer entsprechenden rechtsfeindlichen Gesinnung herangezogen werden.

Anwalt für Strafrecht: Hausfriedensbruch

Im Falle eines Hausfriedensbruchs gem. § 123 StGB ist der Inhaber des Hausrechts der beeinträchtigten Räumlichkeiten strafantragsberechtigt, bei vermieteten Räumen also grundsätzlich der Mieter.

Der Angeklagte hatte sich aus Verärgerung über einen unpünktlich abgefahrenen Zug der Berliner S-Bahn Zutritt zu dem Bahnwärterhäuschen auf dem S-Bahnsteig verschafft und dort die Mitarbeiter bedrängt. Das Häuschen war zur Tatzeit an die S-Bahn Berlin GmbH vermietet. Vermieterin ist die DB Station und Service AG. Zur Einleitung des Strafverfahrens wegen Hausfriedensbruchs gem. § 123 StGB hat der zuständige Vertreter der DB Station und Service AG den erforderlichen Strafantrag gestellt. Das Amtsgericht Tiergarten und das Landgericht Berlin verurteilten den Angeklagten wegen Hausfriedensbruchs. Mit Beschluss vom 03.08.2015 – (2) 161 Ss 160/15 (44/15) hat das Kammergericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt. In seiner Begründung führt das Kammergericht aus, dass der gestellte Strafantrag unwirksam ist und somit ein echtes Verfahrenshindernis besteht. Strafantragsberechtigt sei allein die Mieterin der beeinträchtigten Räumlichkeiten, hier also die S-Bahn Berlin GmbH. Denn grundsätzlich stehe allein dem Mieter das Hausrecht an den gemieteten Räumen zu, auch gegenüber dem Vermieter. Dementsprechend sei im Falle des Hausfriedensbruchs auch allein der Mieter strafantragsberechtigt.

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung

Für die Annahme des besonders schweren Falles der "gewerbsmäßigen" Urkundenfälschung ist es nicht erforderlich, dass die angestrebten Einnahmen unmittelbar aus der Urkundenfälschung resultieren. Vielmehr genügt für die Annahme der Gewerbsmäßigkeit bereits, dass die Urkundenfälschung eine notwendige Zwischenstufe für weitere gewinnbringende Handlungen ist.

Mit Beschluss vom 30.06.2015 – 4 StR 190/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine Rechtsprechung zur gewerbsmäßigen Urkundenfälschung bestätigt. Demnach kann eine Gewerbsmäßigkeit als besonders schwerer Fall der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 3 Nr. 1 StGB bereits dann angenommen werden, wenn sich aus der Urkundenfälschung selbst zwar keine unmittelbaren, aber zumindest mittelbare finanzielle Vorteile ergeben. Voraussetzung dafür ist, dass die Urkundenfälschung dazu dienen soll, durch andere Straftaten Gewinn erzielen zu können, also eine „notwendige Zwischenstufe“ zu den gewinnbringenden Taten darstellt.

Anwalt für Strafrecht: Geldwäsche

Als „Gegenstand“ der Geldwäsche ist auch ursprünglich legal erworbenes Geld anzusehen, wenn dieses mit einem nicht unerheblichen Teil solcher Gelder vermischt wurde, welche aus rechtswidrigen Taten im Sinne des § 261 Abs. 1 S. 2 StGB stammen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 20.05.2015 – 1 StR 33/15 klargestellt, dass durch Vermischung von „legal“ und „illegal“ erworbenem Geld auch das ursprünglich legal erworbene Geld zum „Gegenstand“ der Geldwäsche im Sinne des § 261 StGB werden kann. Der Angeklagte hatte aus Betrugs- und Untreuetaten Geld erlangt. Um die Herkunft des Geldes zu verschleiern, überwies er dieses mit Hilfe der Mitangeklagten auf das gemeinsame Konto, auf das auch übrige Gelder der beiden Angeklagten eingezahlt wurden. Folglich vermischt sich auf diesem Konto das durch Straftaten erlangte Geld mit dem legal erworbenen Geld. Der Anteil des illegalen Geldes auf dem Konto betrug schließlich über 30 %. Der Angeklagte konnte über das gesamte Giroguthaben verfügen.

Der BGH hat in seinem Beschluss das gesamte Giroguthaben als „Gegenstand“ der Geldwäsche, der aus Vortaten „herrührt“, angesehen. Zur Begründung verweist er einerseits auf die Gesetzesmaterialien, aus denen sich eindeutig ablesen lasse, dass Vermögensgegenstände, die sowohl aus legalen als auch illegalen Quellen stammen, insgesamt als Gegenstände der Geldwäsche anzusehen seien. Auch sei es gerade Sinn und Zweck des Geldwäschetatbestandes (§ 261 StGB), den Zufluss illegaler Vermögensmassen in den legalen Finanzkreislauf zu verhindern, was ebenfalls für die Auffassung des BGH spricht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Anteil illegaler Gelder an der gesamten Vermögensmasse nicht völlig unerheblich ist.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Allein die vorherige Kenntnis von Diebstählen einer anderen Person und der Wille, diese als gemeinsame Taten anzusehen, begründen keine Mittäterschaft.

In seinem Beschluss vom 29.09.2015 – 3 StR 336/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung des Landgerichts Mainz aufgehoben, durch die der Angeklagte wegen gemeinschaftlich begangenen besonders schweren Diebstahls verurteilt wurde. Der Angeklagte lagerte Beute, die der Mitangeklagte jeweils allein in einem Baumarkt entwendet hatte, bei sich zuhause und versuchte diese über Ebay zu verkaufen. Der BGH beanstandete die Entscheidung mit der Begründung, dass allein die vorherige Kenntnis des Angeklagten von den Taten des Mitangeklagten und sein Wille, diese Taten als gemeinsame anzusehen, eine Mittäterschaft nicht begründen können. Zwar erfordert Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst. Auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt, kann ausreichend sein. Die Lagerung und Verwertung der Beute stellen jedoch nach Ansicht des BGH allenfalls Beteiligungshandlungen an den Diebstahlstaten des Mitangeklagten dar. Auf eine Tatherrschaft oder den Willen der Täterschaft könne dabei nicht geschlossen werden, da der Mitangeklagte die Taten allein und ohne Einfluss des Angeklagten begangen hatte.

Anwalt für Strafrecht: Erteilung eines Fahrverbots

Wer innerhalb eines Zeitraums von unter drei Jahren mehrere einfache Verkehrsverstöße begeht, kann mit einem einmonatigen Fahrverbot belegt werden.

Nach einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 17.09.2015 – 1 RBs 138/15 kann nicht nur bei Verkehrsstraftaten, sondern auch bei einfachen Ordnungswidrigkeiten ein Fahrverbot erteilt werden. Dies gilt allerdings nur, wenn mehrere einfache Ordnungswidrigkeiten innerhalb eines kürzeren Zeitraums begangen werden und sich dadurch die mangelnde rechtstreue Gesinnung des Betroffenen zeigt. Wann dies der Fall ist, soll von den Gerichten anhand der Anzahl der Vorverstöße, ihrem zeitlichen Abstand und ihrem Schweregrad beurteilt werden. Das OLG Hamm hat damit die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen zurückgewiesen, dem ein einmonatiges Fahrverbot erteilt wurde. Er hatte drei Handyverstöße begangen und zweimal die zulässige Höchstgeschwindigkeit mit jeweils 22 km/h überschritten. Das Fahrverbot führt dazu, dass für die angeordnete Zeit ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr nicht geführt werden darf. Im Gegensatz zur Entziehung der Fahrerlaubnis bleibt bei einem Fahrverbot die Fahrerlaubnis selbst aber bestehen. Der Führerschein muss in dieser Zeit jedoch abgegeben werden.

Strafprozessrecht : Unwirksamkeit eines Eröffnungsbeschlusses

Will das Landgericht (große Strafkammer) das Hauptverfahren hinsichtlich einer weiteren Anklage eröffnen und diese mit dem laufenden Verfahren verbinden, so müssen an dem Eröffnungsbeschluss drei Berufsrichter mitwirken. Andernfalls ist der Eröffnungsbeschluss unwirksam.

Gegen den Angeklagten wurde ein Verfahren unter anderem wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln vor dem Landgericht Frankfurt geführt. Nach Beginn der Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende mit, dass das Verfahren mit einer weiteren gegen den Angeklagten anhängigen Sache verbunden werden soll. Zu diesem Zeitpunkt war die zuständige große Strafkammer mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Diese Besetzung beanstandete der Bundesgerichtshof (BGH) mit seinem Urteil vom 20.05.2015 – 2 StR 45/14 und erklärte den Eröffnungsbeschluss des Landgerichts für unwirksam. Grund dafür ist, dass für die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Strafkammer zuständig ist, die auch außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden hat. Dies ist gemäß § 76 Abs. 1 GVG die Kammer mit drei Berufsrichtern. Da Schöffen mangels Aktenkenntnis nicht das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts beurteilen können, dürfen sie am Eröffnungsbeschluss nicht mitwirken. Trifft die Strafkammer in einer Besetzung von zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens, so liegt nach dem Urteil des BGH ein schwerer Verfahrensfehler vor, der zur Unwirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses führt. Außerdem kann in diesem Fall in der Regel die nicht vorschriftsgemäße Besetzung des Gerichts gerügt werden, die als absoluter Revisionsgrund zur Aufhebung des Urteils führt.

Anwalt für Strafrecht: Misshandlung von Schutzbefohlenen

Ein Quälen im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB setzt neben dem Vorsatz nicht zusätzlich auch eine besonders böswillige Gesinnung oder Gefühllosigkeit voraus.

Mit Urteil vom 04.08.2015 – 1 StR 624/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass ein „Quälen“ im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB keine besonders verwerfliche Gesinnung oder eine besondere Gefühllosigkeit des Täters erfordert. Für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist es ausreichend, dass durch ein bestimmtes Verhalten länger andauernde oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder (auch seelische) Leiden verursacht werden. Der Entscheidung lag die bewusst unterlassene medizinische Behandlung eines schwer kranken Jungen zugrunde. Dessen Eltern waren der Auffassung, die bei ihrem Sohn vorliegende Krankheit Mukoviszidose, welche eine umfangreiche und aufwendige medizinische Behandlung erforderte, würde sich auch durch regelmäßiges Meditieren und gesunde Ernährung heilen lassen. Der Abbruch der medizinischen Behandlung führte jedoch zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei dem Jungen, infolge dessen er auch starke Schmerzen sowie Atemnot erlitt. Obwohl die Eltern erkennbar nicht in gezielt böswilliger Absicht handelten, sah der BGH eine Quälerei im Sinne des § 225 Abs. 1 StGB gegeben und verurteilte die Eltern zu mehrjährigen Haftstrafen.

Anwalt für Strafrecht: Falsche Verdächtigung

Wer dem Täter einer Ordnungswidrigkeit dabei hilft, die Tat zu verdecken, indem er sich selbst bei der Behörde als Täter bezichtigt, der macht sich wegen Beihilfe zu einer in mittelbarer Täterschaft begangenen falschen Verdächtigung strafbar.

In seinem Urteil vom 23.07.2015 – 2 Ss 94/15 hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart über das kollusive Zusammenwirken von zwei Personen gegenüber der Ordnungsbehörde bei zu schnellem Fahren entschieden. Die beiden Angeklagten hatten die Ordnungsbehörde bewusst in die Irre geführt, nachdem einer von ihnen beim zu schnellen Fahren geblitzt wurde. Der andere Angeklagte gab sich daraufhin gegenüber der Ordnungsbehörde als vermeintlicher Fahrer des Autos aus und sorgte so dafür, dass die Ordnungswidrigkeit für den tatsächlichen Fahrer verjährte. Das OLG Stuttgart bestätigte nun, dass sich derjenige, der sich in einem solchen Fall bei der Behörde wider besseren Wissens selbst bezichtigt, wegen Beihilfe zur falschen Verdächtigung gemäß §§ 164 Abs. 2, 27 Abs. 1 StGB strafbar macht. Die Selbstbezichtigung erfüllt zwar nicht den Tatbestand der falschen Verdächtigung, weil grundsätzlich eine andere Person verdächtigt werden muss. Indem man sich jedoch in Absprache mit der tatsächlich geblitzten Person als vermeintlicher Fahrer ausgibt, leistet man nach der Entscheidung des OLG Stuttgart aber einen Beitrag zur Beeinträchtigung der Rechtspflege. Man macht sich demnach wegen Beihilfe zu der vom Haupttäter in mittelbarer Täterschaft begangenen falschen Verdächtigung strafbar.

Strafprozessrecht: Erteilung des letzten Wortes

Der Angeklagte verwirkt auch dann nicht sein Recht zur Ausübung des letzten Wortes, wenn er der Verhandlung zuvor eigenmächtig ferngeblieben ist.

In einem Strafprozess hat der Angeklagte das Recht des letzten Wortes. Bevor das Gericht die Beweisaufnahme schließt und sich zur Urteilsverkündung zurückzieht, muss dem Angeklagten die Gelegenheit zur Ausübung dieses Rechtes gegeben werden. Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 02.02.2015 – 1 Ss 6/15 gilt dies auch in den Fällen, in denen die Beweisaufnahme ohne den Angeklagten stattfinden musste, weil dieser sich zuvor eigenmächtig entfernt hatte. Ist der Angeklagte zur Urteilsverkündung wieder anwesend, so muss das Gericht ihm die Möglichkeit der Stellungnahme auch dann geben, wenn das Urteil schon besprochen und das Gericht zur Verkündung bereit ist. Dies gebietet die Stellung des Rechtes zur Ausübung des letzten Wortes im Strafprozess, das nicht durch das eigenmächtige Fernbleiben von der Hauptverhandlung verwirkt werden kann.

Anwalt für Strafrecht: Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Wer als Kurier für den Transport von Betäubungsmitteln sorgt, macht sich in der Regel nicht wegen mittäterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar. Hier kommt lediglich eine Beihilfe in Betracht.

In seinem Beschluss vom 09.09.2015 – 4 StR 347/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut über die Einordnung der Beteiligung des Kuriers an einem Drogengeschäft entschieden. Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung der Rolle des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt zu bewerten. Beschränkt sich die Tathandlung auf den bloßen Transport von Drogen zwischen den selbstständig handelnden Lieferanten und Abnehmern, ohne dass der Kurier das Geschäft insgesamt maßgeblich mitgestalten kann, so liegt in der Regel lediglich eine Beihilfe vor. Mittäterschaftliches Handeltreiben liegt erst dann vor, wenn der Kurier erhebliche, über den Transport hinausgehende Tätigkeiten vornimmt. Dazu gehört etwa eine unmittelbare Beteiligung am An- und Verkauf des Rauschgiftes oder am Gewinn. Im zu verhandelnden Fall beschränkte sich die Mitwirkung der Angeklagten auf die Anwesenheit beim Einbau der Drogen in den von ihr zur Verfügung gestellten Pkw und den eigenhändigen Transport an einen nicht näher genannten Abnehmer. Da sie das Geschäft an sich jedoch nicht maßgeblich mitgestalten konnte, kam eine Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht in Betracht.

Anwalt für Strafrecht: Räuberischer Diebstahl

Eine Nötigungshandlung beim Räuberischen Diebstahl gem. § 252 StGB kann auch noch vorliegen, wenn der Täter erst einige Zeit nach der Tat Gewalt gegen eine Person anwendet, die ihn zwar nicht auf frischer Tat betroffen, aber verfolgt hat (sog. Nacheile)

Der Angeklagte hatte gemeinsam mit anderen Beteiligten einen Geldautomaten aufgebrochen und fast 75.000 € gestohlen. Polizeibeamte hatten die Tat von Anfang an beobachtet, waren jedoch nicht sofort eingeschritten. Erst nach einer ca. 30 minütigen Verfolgung versuchten Beamte eines Sondereinsatzkommandos, das an der Observation nicht beteiligt war, die Diebe festzunehmen. Um sich der Festnahme zu widersetzen, durchbrachen die Täter mit ihrem Auto die Umstellung der SEK-Beamten, wodurch sich ein Beamter eine Knieprellung zuzog. Mit Beschluss vom 04.08.2015 – 3 StR 112/15 hat der BGH entschieden, dass in diesem Fall ein (besonders schwerer) räuberischer Diebstahl gem. §§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorliegt. Ein solcher setzt voraus, dass jemand bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen wird und dann Gewalt verübt oder Drohungen anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten. Zwar war die Tat bei der Festnahme durch das SEK nicht mehr wirklich „frisch“ i.S.d. § 252 StGB. Jedoch waren die Diebe bereits durch die observierenden Polizeibeamten tatbestandlich auf frischer Tat betroffen. Dass sich die Nötigungshandlung (gewaltsames Zufahren mit dem Auto) dann erst später gegen einen SEK-Beamten richtete, der die Täter wiederum nicht selbst auf frischer Tat betroffen hatte, ist unschädlich. Ausreichend ist nach Ansicht des BGH nämlich, dass die Nötigungshandlung eine Folge des Betroffenseins ist, also in einem Zusammenhang dazu steht. Und dies ist im Rahmen der sogenannten Nacheile, also der sich an die Tatbegehung unmittelbar anschließenden ununterbrochenen Verfolgung, der Fall.

Anwalt für Strafrecht: Rücktritt vom Versuch

An der für den Rücktritt vom Versuch notwendigen Freiwilligkeit kann es fehlen, wenn der Täter aufgrund willensunabhängiger Tatumstände, beispielsweise wegen seelischen Drucks oder infolge eines Schocks, an der weiteren Tatbegehung gehindert ist.

Mit Urteil vom 28.05.2015 – 3 StR 89/15 hat der BGH über einen recht kuriosen Fall der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung entschieden. Nach den Feststellungen des Landgerichts Düsseldorf wollte der Angeklagte ein Juweliergeschäft überfallen. Um die Herausgabe des Schmuckes zu erzwingen, hatte er sich mit einem Elektroschocker bewaffnet. Da der Angeklagte jedoch ungeübt im Umgang mit dem Elektroschocker war, versetzte er sich bei dessen Einsatz zunächst selbst einen Stromschlag und gab anschließend mehrere unkontrollierte Stromstöße auf die Verkäuferin ab. Als diese daraufhin in Panik geriet und laut schrie, verlor der Angeklagte endgültig die Kontrolle über sein Handeln und wollte nur noch fliehen. Die Beute ließ er zurück. Der BGH hat hier einen strafbefreienden freiwilligen Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB abgelehnt. Auch wenn äußere Umstände der Tatvollendung nicht entgegenstanden, habe der Angeklagte die weitere Tatausführung trotzdem nicht freiwillig aus sich heraus aufgegeben. Denn aufgrund des erlittenen Schocks und infolge der sich auch bei ihm ausbreitenden Panik sei er unmittelbar vor dem Abbruch der Tat nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen, sodass er überhaupt keinen klaren Gedanken mehr über die Ausführung seines Tatplans fassen konnte. Vielmehr hätten ihn die genannten willensunabhängigen Tatumstände (Schock, Panik) zur Aufgabe der weiteren Tatausführung gezwungen. Ein strafbefreiender freiwilliger Rücktritt vom Versuch liege damit nicht vor.

Strafprozessrecht: Hinweispflicht des Gerichts

Will das Gericht abweichend von der Anklage eine Verurteilung wegen Beihilfe anstelle von Mittäterschaft aussprechen, so muss es vorher einen rechtlichen Hinweis bezüglich dieser Veränderung erteilen.

Die Anklage im Strafprozess dient dazu, die Tat einzugrenzen und die einschlägigen Strafgesetze festzulegen. Will das Gericht aber im laufenden Strafverfahren von der Anklage abweichen und eine Verurteilung wegen eines anderen Strafgesetzes aussprechen, so muss es den Angeklagten gemäß § 265 Abs. 1 StPO darauf hinweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Dies gilt nicht nur in Bezug auf den Straftatbestand, sondern auch für die maßgebliche Beteiligungsform, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom 02.09.2015 – 2 StR 49/15 betonte. Der BGH hob damit die Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Darmstadt auf. Dieses hatte den Angeklagten ohne die Erteilung eines entsprechenden Hinweises wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, obwohl die Anklage von einem Betrug in Mittäterschaft ausgegangen war. Auf diese Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes hätte jedoch hingewiesen werden müssen. Da der BGH nicht ausschließen konnte, dass das Urteil bei einem entsprechenden Hinweis zu einem für den Angeklagten günstigeren Urteil geführt hätte, wurde das Urteil aufgehoben.

Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung

Entsteht der Körperverletzungserfolg bei einem Schuss auf das im Auto sitzende Opfer erst durch das Zersplittern der Scheibe und damit nicht durch eine unmittelbare Folge des Schusses, so liegt keine gefährliche Körperverletzung „mittels“ der eingesetzten Waffe vor.

In seinem Beschluss vom 16.07.2015 – 4 StR 117/15 hat der Bundesgerichtshof erneut über die Auslegung des Wortes „mittels“ einer Waffe im Rahmen der gefährlichen Körperverletzung entschieden. Eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt vor, wenn der Körperverletzungserfolg mittels einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs verursacht wird. Zwischen dem Einsatz der Waffe und der Verletzung des Opfers muss demnach ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Ein solcher besteht nach ständiger Rechtsprechung nur, wenn dem Opfer durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes Tatmittel eine Körperverletzung beigebracht wird. Ist die Verletzung keine direkte Folge des Einsatzes der Waffe, so besteht der unmittelbare Zusammenhang nicht. So liegt nach der aktuellen Entscheidung des BGH keine gefährliche Körperverletzung mittels einer Waffe vor, wenn auf eine im Auto sitzende Person geschossen und diese erst durch das Zersplittern der Scheibe verletzt wird. In diesem Fall ist die Körperverletzung nicht durch den Schuss, sondern durch das Zersplittern der Scheibe eingetreten.

Anwalt für Strafrecht: schwerer Raub

Ein schwerer Raub mit Waffen liegt bei der Verwendung einer Schreckschusspistole nur dann vor, wenn aus der Waffe beim Abfeuern ein Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt. Dies ist zwar üblich, darf aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

In seinem Beschluss vom 16.07.2015 – 2 StR 12/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass bei der Verwendung einer Schreckschusspistole beim Raub bzw. bei der räuberischen Erpressung nicht automatisch ein schwerer Raub mit Waffen gem. § 250 StGB gegeben ist. Vielmehr fällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann unter den Waffenbegriff, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Dies ist zwar bei Schreckschusspistolen üblich, darf aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Der Tatrichter muss demnach konkrete Feststellungen dazu treffen, inwiefern beim Abfeuern der Waffe Explosionsdruck nach vorne austritt. Damit hob der BGH die Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung auf. Der Angeklagte hatte gemeinsam mit anderen Beteiligten eine Spielhalle überfallen. Bei dem Überfall wurde die Angestellte unter Vorhalt der Schreckschusspistole des Angeklagten zur Herausgabe von Bargeld veranlasst.

Anwalt für Strafrecht: gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Wer auf ein Polizeiauto zufährt, um dieses zurückzudrängen und dadurch seine Flucht zu ermöglichen, macht sich nicht zwingend wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar.

In seinem Beschluss vom 30.06.2015 – 4 StR 188/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut deutlich gemacht, dass für eine Verurteilung wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr genaue Feststellungen zu einer konkreten Gefährdung des Straßenverkehr getroffen werden müssen. Denn nach § 315b StGB muss es bei einem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer Sache von bedeutendem Wert kommen. Bei diesem sogenannten „Beinahe-Unfall“ muss eine Situation verursacht werden, in der die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wird, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob das Rechtsgut verletzt wird oder nicht. Diese Situation konnte das Landgericht Traunstein im zu verhandelnden Fall jedoch nicht hinreichend belegen, sodass die Verurteilung des Angeklagten wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vom BGH aufgehoben werden musste. Der Angeklagte war mit ca. 100 bis 120 km/h ungebremst auf eine Polizeistreife zugefahren, um die Beamten zur Freigabe der Fahrspur zu zwingen und so seine Flucht zu ermöglichen. Als der Angeklagte weniger als 50 Meter von ihnen entfernt war, setzten die Beamten das Polizeiauto zurück, da selbst bei einer Vollbremsung eine Kollision nicht mehr zu verhindern gewesen wäre. Nach Ansicht des BGH belegen diese Feststellungen allein die konkrete Gefährdung der Beamten jedoch nicht.

Strafprozessrecht: Strafbefehl

Ein Strafbefehl muss dem Beschuldigten mit einer Übersetzung zugestellt werden, wenn der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Andernfalls liegt keine wirksame Zustellung vor, die Einspruchsfrist beginnt nicht zu laufen.

Das Landgericht (LG) Gießen hat in seinem Beschluss vom 29.04.2015 – 7 Qs 48/15 entschieden, dass bei der Zustellung eines Strafbefehls auch eine Übersetzung zugestellt werden muss, wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist. Denn gemäß § 37 Abs. 3 StPO ist dem Prozessbeteiligten das Urteil zusammen mit der Übersetzung zuzustellen, wenn ihm nach § 187 Abs. 1 und 2 GVG ein Dolmetscher zusteht. Die Regelung gilt aber entgegen ihrem Wortlaut nicht nur für Urteile, sondern ist entsprechend auf den Strafbefehl anzuwenden. Wer also der deutschen Sprache nicht mächtig ist, dem muss bei der Zustellung des Strafbefehls eine Übersetzung zugestellt werden. Ist dies nicht geschehen, so ist der Strafbefehl nicht wirksam zugestellt worden. Die Rechtsmittelfrist beginnt in diesem Fall nicht zu laufen.

Anwalt für Strafrecht: Schwarzfahren

Die Strafbarkeit wegen Erschleichen von Leistungen gem. § 265a StGB entfällt nicht dadurch, dass man eine Mütze mit der deutlich lesbaren Aufschrift „Ich fahre schwarz“ trägt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat mit Beschluss vom 28.09.2015 (III-1 RVs 118/15) klargestellt, dass man sich auch dann wegen Erschleichen von Leistungen gem. § 265a StGB (hier: Schwarzfahren) strafbar macht, wenn man eine Mütze trägt, auf der deutlich der Schriftzug „Ich fahre schwarz“ zu erkennen ist. Der Angeklagte hatte einen abfahrbereiten Zug der Deutschen Bahn ohne gültigen Fahrschein bestiegen und sich einen Sitzplatz gesucht. Erst bei der routinemäßigen Fahrscheinkontrolle im Zug ist dann ein Bahnmitarbeiter auf den Angeklagten und dessen Schriftzug an der Mütze aufmerksam geworden. Aufgrund der Tatsache, dass der Angeklagte seine Absicht, das Fahrtgeld nicht zu entrichten, nicht schon vor Abfahrt des Zuges gegenüber dem Bahnpersonal deutlich bekundet habe, erfülle sein Verhalten nach Ansicht des OLG Köln ungeachtet der Aufschrift an der Mütze den Tatbestand der Beförderungserschleichung. Unbeachtlich sei dabei auch, dass andere Fahrgäste den Schriftzug vor der Fahrt wahrgenommen hätten. Denn es bestand die Möglichkeit, noch einen Fahrschein im Zug zu erwerben, sodass das Einsteigen des Angeklagten in den Zug zunächst auch regelkonform erschien. Außerdem sei es nicht die Aufgabe anderer Fahrgäste, dafür zu sorgen, dass Mitreisende ein gültiges Ticket haben.

Anwalt für Strafrecht: Unfallflucht

Voraussetzung für eine Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gem. § 142 StGB ist unter anderem die Überzeugung des Tatrichters, der Unfallverursacher habe die Entstehung des Unfalles mit nicht nur unerheblichem Sachschaden auch tatsächlich bemerkt.

In seinem Beschluss vom 08.07.2015 (3) 121 Ss 69/15 (47/15) hat das Kammergericht die Voraussetzungen für eine Verurteilung wegen Unfallflucht gem. § 142 StGB klargestellt. Das Amtsgericht Tiergarten hatte die Angeklagte wegen vorsätzlichen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (Unfallflucht) verurteilt. Nach den Feststellungen des AG war es zu einem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge gekommen, wobei an den Fahrzeugen auf den ersten Blick nur Farbaufrieb erkennbar war. Daran anknüpfend bewertete das Kammergericht die Feststellungen des AG zur inneren Tatseite der Angeklagten als unzureichend. Das Urteil belege nicht hinreichend, dass die Angeklagte nicht nur den Zusammenstoß selbst, sondern auch die Entstehung eines nicht nur unerheblichen Schadens bemerkt habe. Dies ist jedoch Voraussetzung für eine Verurteilung wegen vorsätzlichen unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Es reiche nach Auffassung des Kammergerichts nicht aus, dass sich aufgrund der festgestellten objektiven Umstände einem durchschnittlichen Kraftfahrer die Vermutung aufdrängen müsse, es sei zu einem Unfall mit nicht nur unerheblichem Sachschaden gekommen. Auch die Feststellung, die Angeklagte hätte die Entstehung eines nicht unerheblichen Schadens bemerken können und müssen reiche für eine Begründung vorsätzlicher Unfallflucht nicht aus. Im Falle einer Verurteilung gem. § 142 StGB müsse der Tatrichter nachvollziehbar darlegen, warum er davon überzeugt ist, der Unfallverursacher habe im konkreten Fall auch den nicht unerheblichen Schaden bemerkt.

Strafprozessrecht: Besorgnis der Befangenheit

Beschäftigt sich der Richter während der laufenden Hauptverhandlung über einen Zeitraum von 10 Minuten aus privaten Gründen mit seinem Handy, so kann er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

In seinem Urteil vom 17.06.2105 – 2 StR 228/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die private Nutzung eines Mobiltelefons durch einen Richter durchaus einen Antrag wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann. In dem zu verhandelnden Fall hatte die beisitzende Richterin über einen Zeitraum von etwa zehn Minuten mehrfach ihr Mobiltelefon bedient und SMS verschickt. Damit stellte sie nach Ansicht des BGH ihre privaten Belange über ihre dienstliche Pflicht. Dies führte dazu, dass bei den Angeklagten der Eindruck erweckt wurde, die Richterin habe sich mangels uneingeschränkten Interesses an der Beweisaufnahme bereits zur Tat- und Schuldfrage der Angeklagten festgelegt. Eine solche Besorgnis der Befangenheit stellt einen absoluten Revisionsgrund nach § 338 Nr. 3 StPO dar und führte im konkreten Fall zur Aufhebung des Urteils.

Anwalt für Strafrecht: Strafzumessung

Die lang andauernde Untersuchungshaft eines Angeklagten kann, wenn dieser zuvor noch nie inhaftiert war, unter dem Kriterium der besonderen Haftempfindlichkeit als Strafmilderungsgrund in Betracht gezogen werden.

In seinem Urteil vom 24.03.2015 – 5 StR 6/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass die Haftempfindlichkeit eines Angeklagten, im Gegensatz zum Vollzug der Untersuchungshaft an sich, durchaus als Strafmilderungsgrund in Betracht gezogen werden kann. Das Landgericht Berlin hatte zuvor einen minder schweren Fall des Totschlags angenommen und im Rahmen der Gesamtwürdigung die lang andauernde Untersuchungshaft von sechs Monaten als Belastungsgrund für den bisher unbestraften Angeklagten gewertet. Dies sah der BGH in seinem Urteil als rechtsfehlerfrei an, da das Landgericht den Gesichtspunkt der längeren Untersuchungshaft ausdrücklich in Bezug zu der bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten gesetzt hatte. Damit habe das Landgericht eine besondere Haftempfindlichkeit des zuvor noch nie inhaftierten Angeklagten zum Ausdruck gebracht und nicht lediglich den Vollzug von Untersuchungshaft an sich strafmildernd berücksichtigt. Die Untersuchungshaft an sich kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht strafmildernd berücksichtigt werden.

Anwalt für Strafrecht: Schwerer Diebstahl

Die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles des Diebstahls gem. § 243 StGB setzt eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände der Tat sowie der Täterpersönlichkeit voraus. Allein das Abstellen auf die Tatausführung, welche ein erhöhtes Maß krimineller Energie erkennen lässt, reicht grundsätzlich nicht aus.

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen schweren Diebstahls in drei Fällen verurteilt, weil dieser Kleidung aus Geschäften entwendet hatte, wobei er die Sicherungsetiketten zuvor mit einem Magneten entfernte. Auf die Revision des Angeklagten hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Dresden mit Beschluss vom 12.03.2015 – 2 OLG 22 Ss 14/15 zu den Voraussetzungen eines besonders schweren Falls des Diebstahls gem. § 243 StGB geäußert. Demnach scheidet die Einordnung der Tat als ein Fall des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 vorliegend aus, da die Sicherungsetiketten keine Schutzvorrichtung sind, die die Ware gegen die Wegnahme besonders sichern. Die Bewertung der Tat als unbenannter besonders schwerer Fall des Diebstahls kommt hier nach Ansicht des OLG Dresden zwar grundsätzlich in Betracht, bedarf jedoch einer umfangreichen Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände der Tat sowie der Täterpersönlichkeit. Das AG hatte bei der Annahme des besonders schweren Falles allein auf die Tatausführung abgestellt und in der wiederholten Verwendung des Magneten bei dem Diebstahl eine über das Maß eines einfachen Diebstahls hinausgehende kriminelle Energie erkannt. Dem OLG Dresden reichte dies jedoch nicht, um die Anwendung des § 243 StGB zu begründen.

Strafprozessrecht: Verlesung von privatärztlichen Schreiben

Die Erklärung eines Privatarztes über den Gesundheitszustand und eine mögliche Drogenabhängigkeit des Angeklagten darf in der Hauptverhandlung nicht nach § 256 Abs. 1 Nr. 1a StPO verlesen werden.

In seinem Beschluss vom 13.04.2015 – 5 StR 110/15 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem mit der Verlesbarkeit von privatärztlichen Schreiben zu befassen. Dabei kam er zu dem Entschluss, dass die Verlesung eines privatärztlichen Schreibens einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz nach § 250 StPO darstellt. § 250 StPO ordnet an, dass Sachverständige und Zeugen in der Hauptverhandlung selbst vor dem Gericht aussagen müssen. Diese Aussage darf nicht durch die Verlesung von Protokollen oder Gutachten ersetzt werden. Ein Arzt muss daher sein Gutachten grundsätzlich in der Hauptverhandlung einbringen. Von diesem Grundsatz kann nach § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO eine Ausnahme gemacht werden, wenn es um tatbestandliche Körperverletzungen geht. Dies trifft bei Krankheitszuständen wie einer Drogenabhängigkeit allerdings nicht zu. Unter Umständen kann aber eine Verlesung der von öffentlichen Behörden erstellten Protokolle nach § 256 Abs. 1 Nr. 1a StPO stattfinden. Auch diese Ausnahme lehnte der BGH jedoch ab, da es sich um den von einem privatrechtlich organisierten Krankenhaus herrührenden Arztbrief und somit nicht um ein Protokoll von öffentlichen Behörden handelte.

Anwalt für Strafrecht: Alkohol am Steuer

Zum Nachweis des Vorsatzes zu einer Trunkenheitsfahrt gem. § 316 StGB muss das Tatgericht genaue Feststellungen zur Fähigkeit der Einsicht des Angeklagten bezüglich seiner Alkoholisierung und des daraus resultierenden Verbotes der Fahrt treffen. Die bloße Bezugnahme auf Warnungen und Hinweise anderer Personen reicht für die Feststellung des Vorsatzes des Täters nicht aus.

Der alkoholkranke Angeklagte war in Berlin mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,24 ‰ und unter Einfluss von Cannabinoiden mit einem Auto gefahren. Dafür wurde er vom Landgericht Berlin unter anderem wegen vorsätzlicher Trunkenheitsfahrt gem. § 316 StGB verurteilt, wobei das LG von einer verminderten Schuldfähigkeit ausging. Der BGH hat die Entscheidung des LG mit Urteil vom 09.04.2015 (4 StR 401/14) wegen lückenhafter Beweiswürdigung zum festgestellten Vorsatz aufgehoben. Die Feststellungen des LG zum Vorsatz des Angeklagten bezogen sich lediglich auf die Wahrnehmungen anderer Personen, welche die Alkoholisierung des Angeklagten bemerkt hatten. In dem Urteil führt der BGH aus, dass Voraussetzung für den Vorsatz zu einer Trunkenheitsfahrt ist, dass der Täter seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sich damit abfindet. Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht anhand eines naturwissenschaftlichen oder medizinischen Erfahrungssatzes sagen. Vielmehr muss der Tatrichter nach einer Gesamtschau aller Umstände vom Vorsatz überzeugt sein. Bei der Prüfung des Vorsatzes ist die BAK des Täters ein gewichtiges Beweisanzeichen. Jedoch bedarf dieses einer Würdigung im Einzelfall. Die Annahme, dass jemand mit einer hohen BAK regelmäßig von seiner Alkoholisierung und der daraus resultierenden Fahruntüchtigkeit weiß, stellt keinen wissenschaftlichen Erfahrungssatz dar, sondern lediglich eine widerlegbare Wahrscheinlichkeitsaussage. Demgegenüber bedeutet eine hohe BAK aber auch nicht zwangsläufig eine beeinträchtigte Wahrnehmung der eigenen Alkoholisierung, welche den Vorsatz zu einer Trunkenheitsfahrt ausschließen könnte. Bei der Überzeugungsbildung des Tatrichters sind auch Umstände wie Trinkverlauf, Trinkende und sonstiges auffälliges Verhalten des Angeklagten zu berücksichtigen.

Anwalt für Strafrecht: Kinderpornografie

Auch Bilder, auf denen das Geschlechtsteil des Kindes vollständig zu sehen ist, stellen nicht zwangsläufig kinderpornographische Schriften im Sinne des § 184b StGB dar. Voraussetzung dafür ist, dass das Bild eine Körperposition des Kindes mit objektiv eindeutigem Sexualbezug zeigt.

Mit Beschluss vom 03.12.2014 (4 StR 342/14) hat der BGH ein Urteil des Landgerichts Essen zu erneuter Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das LG hatte einen Mann wegen Besitzverschaffens von kinderpornographischen Schriften verurteilt, weil dieser Bilder von einem siebenjährigen Kind in einem Planschbecken machte und später versendete. Auf den Bildern war das Kind nackt beim Baden zu sehen, wobei auch das Geschlechtsteil vollständig zu sehen war. Der BGH wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass zwar auch sogenannte Posingbilder kinderpornographische Schriften im Sinne des § 184b StGB darstellen können, dafür müsse aber von dem Kind eine Körperposition eingenommen werden, die allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild einen eindeutigen Sexualbezug aufweist, beispielsweise weil das Geschlechtsteil bewusst „zur Schau gestellt“ wird. Dies ist aber bei Bildern vom Baden in einem Planschbecken nicht unbedingt der Fall, sofern diese Handlungen sich aus dem Badevorgang ergeben und eben keinen objektiv eindeutigen Sexualbezug aufweisen. Dies gilt selbst dann, wenn die natürliche Körperposition des nackten Kindes für Bildaufnahmen zu pornographischen Zwecken ausgenutzt wird.

Strafprozessrecht: überlange Verfahrensdauer

Dauert die Untersuchungshaft schon 5 Jahre und 9 Monate an und wurde in dieser Zeit keine rechtskräftige Verurteilung des Angeklagten erreicht, obwohl das Verfahren dem eines üblichen Schwurgerichtsverfahrens entspricht, so liegt ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz vor, der zur Aufhebung der Untersuchungshaft führt.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat mit seinem Beschluss vom 01.06.2015 – 2 Ws 299/15 die Untersuchungshaft des Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen den Beschleunigungsgrundsatz aufgehoben. Der Angeklagte saß seit nunmehr 5 Jahren und 9 Monaten in Untersuchungshaft. Zu einem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens kam es trotz des üblichen Umfangs des Verfahrens nicht. Zwar wurde der Angeklagte zweimal verurteilt, diese Urteile wurden jedoch beide vom Bundesgerichtshof aufgehoben. Eine der Revisionen dauerte 14 ½ Monate, was das OLG Köln unter anderem dazu bewegte, einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz festzustellen und die Untersuchungshaft aufzuheben.

Anwalt für Strafrecht: Geringe Menge von Btm

Zur Bestimmung der „geringen Menge“ im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG muss das Tatgericht nicht nur Feststellungen zur Menge der gefundenen Betäubungsmittel, sondern auch zum Wirkstoffgehalt der gefundenen Drogen treffen

Mit Beschluss vom 15.06.2015 (III-2 RVs 30/15) hat sich das OLG Hamm zur Bestimmung der „geringen Menge“ im Sinne des § 29 Abs. 5 BtMG geäußert. Nach dieser Vorschrift kann von Strafe abgesehen werden, wenn der Täter lediglich eine geringe Menge von Betäubungsmitteln zum Eigenverbrauch erwirbt, besitzt oder anbaut. Bei dem Angeklagten wurden zunächst 0,4 g und später noch einmal 0,7 g Marihuana gefunden. Das Amtsgericht hat ihn deshalb zu einer geringen Geldstrafe verurteilt. Dabei hat es jedoch für das Revisionsgericht nicht erkennbar geprüft, ob auch ein Absehen von Strafe gem. § 29 Abs. 5 BtMG in Betracht kommt. Das Amtsgericht hat insofern auch keinerlei Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des gefundenen Marihuanas getroffen. Dies ist aber nötig, um die „geringe Menge“ bestimmen zu können. Eine geringe Menge liegt vor, wenn sie sich zum einmaligen bis höchstens dreimaligen Gebrauch eignet. Im Fall von Cannabis geht man für eine durchschnittliche Konsumeinheit von einem Wirkstoffgehalt von 15 mg THC aus, sodass der Grenzwert für die geringe Menge bei 45 mg THC liegt. Werden keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt getroffen, wird zugunsten des Angeklagten von einem schlechten Cannabisgemisch ausgegangen, bei dem die „geringe Menge“ im Ergebnis noch bei 6 g, maximal aber bei 10 g des Cannabisprodukts liegt. Die festgestellten 0,4 g bzw. 0,7 g liegen mithin deutlich darunter. Insofern hätte eine Auseinandersetzung mit dem § 29 Abs. 5 BtMG stattfinden müssen.

Anwalt für Strafrecht: Räuberischer Diebstahl

Der Nachweis der Beutesicherungsabsicht im Rahmen des Räuberischen Diebstahls gem. § 252 StGB unterliegt sehr hohen Anforderungen, insbesondere muss nachgewiesen werden, dass der Täter durch sein wehrhaftes Verhalten in erster Linie die Beute tatsächlich sichern und sich nicht nur der Strafverfolgung entziehen wollte.

Das Kammergericht hat sich mit Beschluss vom 08.01.2015 (4) 121 Ss 211/14 (276/14) zu den Anforderungen an den Nachweis der Beutesicherungsabsicht beim Räuberischen Diebstahl gem. § 252 StGB geäußert. Dem Beschluss lag ein Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin zugrunde, welches eine Frau wegen Räuberischen Diebstahls verurteilt hatte. Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass die Frau Kleidungsstücke aus einem Laden entwendet hatte, diese in ihren Fahrradkorb legte und mit dem Fahrrad davonfahren wollte. Daran wurde sie jedoch von einer Verkäuferin gehindert, welche das Fahrrad festhielt, woraufhin es zu einer Rangelei kam. Das AG Tiergarten ging davon aus, dass sich die Angeklagte durch ihre Abwehrhandlungen im Besitz der gestohlenen Ware halten wollte. Das Kammergericht entschied jedoch, dass dem Urteil des Amtsgerichts die nötigen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand fehlen. Insbesondere sei die Beutesicherungsabsicht der sich wehrenden Angeklagten nicht erwiesen. Nach Ansicht des Kammergerichts liege es auf der Hand, dass sich ein Dieb, der auf frischer Tat betroffen ist, durch wehrhaftes Verhalten in erster Linie der Feststellung seiner Personalien und der Strafverfolgung entziehen möchte. Dies gelte umso mehr, wenn es sich nicht um einen hochwertigen gestohlenen Gegenstand handelt. Dass die Angeklagte die entwendeten Gegenstände nicht herausgab, sei auch kein tragfähiges Beweisanzeichen für eine Beutesicherungsabsicht. Unter Hinweis auf den Zweifelsgrundsatz „in dubio pro reo“ dürfe dem Täter eine Beutesicherungsabsicht nicht unterstellt werden, wenn diese nicht sicher nachgewiesen werden kann.

Anwalt für Strafrecht: gefährliche Körperverletzung

Eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB liegt bei mehreren Opfern nicht vor, wenn diese sich jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden.

In seinem Beschluss vom 30.06.2015 – 3 StR 171/15 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass es für eine gemeinschaftlich begangene gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht ausreicht, dass sich das Opfer nur einem Angreifer ausgesetzt sieht. Denn die gemeinschaftliche Begehungsweise ist nach ständiger Rechtsprechung nur gegeben, wenn Täter und Beteiligter bei Begehung der Körperverletzung einverständlich zusammenwirken. Daran fehle es, wenn sich mehrere Opfer jeweils nur einem Angreifer ausgesetzt sehen, ohne dass die Positionen ausgetauscht werden. Damit änderte der BGH eine Urteil des Landgerichts Mainz, durch das der Angeklagte wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte mit zwei anderen Mittätern ein Ehepaar überfallen und den Mann verletzt. Dieser sah sich jedoch nur dem Angeklagten gegenüber, da sich einer der Mittäter passiv verhielt und der andere versuchte, die Ehefrau an der Flucht zu hindern. Nach Ansicht des BGH fehlt es an einem gemeinschaftlichen Zusammenwirken, sodass lediglich eine einfache Körperverletzung nach § 223 StGB in Tateinheit mit räuberischer Erpressung zu bejahen gewesen wäre.

Anwalt für Strafrecht: Verletzung der Unterhaltspflicht

Bei einer im Raum stehenden Verletzung der Unterhaltspflicht dürfen bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten keine Einkünfte berücksichtigt werden, die durch Straftaten zum Schutz von Eigentum und Vermögen eines anderen erlangt wurden.

Ob eine bestehende Unterhaltspflicht im Sinne des § 170 Abs. 1 StGB verletzt wird, bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Um die Leistungsfähigkeit festzustellen, muss das Gericht die tatsächlich vorhandenen Mittel des Unterhaltsverpflichteten berechnen, zu denen das Vermögen, dessen Erträge und alle sonstigen Einkünfte gehören. Allerdings gehören nach einem Beschluss des Kammergerichts vom 06.02.2007 - (4) 1 Ss 288/05 (123/05) solche Einkünfte nicht dazu, die durch Straftaten zum Schutz von Eigentum und Vermögen erlangt wurden. Damit hob das Kammergericht eine Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten auf, durch die der Angeklagte wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt wurde. Das Amtsgericht hatte der Berechnung der Leistungsfähigkeit des Angeklagten Einkünfte zugrunde gelegt, die Angeklagte überwiegend aus Straftaten gegen seinen Arbeitgeber erlangt hatte.

Anwalt für Strafrecht: Notwehr

Auch derjenige, der den Angriff eines anderen pflichtwidrig provoziert hat, handelt entschuldigt, wenn er die Grenzen seines Notwehrrechts aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet.

In seinem Urteil vom 03.06.2015 – 2 StR 473/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Entschuldigungsgrund des Notwehrexzesses nach § 33 StGB auch dann Anwendung findet, wenn die Notwehrlage pflichtwidrig provoziert wurde. Wurde der Angriff eines anderen also ganz bewusst provoziert, so heißt dies nicht automatisch, dass eine unangemessene Verteidigungshandlung nicht entschuldigt sein kann. Denn derjenige, der einen Angriff von sich abwehrt und dabei die Grenzen seines Notwehrrechts überschreitet, kann nach § 33 StGB entschuldigt sein, wenn es zu der Überschreitung aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken kommt. Damit hob der BGH ein Urteil des Landgerichts Gießen auf, durch das der Angeklagte wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte einen Angriff seines Nachbarn provoziert und diesen dann mit einem unverhältnismäßigen Schlag mittels eines Spatens auf den Kopf des Nachbarn abgewehrt. Das Landgericht hatte ausgeschlossen, dass der Angeklagte die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten hat (§ 33 StGB), da er die Notwehrlage selbst provoziert habe. Nach Ansicht des BGH hätte dies aber als Tatsachenfrage der Beweiswürdigung unterworfen werden müssen, da die Annahme eines Ausschlusses des § 33 StGB bei einer provozierten Notwehrlage rechtsfehlerhaft sei.

Anwalt für Strafrecht: Beleidigung

Das Tragen eines Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“ (als Abkürzung für „Fuck Cops“) im öffentlichen Raum erfüllt nur dann den Tatbestand der Beleidigung, wenn sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe von Polizisten bezieht.

In seinem Beschluss vom 26.02.2015 – 1 BvR 1036/14 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass das Tragen eines Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“ im öffentlichen Raum nicht ohne weiteres den Tatbestand der Beleidigung erfüllt. Die Strafbarkeit wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB setze vielmehr voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe zurückführen lasse. Wird ein solcher Anstecker aber im öffentlichen Raum getragen, so kann nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht angenommen werden, dass sich die dem Anstecker zu entnehmende Äußerung allein auf die Polizisten bezieht, mit der der Tragende aufeinandertrifft. Vielmehr sei es verfassungsrechtlich unzulässig, eine auf Polizisten im Allgemeinen bezogene Äußerung allein deshalb auf bestimmte Polizeibeamte zu beziehen, weil sie dem Kollektiv der Personengruppe von Polizisten angehören. Damit hob das Bundesverfassungsgericht ein Urteil wegen Beleidigung auf. Die Angeklagte wurde von einer Polizeistreife angetroffen, wobei sie den Anstecker mit der Aufschrift „FCK CPS“ trug.

Strafprozessrecht: Verständigung

Steht in einem Strafprozess eine Verständigung im Raum, so muss das Gericht den Angeklagten schon bei der Unterbreitung des Verständigungsvorschlags darüber belehren, dass das Gericht unter bestimmten Voraussetzungen nicht an die Verständigung gebunden ist.

Nach § 257c Abs. 4 StPO entfällt die Bindung des Gerichts an eine Verständigung, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutende Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und der in Aussicht gestellt Strafrahmen deswegen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das Prozessverhalten des Angeklagten nicht der vom Gericht zugrunde gelegten Prognose entspricht. Dies gilt nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.03.2015 – 5 StR 82/15 jedoch nur, wenn das Gericht den Angeklagten bereits bei der Unterbreitung des Verständigungsvorschlags darüber belehrt hat, dass das Gericht unter bestimmten Umständen nicht an die Verständigung gebunden ist. Wird der Angeklagte hingegen erst nach angenommener Verständigung über die Möglichkeit des Entfallens der Bindungswirkung belehrt, so stellt dies einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar, der wiederum mit der Revision gerügt werden kann. Etwas anderes kann nach Ausführungen des BGH nur gelten, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Betroffenen die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Tritt während einer einheitlichen Tötungshandlung die Verdeckungsabsicht nur als weiteres Motiv für die Tötung hinzu, so handelt es sich mangels einer „anderen Straftat“ nicht um einen Verdeckungsmord im Sinne des § 211 Abs. 2 Var. 9 StGB.

Wegen Mordes nach § 211 Abs. 2 Var. 9 StGB macht sich strafbar, wer einen Menschen tötet, um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken. In seinem Beschluss vom 03.02.2015 – 3 StR 541/14 betonte der Bundesgerichtshof (BGH) erneut, dass es sich aber nicht um eine andere Straftat im Sinne dieser Norm handelt, wenn nur diejenige Tat verdeckt werden soll, die gerade begangen wird. Daher sei keine Strafbarkeit wegen Mordes anzunehmen, wenn während eine einheitlichen Tötungshandlung die Verdeckungsabsicht nur als weiteres Motiv für die Tötung hinzutritt. Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Annahme eines Verdeckungsmordes in diesen Fällen vielmehr voraus, dass zwischen dem erfolglosen ersten, mit Tötungsvorsatz vorgenommen Angriff und einer erneuten, nunmehr mit Verdeckungsabsicht begangenen Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt. Damit hob der BGH eine Entscheidung des Landgerichts Verden auf, durch die der Angeklagte wegen Mordes sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte auf seine Nachbarin mit einem Messer eingestochen, ohne sie töten zu wollen. Aus Angst, dass er wegen der vorangegangenen Messerstiche nicht unerheblich bestraft werden könnte, würgte er sie für mehrere Minuten mit dem Willen, sie zu töten und dadurch die vorangegangene gefährliche Körperverletzung zu verdecken.

Anwalt für Strafrecht: Bandenmäßiges Handeltreiben mit Btm

Wer bei Betäubungsmittelgeschäften für seine Vermittlertätigkeit eine feste Provision erhält und kein Absatzrisiko trägt, macht sich wegen seiner selbstständigen Stellung nicht des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar.

In seinem Beschluss vom 14.04.2015 – 3 StR 627/14 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) erneut klar, dass es für die Annahme des bandenmäßigen Handeltreibens mehr als nur einer selbständigen Geschäftsbeziehung zwischen den betroffenen Personen bedarf. Allein das auf Dauer angelegte Zusammenwirken mehrerer selbstständiger Geschäftspartner begründet nach Ansicht des BGH auch dann keinen bandenmäßigen Zusammenschluss, wenn die Beteiligten in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung tätig werden. Die Abgrenzung zwischen selbstständigen Geschäftspartnern und einem bandenmäßigen Zusammenschluss nimmt das Gericht im wesentlichen nach der getroffenen Risikoverteilung vor. Danach macht sich nicht wegen bandenmäßigen Handeltreibens strafbar, wer lediglich eine Vermittlertätigkeit gegen eine feste Provision übernimmt. Denn hier trägt der Betroffene regelmäßig nicht das Absatzrisiko und ist auch nicht finanziell davon abhängig, ob und welche Gewinne mit dem Rauschgift erzielt werden.

Anwalt für Strafrecht: Freiheitsberaubung

Ist die persönliche Fortbewegung trotz erschwerender Umstände weiterhin grundsätzlich möglich, liegt nicht zwangsläufig eine Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB vor.

In seinem Urteil vom 22.01.2015 hat sich der BGH (3 StR 410/14) zu den Voraussetzungen einer Freiheitsberaubung gem. § 239 StGB geäußert. Angeklagt war ein Mann, der seine minderjährige Tochter unter einem Vorwand nach Syrien mitnahm und beabsichtigte, dass diese dort ihr weiteres Leben unter den gegebenen Lebensbedingungen verbrachte. Obwohl die Tochter immer wieder den Wunsch äußerte, nach Deutschland zurückzukehren, verweigerte der Vater ihr dies. Auch verbot er ihr, das Haus in Syrien ohne Begleitung älterer Verwandter zu verlassen. Ebenso wie das LG Koblenz vermag der BGH die (neben anderen Delikten) angeklagte Freiheitsberaubung in diesem Verhalten nicht zu erkennen. Da die Tochter – wenngleich unter erschwerten Bedingungen – sich weiterhin fortbewegen konnte, war ihre persönliche Fortbewegungsfreiheit nicht vollständig aufgehoben i. S. d. § 239 StGB, sondern lediglich erschwert. Ein tatbestandliches Einsperren liegt zudem nicht vor, da die Türen des Hauses in Syrien nicht verschlossen waren. Sofern eine Freiheitsberaubung „auf andere Weise“ in Betracht kommt, fehlen dem BGH die dafür notwendigen tatgerichtlichen Feststellungen. Infolgedessen lässt es der BGH auch dahinstehen, ob die (konkludente) Androhung von Schlägen bei Missachtung des Gebots, das Haus nur in Begleitung zu verlassen, eine Freiheitsberaubung darstellen könnte. Weiterhin ist laut BGH auch keine Freiheitsberaubung in der Verweigerung der Zustimmung zur Ausreise aus Syrien zu erkennen. Grundsätzlich kann eine Freiheitsberaubung zwar auch dann vorliegen, wenn das Opfer gehindert wird, ein größeres Areal zu verlassen. Die Ausdehnung des Tatbestands auf ein (damals) ca. 185.000 Quadratkilometer umfassendes Staatsgebiet wäre angesichts des Schutzzwecks des § 239 StGB jedoch eine unangemessene Überdehnung.

Anwalt für Strafrecht: Einfuhr von Betäubungsmitteln

Die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme eingeführter Betäubungsmittel begründet weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln, sodass nur aufgrund der Bestellung eine Strafbarkeit wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Betracht kommt.

In seinem Beschluss vom 31.3.2015 – 3 StR 630/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme eingeführter Betäubungsmittel weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr von Betäubungsmitteln begründet. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es zwar nicht erforderlich, dass die Betäubungsmittel eigenhändig ins Inland eingeführt werden. Vielmehr kann auch derjenige, der die Betäubungsmittel nicht selbst nach Deutschland transportiert, Mittäter der Einfuhr des unmittelbar Handelnden sein. Dazu muss er allerdings einen Tatbeitrag erbringen, der sich bei wertender Betrachtung nicht bloß als Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tatbestandsverwirklichung darstellt. Es kann also auch der sich im Inland befindende Erwerber von Betäubungsmitteln aus dem Ausland wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet.

Anhaltspunkte für diesen Täterwillen sind nach ständiger Rechtsprechung der Grad des Tatinteresses, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft und der Wille dazu.

Hat der Besteller, wie in dem vom BGH zu verhandelnden Fall, hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, ist er zwar wegen der Bestellung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar. Eine Bestrafung wegen mittäterschaftlicher Einfuhr oder Teilnahme an der Einfuhr kommt allerdings nicht in Betracht.

Anwalt für Strafrecht: Computerbetrug

Wer als Arbeitnehmer eine ihm von seinem Arbeitgeber überlassene Tankkarte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zurückgibt, sondern mit ihr seinen privaten PKW betankt, macht sich nicht strafbar.

In seinem Urteil vom 2.2.2015 – 2 OLG 3 Ss 170/14 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, dass ein Arbeitnehmer, der eine ihm überlassene Tankkarte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiterbenutzt, sich nicht strafbar macht. Der Angeklagte wurde zuvor vom Landgericht Koblenz vom Vorwurf des gewerbsmäßig begangenen Computerbetrugs in 43 Fällen freigesprochen. Hiergegen richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft.

Der Angeklagte hatte eine ihm vom Arbeitgeber ausgestellte Tankkarte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für sich verwendet und sich unter Einsatz von dieser insgesamt 3.790 Liter Diesel im Wert von 5.334 € bei verschiedenen Tankstelen verschafft, die er wiederum an Dritte weiterverkaufte.

Den Tatbestand des vorrangig in Betracht kommenden Computerbetruges in der Variante der unbefugten Verwendung von Daten sah das OLG Koblenz jedoch nicht als erfüllt an. Zwar sei mit der Benutzung der Tankkarte die erforderliche Einwirkung auf das Datenverarbeitungssystem gegeben. Diese erfolgte jedoch nicht unbefugt, da die Verwendung der Daten gegenüber einem menschlichen Empfänger nach Ansicht des OLG Koblenz keine Täuschung darstellt. In den Fällen des Einsatzes von Codekarten wird ein solches Täuschungsäquivalent nur angenommen, wenn die Karte gefälscht, manipuliert oder mittels verbotener Eigenmacht erlangt wurde. Eine nur im Innenverhältnis abredewidrig erfolgte Benutzung einer im Außenverhältnis wirksam überlassenen Codekarte stellt hingegen keine täuschungsgleiche Handlung im Sinne des § 263a StGB dar, da die Fortsetzung des eigenen bestehenden Besitzes selbst dann keine verbotene Eigenmacht ist, wenn eine Pflicht zur Herausgabe besteht. Auch eine Verurteilung wegen Betruges oder Untreue verneinte das OLG Koblenz, sodass der Freispruch der vorherigen Instanz bestehen blieb.

Drogenstrafrecht / Strafprozessrecht

Wer von einem verdeckten Ermittler unter Drohung dazu angestiftet wird, Betäubungsmittel in die Bundesrepublik einzuführen, macht sich nicht wegen Einfuhr strafbar. Eine solche rechtsstaatswidrige Tatprovokation führt zur Einstellung des Verfahrens.

In seinem Urteil vom 10.6.2015 – 2 StR 97/14 vollzog der Bundesgerichtshof (BGH) eine Rechtsprechungsänderung zur rechtsstaatswidrigen Tatprovokation. Er hob ein Urteil des Landgerichts Bonn auf, durch das zwei Beschuldigte wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln zu Freiheitsstrafen verurteilt worden waren und stellte das Verfahren wegen eines auf einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation beruhenden Verfahrenshindernisses ein. Die Beschuldigten waren von der Polizei zuvor langfristig observiert worden, weil gegen sie der Verdacht der Begehung von Geldwäsche- und Betäubungsmittelstraftaten bestand. Es wurden mehrere verdeckte Ermittler eingesetzt, die die Beschuldigten über einen Zeitraum von mehreren Monaten dazu überreden sollten, eine große Menge von Ecstasy-Tabletten aus den Niederlanden nach Deutschland zu bringen. Nachdem die Beschuldigten sich weigerten, trat einer der verdeckten Ermittler drohend auf und ein anderer behauptete wahrheitswidrig, wenn er seinen Hinterleuten das Rauschgift nicht besorge, werde seine Familie mit dem Tod bedroht. Daraufhin halfen die Beschuldigten in zwei Fällen bei der Beschaffung und Einfuhr der Tabletten. Der BGH sah diese rechtstaatswidrige Tatprovokation als Verfahrenshindernis und stellte das Verfahren ein. Grund dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im letzten Jahr, der die bisherige Strafzumessungslösung des BGH als unzureichend bezeichnete und einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren feststellte. Bisher hatte der BGH in solchen Fällen lediglich die Strafe gemildert.

Betäubungsmittelstrafrecht / bewaffneter Handel

Ein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG kann regelmäßig nicht angenommen werden, wenn sich die Waffe in einem Behältnis und in einem anderen Raum als die Betäubungsmittel befindet.

In seinem Beschluss vom 10.2.2015 – 5 StR 594/14 hat der Bundesgerichtshof erneut genaue Feststellungen zum Merkmal des Mitsichführens einer Waffe beim bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gefordert. Dieses liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn die Waffe derart mitgeführt wird, dass man sich ihr jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen kann, wofür Griffweite ausreicht. Findet der Handel mit Betäubungsmitteln in einer Wohnung statt, so liegt hingegen regelmäßig kein bewaffneter Handel vor, wenn sich die Waffe in einem Behältnis und in einem anderen Raum als die Betäubungsmittel befindet.

Trifft das Gericht der Hauptsache keine Feststellungen zu den räumlichen Verhältnissen und wo innerhalb der Wohnung sich die Betäubungsmittel befinden, so wird dadurch nicht hinreichend belegt, dass sich der Angeklagte jederzeit der Waffe hätte bedienen können.

Anwalt für Strafrecht: Falsche Verdächtigung

Auch eine durch den Beschuldigten im Rahmen des eigenen Strafverfahrens erfolgte falsche Verdächtigung einer bis dahin völlig unverdächtigen Person erfüllt den Tatbestand des § 164 StGB

Der Angeklagte hatte während des gegen ihn geführten Strafverfahrens (Verstoß gegen Sprengstoffgesetz) wiederholt wahrheitswidrig behauptet, die sichergestellten Feuerwerkskörper gehörten nicht ihm, sondern seinem Sohn. Der BGH (Urt. v. 10.02.2015 – 1 StR 488/14) hatte nun zu entscheiden, ob hier tatsächlich eine falsche Verdächtigung gem. § 164 StGB vorliegt oder ob der Tatbestand des § 164 StGB wegen zulässigen Verteidigungsverhaltens einzuschränken sei. Eine solche Tatbestandseinschränkung kommt laut BGH hier jedoch nicht in Betracht. Zunächst einmal ist diese ausgeschlossen, wenn bei den Ermittlungen überhaupt kein anderer als Täter in Betracht kommt und durch die falsche Verdächtigung eine andere bis dahin völlig unverdächtige Person (hier der Sohn) erstmalig konkret verdächtigt wird. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber für § 164 StGB auch kein Selbstbegünstigungsprivileg – wie bspw. in § 258 Abs. 1 und Abs. 5 StGB – vorgesehen hat, welches eine Tatbestandseinschränkung auslösen könnte. Schließlich lässt sich eine Tatbestandseinschränkung auch nicht aus dem Recht der Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten ableiten. Die Selbstbelastungsfreiheit gebe ihm zwar das Recht, sich nicht zu den Vorwürfen äußern zu müssen, gewähre ihm aber kein „Recht zur Lüge“.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl / Raub

Eine für den Raub tatbestandliche Zueignungsabsicht liegt auch dann vor, wenn die bei dem Raub entwendeten Betäubungsmittel (Marihuana) später durch Konsum vernichtet werden sollen.

Die Angeklagten hatten unter anderem bei einem Raub Marihuana entwendet. Das Landgericht stellte in seinem Urteil fest, dass die Angeklagten das Marihuana später durch Konsum „vernichten“ wollten, was sie dann auch taten. Der BGH musste daher die Frage klären, ob die Angeklagten bei dem Raub überhaupt Zueignungsabsicht hatten. An einer solchen fehlt es nämlich, wenn der Täter die Sache gar nicht in sein Vermögen überführen will, sondern sie entwendet, um sie danach zu zerstören, zu vernichten oder zu beschädigen. So lag es im vorliegenden Fall aber nicht. Die Angeklagten nahmen das Marihuana mit, um es später – im Prinzip wie ihr eigenes – konsumieren zu können. Insoweit haben die Angeklagten ihren Zueignungswillen umgesetzt und (erst) im unmittelbaren Anschluss an die Tat das Marihuana konsumiert und dadurch vernichtet. (BGH, Urt. v. 12.03.2015 – 4 StR 538/14)

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Für die Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls ist das Eindringen in fremdes Besitztum nicht zwingend erforderlich, sodass sich auch derjenige strafbar macht, der sich mit Diebstahlswillen vor der Räumlichkeit befindet, die er auf Stehlenswertes durchsuchen will.

In seiner Entscheidung vom 18.02.2014 - (3) 161 Ss 248/13 (13/14) bestätigte das Kammergericht (KG) Berlin die Verurteilung von zwei Angeklagten wegen versuchten Diebstahls. Die Angeklagten hatten sich trotz Hochsommers mit Handschuhen und einem Seitenschneider in der Hand in eine Gaststätte begeben, zur Sicherung eine Kiste hinter die Eingangstür gestellt und sich dann nach möglichen Diebesgut umgeschaut.

Nach Ansicht des Kammergerichts haben die Angeklagten durch ihr Verhalten schon unmittelbar zum Diebstahlsversuch angesetzt. Dieses liege spätestens mit dem Eindringen in fremdes Besitztum vor, sofern es mit dem bestimmten Willen geschieht, etwas nicht notwendig bereits Bestimmtes zu stehlen. Darüber hinaus könne aber auch von einem unmittelbaren Ansetzen gesprochen werden, wenn sich der Täter vor der Räumlichkeit befindet, die er auf Stehlenswertes durchsuchen will, sofern er die nahe liegende Möglichkeit des Gewahrsamsbruchs geschaffen hat. Ein Ergreifen oder Bereitstellen von Diebesgut bedürfe es hingegen nicht.

Anwalt für Strafrecht: gewerbsmäßiger Diebstahl

Wer einen Gegenstand lediglich zur besseren Verwertung der aus einem vorangegangen Diebstahl erzielten Tatbeute entwendet, handelt nicht gewerbsmäßig.

In seinem Beschluss vom 17.12.2014 – 3 StR 484/14 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem mit den Voraussetzungen eines gewerbsmäßigen Diebstahls zu befassen. Grund dafür war eine Gruppe von Angeklagten, die sich zusammengeschlossen hatten, um gemeinsam und wiederholt Waren aus Frachtcontainern zu entwenden. Um die Tatbeute abtransportieren zu können, hängten die Angeklagten in einem Fall einen leeren Auflieger an eine Zugmaschine, den sie später am Straßenrand abstellten. Dort wurde der Auflieger erst elf Monate später gefunden. Da die Angeklagten den Auflieger für eigene Zwecke verwenden wollten, bejahte der BGH einen Diebstahl, verneinte aber die Gewerbsmäßigkeit des Diebstahls.

Dazu führte er aus, dass es für die Annahme eines gewerbsmäßigen Diebstahls nicht ausreicht, wenn die Entwendung des Gegenstandes lediglich der besseren Verwertung der bereits aus einem vorangegangenen Diebstahls erzielten Tatbeute dient. Einen gewerbsmäßigen Diebstahl begeht, wer sich durch die wiederholte Begehung von Diebstählen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen will. Zwar kann sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH eine Einnahmequelle auch verschaffen, wer wiederholt in strafrechtlich relevanter Weise erlangte Güter für sich verwendet, um sich so die Kosten für deren Erwerb zu ersparen. Dient der Gegenstand allerdings nicht der Erschließung einer weiteren Einnahmequelle, sondern nur der besseren Verwertung der Diebesbeute, so genügt dies für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit nicht.

Anwalt für Strafrecht: Räuberische Erpressung

Derjenige, der unvermittelt auf sein Opfer einsticht, es dabei zur Zahlung von Geld auffordert und danach sofort flüchtet, macht sich nicht zwingend wegen versuchter räuberischer Erpressung strafbar, da es an dem für die Erpressung erforderlichem Finalzusammenhang fehlt.

In seinem Beschluss vom 27.3.2014 - 3 StR 103/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung eines Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung aufgehoben, da es seiner Ansicht nach an der erforderlichen finalen Verknüpfung zwischen der verübten Gewalthandlung und der erstrebten Vermögensverfügung fehlte.

Der Angeklagte hatte unvermittelt auf den Geschädigten, der ihm noch Geld aus Drogengeschäften schuldete, eingestochen und diesen dabei zur Zahlung des Geldes aufgefordert. Danach war er geflohen. Welche Zwangswirkung durch den Einsatz des Messers auf den Geschädigten ausgeübt werden sollte, hatte das Landgericht nicht hinreichend feststellen können. Zwar hatte der Angeklagte das Zustechen mit einer Zahlungsaufforderung verbunden.

Angesichts seiner sofortigen Flucht könne die Zahlungsaufforderung allein jedoch nicht den finalen Zusammenhang belegen. Dazu müsste der Angeklagte dem Geschädigten vielmehr in Angst vor weiteren körperlichen Misshandlungen versetzt haben, um ihn hierdurch zur Geldzahlung zu veranlassen. Anhaltspunkte dafür bestanden jedoch nicht. Außerdem hätte das Gericht bei seiner Verurteilung auch klären müssen, ob der Angeklagte durch seine Flucht die Tat aufgegeben und somit vom Versuch zurückgetreten ist.

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Die Verwertung eines Tipps hinsichtlich des Ausgangs eines Fußballspiels beim Abschluss einer Sportwette führt nicht zu einer Strafbarkeit wegen versuchten Betruges - es liegt lediglich der Versuch einer straflosen Ausnutzung eines Informationsvorsprungs vor.

In seinem Beschluss vom 11.3.2014 - 4 StR 479/13 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass kein Wettbetrug vorliegt, wenn lediglich ein Tipp hinsichtlich des Ausgangs eines Fußballspiels bei einer Sportwette verwertet wird.

Zwar begeht der Wettteilnehmer, der den Gegenstand des Wettvertrags zu seinen Gunsten beeinflusst und diesen Umstand bei Abschluss des Wettvertrages verschweigt, einen Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB. Da allerdings in dem zu verhandelnden Fall nicht festgestellt werden konnte, ob das Spiel überhaupt manipuliert worden war, sah der BGH einen Betrug mangels Vorsatzes des Angeklagten als nicht gegeben an. Die Verwertung eines Tipps, der dem Angeklagten in einem Café zugetragen wurde, in dem ein an Fußball- und sonstigen Sportwetten interessiertes Publikum verkehrte, stelle jedenfalls keine etwaige Beeinflussung des Spielergebnisses dar. Vielmehr ging der Angeklagte nach der Feststellung des Gerichts bei seinem Wettverhalten nicht von einer mit Sicherheit zutreffender Information aus.

Somit liege lediglich der Versuch einer straflosen Ausnutzung eines Informationsvorsprungs vor, dessen Nutzung zum allgemeinen und daher straflosen Geschäftsrisiko bei Wetten gehöre.

Anwalt für Strafrecht: Computerbetrug

Wer als Arbeitnehmer eine ihm von seinem Arbeitgeber überlassene Tankkarte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zurückgibt, sondern mit ihr seinen privaten PKW betankt, macht sich nicht strafbar.

In seinem Urteil vom 2.2.2015 – 2 OLG 3 Ss 170/14 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, dass ein Arbeitnehmer, der eine ihm überlassene Tankkarte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter benutzt, sich nicht strafbar macht. Der Angeklagte wurde zuvor vom Landgericht Koblenz vom Vorwurf des gewerbsmäßig begangenen Computerbetrugs in 43 Fällen freigesprochen. Hiergegen richtete sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte hatte eine ihm vom Arbeitgeber ausgestellte Tankkarte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für sich verwendet und sich unter Einsatz von dieser insgesamt 3.790 Liter Diesel im Wert von 5.334 € bei verschiedenen Tankstellen verschafft, die er wiederum an Dritte weiterverkaufte. Den Tatbestand des vorrangig in Betracht kommenden Computerbetruges in der Variante der unbefugten Verwendung von Daten sah das OLG Koblenz jedoch nicht als erfüllt an. Zwar sei mit der Benutzung der Tankkarte die erforderliche Einwirkung auf das Datenverarbeitungssystem gegeben. Diese erfolgte jedoch nicht unbefugt, da die Verwendung der Daten gegenüber einem menschlichen Empfänger nach Ansicht des OLG Koblenz keine Täuschung darstellt.

In den Fällen des Einsatzes von Codekarten wird ein solches Täuschungsäquivalent nur angenommen, wenn die Karte gefälscht, manipuliert oder mittels verbotener Eigenmacht erlangt wurde. Eine nur im Innenverhältnis abredewidrig erfolgte Benutzung einer im Außenverhältnis wirksam überlassenen Codekarte stellt hingegen keine täuschungsgleiche Handlung im Sinne des § 263a StGB dar, da die Fortsetzung des eigenen bestehenden Besitzes selbst dann keine verbotene Eigenmacht ist, wenn eine Pflicht zur Herausgabe besteht. Auch eine Verurteilung wegen Betruges oder Untreue verneinte das OLG Koblenz, sodass der Freispruch der vorherigen Instanz bestehen blieb.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Wer als Beschuldigter in einem Strafverfahren aufgefordert wird, innerhalb einer Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu nennen, kann auch nach Ablauf der Frist die Auswechslung des vom Gericht bestellten Verteidiger erreichen, insbesondere wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen – die Benennungsfrist ist insofern keine Ausschlussfrist.

Das Oberlandesgericht Köln hat mit Beschluss vom 26.6.2014 – 2 Ws 344/14 entschieden, dass ein Recht auf Auswechselung des vom Gericht bestellten Verteidigers auch nach Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist noch erreicht werden kann. Nach § 142 Abs. 1 S. 1 StPO soll dem Beschuldigten vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers Gelegenheit gegeben werden, innerhalb einer bestimmten Frist einen Verteidiger seiner Wahl zu benennen. Damit soll sichergestellt werden, dass ein Beschuldigter sich von dem Verteidiger seines Vertrauens verteidigen lassen kann. Allein der Ablauf der Frist, so das OLG Köln, kann dem Beschuldigten dieses Recht nicht nehmen. Denn die Benennungsfrist stelle keine Ausschlussfrist dar. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass eine Rücknahme des zwischenzeitlich vom Gericht bestellten Pflichtverteidigers noch möglich ist, ohne

Anwalt für Strafrecht: Drogenstrafrecht

Eine nicht geringe Menge von synthetischen Cannabinoiden (Kräutermischungen) kann bereits bei einer Wirkstoffmenge von 2g vorliegen.

Mit Beschluss vom 14.01.2015 (1 StR 302/13) hat der Bundesgerichtshof Grenzwerte für eine nicht geringe Menge von einigen synthetischen Cannabinoiden festgelegt. Für die Wirkstoffe JWH-018 und CP 47,497-C8-Homologes liegt nun laut BGH eine nicht geringe Menge bei 2g vor. Für die Wirkstoffe JWH-073 und CP 47,497 sieht der BGH jedenfalls bei 6g eine nicht geringe Menge als gegeben an. Für den pflanzlichen Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) gilt ein Grenzwert von 7,5g.

Anwalt für Strafrecht: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte

Kein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, wenn bei dem Versuch, sich der Polizeikontrolle zu entziehen, durch ein Zurücksetzen des Fahrzeugs unvorsätzlich ein hinter dem Fahrzeug stehender Polizeibeamter verletzt wird.

In seinem Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 StR 204/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung eines Angeklagten durch das Landgericht Erfurt wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte aufgehoben. Der Angeklagte war nach einem Wohnungseinbruchsdiebstahl mit seinem Komplizen in einem Auto unterwegs, als er an einer Ampel von der Polizei gestoppt wurde. Um sich dem Zugriff zu entziehen, setzte der Angeklagte das Fahrzeug hastig zurück und fuhr dabei einen Polizeibeamten an.

Nach Ansicht des BGH fehlte es bereits an einem Widerstandleisten, da der Angeklagte nicht bemerkt hatte, dass ein Polizeibeamter bereits am Heck des Fahrzeugs herumlief. Als der Angeklagte das Fahrzeug zurücksetze fehlte es daher bereits an einer gewaltsamen, gegen die Person des Vollstreckenden gerichteten Handlung. Zudem fehlte es dem Angeklagten am notwendigen Vorsatz, durch eine nötigende Handlung gegen den Vollstreckungsbeamten die Vollstreckungsmaßnahme zu verhindern oder zu erschweren. Denn die bloße Flucht vor der Polizei ist nach ständiger Rechtsprechung kein gewaltsamer Widerstand, auch wenn dadurch gegebenenfalls Dritte gefährdet oder unvorsätzlich verletzt werden.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Fährt Kraftfahrzeugfahrer auf einen anderen zu, so ist eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeuges nur gegeben, wenn das Opfer gezielt angefahren oder überfahren werden soll, nicht hingegen wenn es sich durch ein Ausweichmanöver Verletzungen zuzieht.

In seinem Beschluss vom 4.11.2014 – 4 StR 200/14 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem mit der Frage auseinanderzusetzen, ob beim "Schneiden" eines anderen Verkehrsteilnehmers mit dem Kraftfahrzeug eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliegt.

Grundsätzlich kann ein Kraftfahrzeug ein gefährliches Werkzeug sein, da es von seiner Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung dazu geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Nach Ansicht des BGH ist der erforderliche Vorsatz bei provozierten Unfällen jedoch nur dann gegeben, wenn sich der Angreifer wenigstens mit der Möglichkeit abgefunden hat, dass die betroffene Person angefahren oder überfahren wird und unmittelbar hierdurch eine Körperverletzung erleidet. Dies treffe auf den Fall des Schneidens eines anderen Verkehrsteilnehmers jedoch nicht zu, da der Angreifer hier lediglich mit Verletzungen infolge von Ausweichmanövern oder einem Sturz rechne. Insofern liege keine Körperverletzung mittels eines Kraftfahrzeugs vor.

Damit hob der BGH die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung auf. Der Angeklagte hatte den Fahrer eines Motorrollers durch ein plötzliches Einscheren zu einem Ausweichmanöver gezwungen und dabei in Kauf genommen, dass dieser infolge des unerwarteten Manövers stürzt und sich verletzt.

Anwalt für Strafrecht:Bedrohung

Steht bei der Bedrohung mit dem Tod, der von dem Eintritt eines künftigen Ereignisses abhängig gemacht wird, schon von vorneherein fest, dass dieses Ereignis nicht eintreten wird, so liegt keine objektiv ernstzunehmende Bedrohung im Sinne des § 241 StBG vor.

In seinem Beschluss vom 15.1.2015 - 4 StR 419/14 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) damit beschäftigt, wann eine Drohung mit einem Verbrechen objektiv ernstzunehmend im Sinne des § 241 StGB ist. Dabei stellte das Gericht fest, dass die Bedrohung mit einem Verbrechen dann nicht tatbestandsmäßig ist, wenn das Verbrechen von einem zukünftigen Ereignis abhängt, dessen Nichteintritt von Anfang an feststeht. Zwar kann eine Bedrohung nach Ausführungen des BGH auch in der Weise erfolgen, dass die Begehung des Verbrechens vom künftigen Eintritt oder Nichteintritt eines weiteren Umstands abhängen soll. Steht allerdings schon beim Aussprechen der Drohung fest, dass der Umstand, von dem der Eintritt des Verbrechens abhängig gemacht wurde, nicht eintreten wird, so fehlt es an der objektiven Ernsthaftigkeit der Bedrohung.

Im konkreten Fall hatte der Angeklagte seinem Betreuer mit dem Tode gedroht, wenn dieser ihn zwangsweise zur Psychiaterin bringen würde. Ein Arztbesuch gegen den Willen des Angeklagten sollte jedoch von vorneherein nicht durchgesetzt werden, was dem Angeklagten von seinem Betreuer auch mehrfach vermittelt wurde. Es stand daher nach Wertung des BGH schon bei der Bedrohung des Betreuers mit dem Tod fest, dass der Umstand, von dem die Todesdrohung abhängig sein sollte (das zwangsweise Verbringen zur Psychiaterin) nicht eintreten wird. Eine Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung nach § 241 StGB schied damit aus.

Anwalt für Strafrecht: Btm

Eine geringe Verkaufsmenge und ein geringer Gewinn kann im Einzelfall einen minder schweren Fall des gewinnbringenden Verkaufs von BtM an Jugendliche (§ 30 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG) darstellen

Der Angeklagte hatte in mehreren Fällen Marihuana an Personen unter 18 Jahren gewinnbringend verkauft. Die Verkaufsmenge betrug dabei jeweils zwischen 1g und 3g. Der Verkaufswert lag entsprechend zwischen 10 € und 30 €, wobei der Angeklagte pro verkauftem Gramm Marihuana einen Gewinn von 4 € erzielte. Das Landgericht wendete in seinem Urteil den Regelstrafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG an und hielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen. Der BGH hält dies für nicht nachvollziehbar. Zugunsten des Angeklagten liegen eine Reihe von Milderungsgründen vor, namentlich ein vollumfängliches Geständnis, die geringen Verkaufsmengen, der geringe Gewinn und der Umstand, dass die jugendlichen Käufer bereits vor dem Verkauf durch den Angeklagten Betäubungsmittel konsumiert hatten. Diese Milderungsgründe überwiegen die Tatsache, dass der vorbestrafte Angeklagte Marihuana an Jugendliche verkauft hat, derartig stark, dass ein minder schwerer Fall im Sinne des § 30 Abs. 2 BtMG naheliegt. Die Anwendung des Regelstrafrahmens, der Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vorsieht, erscheint in diesem Fall unangemessen. (BGH, Beschluss vom 16.10.2013 – 2 StR 312/13).

Anwalt für Strafrecht: bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln

Wer einzelne und kurzfristige Unterstützungshandlungen bei dem Handel von Betäubungsmitteln erbringt, ist hierdurch nicht automatisch ein Bandenmitglied im Sinne des § 30a BtMG.

In seinem Beschluss vom 5.11.2014 - 2 StR 186/14 hob der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Darmstadt auf, durch das der Angeklagte wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde. Nach Ansicht des BGH wurde nicht hinreichend festgestellt, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande handelte. Denn nicht jeder Beteiligte an einer Bandentat sei schon durch die Beihilfehandlung Bandenmitglied. Vielmehr seien Bandenmitgliedschaft und die Beteiligung an Bandentaten unabhängig voneinander zu beurteilen. Allein aus der Vereinbarung, Geld aus dem Drogenhandel in Deutschland entgegenzunehmen und es in ein anderes Land zu bringen, lässt sich nach Ausführungen des BGH nicht belegen, dass der Angeklagte der erforderlichen auf Dauer angelegten Verbindung mehrerer Täter zur künftigen gemeinsamen Tatbegehung beigetreten ist. Zwar kann auch ein nach der Bandenabrede als Gehilfe tätiger Beteiligter Mitglied einer Bande sein. Laut BGH ist dies aber eher nicht der Fall, wenn der Beteiligte lediglich auf kurzfristige Anweisung untergeordnete Unterstützungsleistungen erbracht hat, für die er außerdem entweder nicht oder nur in geringem Umfang bezahlt worden ist.

Anwalt für Strafrecht: Drogen

Allein eine schlechte wirtschaftliche Situation des Angeklagten und eine potenziell große Gewinnspanne durch Weiterverkauf reichen nicht aus für die Annahme des gewinnbringenden Handeltreibens mit Btm (Methamphetamin)

Mit Beschluss vom 22.08.2013 (1 StR 378/13) hat der BGH ein Urteil des LG Hof aufgehoben, das zwei Angeklagte wegen gewinnbringenden Handeltreibens mit Btm verurteilt hatte. Die Angeklagten hatten in Tschechien fast 40g Methamphetamin erworben. Das Landgericht war davon überzeugt, dass die beiden Angeklagten damit in Deutschland gewinnbringend Handel treiben wollten. Zur Begründung führte es aber lediglich aus, dass sich beide Angeklagte in einer schlechten wirtschaftlichen Situation befinden und sich in Erfurt durch den Weiterverkauf ein erheblicher Gewinn erzielen lasse. Dem BGH genügte diese Begründung nicht. Insbesondere habe das LG weitere Umstände, namentlich das Eigenkonsumverhalten der Angeklagten, nicht in seine Beweiswürdigung einbezogen. Die festgestellten Angaben zum Eigenkonsum lassen nämlich den Schluss zu, dass die ca. 40g Methamphetamin der monatlichen Eigenbedarfsmenge der Angeklagten entsprechen. Somit reiche die getroffene Beweiswürdigung des LG im Ergebnis nur für eine bloße Vermutung aus, die nicht mehr als einen Verdacht des gewinnbringenden Handeltreibens mit Btm begründen kann.

Anwalt für Strafrecht: räuberischer Diebstahl

Allein die Flucht mit gestohlener Beute belegt nicht ohne weiteres eine Besitzerhaltungsabsicht im Sinne des § 252 StGB

Allein die Flucht mit gestohlener Beute belegt nicht ohne weiteres eine Besitzerhaltungsabsicht im Sinne des § 252 StGB. Wegen eines räuberischen Diebstahls nach § 252 StGB macht sich strafbar, wer bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen wird und seinem Verfolger Gewalt zufügt oder ihm mit Leibes- oder Lebensgefahr droht, um sich im Besitz des Diebesguts zu erhalten.

Diese erforderliche Besitzerhaltungsabsicht ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht ohne weiteres anzunehmen, wenn der Betroffene mit der Beute flieht. In seinem Beschluss vom 4.9.2014 - 1 StR 389/14 führte der BGH aus, dass die Besitzerhaltungsabsicht zwar nicht der einzige Beweggrund für die Gewaltanwendung oder den Einsatz des Nötigungsmittels sein muss. Eine bloße Fluchtabsicht genüge jedoch nicht. Das Tatgericht muss daher genau belegen, ob es dem Betroffenen gerade auch auf die Erhaltung der Beute ankommt oder ob er nur fliehen will und die Beute hierbei schlichtweg mitnimmt.

Damit hob der BGH eine Verurteilung des Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls auf, da das Landgericht die Beutesicherungsabsicht nicht hinreichend belegt, sondern lediglich formelhafte Ausführungen zur subjektiven Tatseite gemacht hatte.
http://www.räuberischer-diebstahl.berlin/

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung

Ein gefälschter Personenausweis, der eine tatsächlich nicht existierende Behörde als Aussteller erkennen lässt, stellt eine Urkunde im Sinne des § 267 StGB dar, solange es sich bei dem Namen der Behörde nicht um einen erkennbaren Phantasienamen handelt.

In seinem Urteil vom 14.05.2014, 3 Ss 50/14 hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg entschieden, dass die tatsächliche Existenz des Ausstellers eines Ausweises weder für die Frage der Ausstellererkennbarkeit noch für die Frage der Täuschung über die Ausstelleridentität eine Voraussetzung des Urkundenbegriffs nach § 267 StGB ist.

Etwas anderes gilt nach Ansicht des OLG nur, wenn die scheinbare Ausstellerin überhaupt nicht existiert und es sich folglich um einen als solchen ohne weiteres erkennbaren Phantasienamen handelt. Bei diesem müsse es für den Adressaten auf der Hand liegen, dass es eine natürliche oder juristische Person dieses Namens nicht gibt oder sie zumindest nicht Urheberin der Erklärung sein kann.

Damit hob das OLG Bamberg ein Urteil des Landgerichts auf, durch das der Angeklagte vom Vorwurf der Urkundenfälschung freigesprochen wurde. Er hatte sich einen Personenausweis bestellt, auf dem als Ausstellerin die Freie Stadt Danzig zu erkennen war. Da eine solche Behörde real nicht existierte und der Ausweis sich für das Landgericht als plumpe Fälschung darstellte, verneinte es die Urkundenqualität des Ausweises und zugleich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen § 267 StGB.

Strafprozessrecht / Beschuldigtenvernehmung

Ein im Rahmen einer polizeilich durchgeführten Vernehmung abgelegtes Geständnis darf gemäß § 136a StPO im Verfahren nicht verwertet werden, wenn der Betroffene vorher ca. 38 Stunden nicht geschlafen hat und sich körperlich und psychisch im Zustand der Übermüdung befindet.

In seinem Beschluss vom 21.10.2014 - 5 StR 296/14 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit der Verwertbarkeit eines im Zustand der Übermüdung abgelegten Geständnisses des Beschuldigten zu befassen. § 136a StPO ordnet dazu an, dass die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des Beschuldigten bei seiner Vernehmung nicht durch Ermüdung beeinträchtigt werden darf.

Eine solche Beeinträchtigung ist nach Ansicht des BGH jedoch nicht von der Hand zu weisen, wenn der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Vernehmung schon ungefähr 38 Stunden nicht mehr geschlafen hat und sowohl körperlich als auch seelisch tiefgreifend entkräftet ist.

Dem steht nach Ausführungen des BGH auch der subjektive Eindruck des vernehmenden Polizeibeamten, der Beschuldigte habe weder betäubt noch übermüdet gewirkt, nicht entgegen. Ebenso sei nicht erforderlich, dass sich der Beschuldigte ausdrücklich auf die Müdigkeit beruft. Ein Geständnis, das in einem solchen Zustand der Übermüdung gemacht werde, dürfe gemäß § 136a Abs. 3 S. 2 StPO nicht verwertet werden. Damit hob der BGH die Verurteilung der Angeklagten wegen Totschlags auf. Sie hatte ihr Baby direkt nach der Geburt erstickt und wurde 38 Stunden nach der Tat von der Polizei vernommen, obwohl sie in der Zwischenzeit nicht geschlafen und mehrere körperliche Zusammenbrüche erlitten hatte, die auch stationär behandelt werden mussten. Nach mehreren, sich in dieser Zeitspanne abspielenden, polizeilichen Vernehmungen hatte die Beschuldigte schließlich das Geständnis abgelegt.

Anwalt für Strafrecht: unbefugte Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs

Die unbefugte Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs ist regelmäßig nicht nach § 248b StGB strafbar, wenn das Fahrzeug nur benutzt wird, um es dem Berechtigten zurückzubringen.

In seinem Beschluss vom 24.6.2014 - 2 StR 73/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die unberechtigte Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs in der Regel dann nicht gemäß § 248b StGB strafbar ist, wenn sie allein zum Zwecke der Rückführung an den Berechtigten vorgenommen wird.

Zwar liegt keine ausdrückliche Gestattung in Form eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses vor. Nach Ansicht des BGH erfolgt die Rückführung des Fahrzeugs aber dennoch nicht gegen den Willen des Berechtigten, sondern ist regelmäßig von dessen mutmaßlichen Willen gedeckt. Denn die Nutzung des Fahrzeugs als Fortbewegungsmittel sei in diesen Fällen gerade nicht auf die Verletzung der uneingeschränkten Verfügungsmöglichkeiten des Berechtigten, sondern vielmehr auf die Wiedereinräumung gerichtet. Damit hob der BGH die Verurteilung eines Angeklagten auf, der sich bei einer Mietwagenfirma ein Auto gemietet und dies erst nach Ablauf der Mietzeit zurückgebracht hatte. Da der Angeklagte das Auto tatsächlich nur für die Rückführung in Gebrauch genommen hatte, nahm der BGH ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Mietwagenfirma an.

Straßenverkehrsrecht / Telefonieren am Steuer

Ein Mobiltelefon darf im Fahrzeug benutzt werden, wenn das Fahrzeug steht und der Motor dabei infolge einer automatischen Start-Stopp-Funktion ausgeschaltet ist.

In seinem Beschluss vom 9.9.2014 - 1 RBs 1/14 hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden, dass das Telefonieren auch bei einem automatisch abgeschalteten Motor zulässig ist, der durch das Gaspedal wieder in Gang gesetzt werden kann. Die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass das Fahrzeug tatsächlich steht und der Motor aus ist, damit dem Fahrzeugführer beide Hände für die eigentlichen Fahraufgaben zur Verfügung stehen.

Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, macht es für das OLG Hamm keinen Unterschied, ob der Motor zuvor durch den Fahrer mittels Betätigen der Zündung manuell oder durch Abbremsen bzw. dem Stillstand des Fahrzeugs automatisch abgeschaltet wurde.

Mit diesem Beschluss gab das OLG Hamm der Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen ein Urteil des Amtsgerichts statt, durch das der Betroffene zu Unrecht wegen verbotenen Telefonierens mit einem Handy zu einer Geldbuße von 40 Euro verurteilt wurde.

Strafprozessrecht / faires Verfahren

Ein Beschuldigter, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist, hat das Recht auf die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift, welche ihm in der Regel schon vor der Hauptverhandlung zugehen sollte.

Dazu gehöre insbesondere die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache. Diese soll dem Beschuldigten nach Ausführungen des BGH in der Regel schon vor der Hauptverhandlung zugehen. Eine mündliche Übersetzung könne dagegen nur in Ausnahmefällen genügen, namentlich wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen sei.

Grundsätzlich sprach sich der BGH jedoch dafür aus, dass nur durch die Mitteilung der übersetzten Anklageschrift die durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK gewährleistete Information des Beschuldigten über den Tatvorwurf in allen Einzelheiten bewirkt werden kann. Zudem warnte er vor einer eventuellen Beschneidung der Erklärungsrechte des Angeschuldigten nach § 201 StPO, wenn dieser nicht umfassend und zeitnah über den Anklagevorwurf unterrichtet werde.

Anwalt für Strafrecht: Unterschlagung

Wird der Tatbestand der Unterschlagung zugleich mit einem anderen Delikt verwirklicht, das eine abstrakte Strafandrohung von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, so darf keine Verurteilung wegen Unterschlagung ergehen.

In seinem Beschluss vom 24. Juli 2014 - 3 StR 188/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass die Subsidiaritätsklausel des § 246 Abs. 1 StGB nicht nur im Verhältnis zu Zueignungsdelikten gilt. Gemäß § 246 Abs. 1 darf man nur wegen Unterschlagung bestraft werden, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Da die Unterschlagung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren sanktioniert wird, muss das andere in Betracht kommende Strafgesetz eine Strafandrohung von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe vorsehen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es aber egal, ob es sich bei der anderen Tat auch um ein Zueignungsdelikt handelt. Vielmehr kommt jede Norm mit einer Strafandrohung von mehr als drei Jahren in Betracht. Damit verwarf der BGH ein Urteil des Kammergerichts Berlin, durch das der Angeklagte wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit in Tateinheit mit Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten zur Bewährung verurteilt wurde. Da das Kammergericht bei der Zumessung der Strafe ausdrücklich zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hatte, dass er zwei Straftatbestände verwirklicht hat, konnte der BGH eine niedrigere Freiheitsstrafe bei ordnungsgemäßer Anwendung der Konkurrenzen nicht ausschließen.

Strafvollzug / Unterbringung

Nichtrauchende Strafgefangene haben einen Anspruch in Gemeinschaftszellen mit Nichtrauchern untergebracht zu werden, es sei denn, sie stimmen der gemeinschaftlichen Unterbringung mit Rauchern ausdrücklich zu.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in seinem Beschluss vom 03.07.2014 1 Vollz (Ws) 135/14 entschieden, dass Strafgefangene, die nicht rauchen, einen Anspruch darauf haben, in einer Gemeinschaftszelle mit anderen Nichtrauchern untergebracht zu werden. Etwas anderes gilt nur, wenn vorher eine ausdrückliche Erklärung des Nichtrauchers eingeholt wird.

Damit gab das OLG Hamm einem Betroffenen Recht, der in der Justizvollzugsanstalt in Essen vier Tage in einer Gemeinschaftszelle untergebracht wurde, in der sich auch rauchende Mitgefangene aufhielten. Das OLG Hamm gab ihm nun Recht.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Eine Revisionshauptverhandlung darf nicht ohne die Anwesenheit des vom Angeklagten gewählten Verteidigers durchgeführt werden.

Mit seiner Verfügung vom 25.9.2014 - 2 StR 163/14 gab der Bundesgerichtshof (BGH) bekannt, dass Revisionshauptverhandlungen nicht mehr in Abwesenheit der Angeklagten und ihrer gewählten Verteidiger durchgeführt werden dürfen. Zukünftig soll der Wahlverteidiger, wenn er mitteilt, dass er nicht zur Hauptverhandlung erscheinen wird, in der Regel zum Pflichtverteidiger bestellt werden, um die Durchführung des Verfahrens zu sichern. Eine Verhandlung ohne den Verteidiger sei insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass die Revision zum BGH das einzige Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile der Landgerichte und Oberlandesgerichte ist, nicht mit Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vereinbar. Der Angeklagte könne nicht ohne jegliche Vertretung an einer womöglich folgenschweren Revisionshauptverhandlung teilnehmen, da er sein Recht auf rechtliches Gehör sonst jedenfalls faktisch nicht wahrnehmen könne.

Anwalt für Strafrecht: Strafverteidigung

Ein Strafverteidiger hat keinen grundsätzlichen Anspruch auf den Ausdruck einer kompletten e-Akte zum Zweck der sachgerechten Verteidigung, wenn ihm die komplette Akte auch dauerhaft in digitalisierter Form als Arbeitsgrundlage zur Verfügung steht.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat in einer kürzlich veröffentlichen Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass für einen Strafverteidiger zum Zweck der sachgerechten Verteidigung kein grundsätzlicher Anspruch auf den Ausdruck einer e-Akte besteht. Vielmehr sei es dem Verteidiger zuzumuten, sich zunächst mit Hilfe der e-Akte in den Sachverhalt einzuarbeiten und erst auf dieser Grundlage zu entscheiden, welche Aktenbestandteile auch in Papierform für die weitere Verteidigung benötigt werden. Die Dokumentenpauschale, über die Druckkosten ersetzt werden können, berechtige den Verteidiger nicht zum wahllosen Ausdruck aller überreichten Datenträger, sondern sei auf diejenigen digitalisierten Aktenteile beschränkt, die das Verfahren betreffen. Das OLG Düsseldorf verwies in seiner Pressemitteilung auf zwei Entscheidungen, in denen es sich mit unverhältnismäßigen Auslagen zu beschäftigen hatte. In einem Fall hatte es den geltend gemachten Vorschuss auf voraussichtlich entstehende Auslagen in Höhe von 67.262 € auf 14.044 € gekürzt.

Anwalt für Strafrecht: Strafvollzug

Eine Justizvollzugsanstalt muss einem Strafgefangenen auf sein Verlangen Unterwäsche und Socken für einen täglichen Wechsel bereitstellen, um dem vollzuglichen Ziel, dem Betroffenen die Eingliederung in das Leben in Freiheit zu erleichtern, nachzukommen.

In seinem Beschluss vom 14.08.2014 - 1 Vollz (Ws) 365/14 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm, dass einem Strafgefangenen auf sein Verlangen Unterwäsche und Socken für einen täglichen Wechsel bereitgestellt werden müssen. Die bisherige Praxis in einer westfälischen Justizvollzugsanstalt, dem Betroffenen wöchentlich vier Garnituren Unterwäsche und zwei Paar Socken zu stellen, sah das OLG Hamm als unzureichende Ausstattung mit Anstaltskleidung an, die auch eine unzureichende Körperhygiene zur Folge haben könne. Eine unzureichende Körperhygiene könne wiederum den Wiedereinstieg in das Arbeitsleben und soziale Kontakte mit Mitmenschen erschweren. Dies sei mit Blick auf das vollzugliche Ziel, dem Gefangenen zu helfen, sich nach der Haftentlassung wieder in das Leben in Freiheit einzugliedern, nicht vereinbar.

Insofern sei es geboten, dem Betroffenen mit einem täglichen Kleiderwechsel eine Angleichung an die allgemeinen Lebensverhältnisse zu ermöglichen.

Anwalt für Strafrecht: Bedrohung

Der Ausspruch "Du bist ein toter Mann" führt nicht zu einer tateinheitlichen Verurteilung wegen Bedrohung, wenn ihm neben der Tat kein eigenständiger Unrechtsgehalt mehr zukommt.

In seinem Beschluss vom 26. Juni 2014 - 2 StR 110/14 korrigierte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Erfurt dahingehend, dass der Angeklagte sich nicht des schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit Bedrohung strafbar gemacht hat. Dazu führte er aus, dass der Ausspruch "Du bist ein toter Mann" nicht zu einer eigenständigen Strafbarkeit führen kann, wenn ihr neben der Tat kein eigenständiger Unrechtsgehalt mehr zukommt. Dies war vorliegend der Fall, da der Angeklagte bei dem Diebstahl Gewalt angewandt hatte. Ob der Ausspruch im Kontext des Gesamtgeschehens tatsächlich als eine ernstzunehmende Bedrohung im Sinne des § 241 StGB gesehen werden konnte, konnte somit dahingestellt bleiben.

Anwalt für Strafrecht: Strafaussetzung zur Bewährung

Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten kann auch bei einem nicht vorbestraften Täter, der die Tat bereut und einsieht, nicht zur Bewährung ausgesetzt, sondern vollstreckt werden.

In seinem Beschluss vom 26.08.2014 - 3 RVs 55/14 bestätigte das OLG Hamm die Verurteilung eines Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Obwohl die Strafe unter zwei Jahren liegt, wurde sie nicht zur Bewährung ausgesetzt. Dies sei nach Ansicht des Gerichts zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten. Der Angeklagte hatte im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit eine Kollision mit einem Radfahrer verursacht, bei der der Radfahrer ums Leben kam. Der Radfahrer war verheiratet und hatte drei Kinder. Obwohl der Angeklagte sozial integriert ist, die Tat bereut und gestanden hat und vorher weder verkehrs- noch strafrechtlich aufgefallen war, setzte das Gericht die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung aus. Dies sei insbesondere im Hinblick auf die herausragend schweren Folgen für den Getöteten und seine nahen Angehörigen, die das Maß der absoluten Fahruntüchtigkeit weit übersteigende Alkoholisierung des Angeklagten, sowie die festgestellte aggressive Fahrweise in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat trotz der zahlreichen mildernden Umstände gerechtfertigt.

Sexualstrafrecht / Missbrauch von Jugendlichen

Der Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 3 StGB steht nicht entgegen, dass sich das Opfer gegen die sexuellen Übergriffe des Täters sträubt und diesen bittet, damit aufzuhören. Denn einer einverständlich vorgenommenen sexuellen Handlung bedarf es nicht.

In seinem Beschluss vom 24.07.2014 - 3 StR 286/14 setzte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage auseinander, ob zur Erfüllung des Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen erforderlich ist, dass das Opfer einen entgegenstehenden Willen hat oder nicht. In der Literatur wird teilweise gefordert, dass das Merkmal des Ausnutzens nur durch einverständlich vorgenommene sexuelle Handlungen erfüllt werden kann. Der BGH hält eine solch einschränkende Auslegung der Vorschrift jedoch nicht für richtig. Vielmehr sei ein Ausnutzen auch gegeben, wenn das jugendliche Opfer seinen noch unterentwickelten entgegenstehenden Willen nicht verwirklichen oder aufgrund der Dominanz des Täters nicht durchsetzen könne. Insofern sei nicht erforderlich, dass der Jugendliche infolge seiner fehlenden Selbstbestimmung überhaupt keinen entgegenstehenden Willen entwickeln könne. Auch das Überspielen des zwar gebildeten, aber infolge von Reifemängeln nicht durchsetzbaren Willens, stelle eine Fremdbestimmung im Sinne des § 182 Abs. 3 StGB dar.

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Ein sogenannter Wunderheiler, der sich auf Pendeln, Handauflegen und Fernheilung spezialisiert, macht sich nicht wegen Betruges strafbar, da es schon an der erforderlichen Täuschungshandlung fehlt.

In seinem Urteil vom 12.06.2014 - 507 Cs 402 Js 6823/11 sprach das Amtsgericht Gießen einen sogenannten Wunderheiler vom Vorwurf des Betruges frei. Der Angeklagte behandelte seine Patienten mit Hilfe eines Pendels, Handauflegen und Fernheilung. Eine Täuschungshandlung sah das Gericht darin nicht, da der Angeklagte gegenüber seinen Patienten gerade nicht angab, Arzt oder geprüfter und zugelassener Heilpraktiker zu sein. Zudem könne auch der Umstand, dass der Angeklagte damit warb, Krankheiten mittels seiner geistigen Kräfte heilen zu können, nicht zu einer Strafbarkeit wegen Betruges führen. Dazu fehle es schon am Täuschungsvorsatz, weil der Angeklagte an seine entsprechenden übersinnlichen Fähigkeiten glaubte. Das Gericht verglich den Wunderheiler mit einem Schulmediziner, der durch das Inaussichtstellen einer Heilung lediglich Zuversicht verbreitet und sich nicht wegen Betruges strafbar macht, auch wenn die Behandlung am Ende erfolglos bleibt.

Anwalt für Strafrecht: Geldfälschung

Wer mit Falschgeld bezahlt macht sich nur dann einer Geldfälschung nach § 146 StGB strafbar, wenn er das Falschgeld selbst nachgemacht oder verfälscht oder es sich in der Absicht verschafft hat, es als echt in den Verkehr zu bringen.

Mit seinem Beschluss vom 22.7.2014 - 3 StR 314/14 korrigierte der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Koblenz dahingehend, dass sich der Angeklagte nicht der Geldfälschung, sondern lediglich des Inverkehrbringens von Falschgeld gemäß § 147 StGB schuldig gemacht hat. Der Angeklagte hatte mit einem gefälschten 20-Euro-Schein Getränke in einer Bar bezahlt und sich das Wechselgeld herausgeben lassen.

Da es keine Anhaltspunkte dafür gab, dass der Angeklagte die Scheine selbst hergestellt hat, hielt die Verurteilung wegen Geldfälschung gemäß § 146 Abs. 1 StGB rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn der bloße Besitz von Falschgeld erfüllt nach den Ausführungen des BGH nicht das Merkmal des Sich-Verschaffens. Dieses umschreibe vielmehr einen über den reinen Besitz hinausgehenden Erwerbsvorgang, in dem der Täter eigene Verfügungsgewalt über das Falschgeld begründen müsse. In jedem Fall müsse jedoch eine Verurteilung wegen Geldfälschung zumindest Feststellungen darüber enthalten, dass der Angeklagte bei der Erlangung der Verfügungsgewalt über das Falschgeld die Absicht hatte, es als echt in den Verkehr zu bringen. Das Landgericht hatte jedoch weder Feststellung dazu getroffen hat, wie und wann der Angeklagte das Falschgeld erlangt hatte weder hatte es Ausführungen zur Absicht des Angeklagten gemacht, sodass lediglich eine Verurteilung wegen des Inverkehrbringens von Falschgeld gemäß § 147 StGB in Betracht kam.

Anwalt für Strafrecht: Nötigung

Der Tatbestand der vollendeten Nötigung ist nicht erfüllt, wenn das Opfer nicht aufgrund der eingesetzten Gewalt, sondern aus Angst vor dem flüchtigen Täter von dessen Verfolgung ablässt.

Für die Strafbarkeit wegen vollendeter Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB kommt es entscheidend darauf an, dass das Opfer aufgrund der Druckwirkung des Nötigungsmittels die vom Täter angestrebte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat. Dies führte der BGH in seinem Beschluss vom 30.7.2014 - 4 StR 270/14 aus, bei dem er ein Urteil des Landgerichts dahingehend berichtigte, dass der Angeklagte sich nicht wegen einer vollendeten, sondern lediglich wegen versuchter Nötigung strafbar gemacht hat.

Der Angeklagte hatte einen Ladendiebstahl begangen und wurde daraufhin von dem Geschädigten verfolgt und festgehalten. Er konnte sich jedoch befreien und verließ zunächst das Lokal. Als er plötzlich wieder dort auftauchte, schlug er dem Geschädigten eine Flasche an den Kopf, um diesen von einer weiteren Verfolgung abzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Geschädigte aber aus Angst vor dem Angeklagten schon von dessen Verfolgung abgesehen. Da der Geschädigte seinen Entschluss nicht unter der Einwirkung des Schlages, sondern schon vorher gefasst hatte, kam insofern nur eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchter Nötigung in Betracht. Denn der Schlag mit der Flasche war darauf gerichtet, dem Geschädigten ein Verhalten (hier Unterlassen der Verfolgung) abzuzwingen, das über das Erdulden der Körperverletzung hinausging.

Anwalt für Strafrecht: Fehlschlag des Versuchs

Versucht der Täter bei seinem Opfer mittels eines Elektroschockers einen Stromschlag auszulösen und gelingt ihm dies aus technischen Gründen nicht, so liegt insbesondere dann kein Fehlschlag des Versuchs der gefährlichen Körperverletzung vor, wenn der Täter den Verletzungserfolg noch mit anderen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln (hier Pfefferspray) herbeiführen kann.

In seinem Beschluss vom 6.5.2014 - 3 StR 134/14 hob der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Kleve auf, durch das der Angeklagte unter anderem wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde. Dem lag ein Wohnungseinbruchsdiebstahl des Angeklagten zugrunde, bei dem er sein Opfer versuchte mit einem Elektroschocker zu verletzen, was ihm jedoch aufgrund des in dem Gerät fehlenden Sicherheitsstiftes nicht gelang. Das Landgericht nahm einen Fehlschlag des Versuchs mit der Folge an, dass dem Angeklagten der Rücktritt vom Versuch verwehrt blieb.

Der BGH bewertete dies als rechtsfehlerhaft. Dem Angeklagten sei es zwar aus technischen Gründen nicht gelungen, einen Stromstoß auszulösen. Daraus folge aber nicht zwingend der Fehlschlag des Versuchs, da der Angeklagte ersichtlich noch nicht alles getan habe, um den Körperverletzungserfolg herbeizuführen. Insbesondere trug er bei dem Einbruchsdiebstahl ein Pfefferspray dabei, mit dem er den Körperverletzungserfolg des Opfers hätte herbeiführen können. Dass der Angeklagte aus irgendwelchen Gründen daran gehindert war dieses einzusetzen, belege das Urteil des Landgerichts jedoch nicht. Insofern liege kein Fehlschlag des Versuchs vor.

Strafprozessrecht / Zeugnisverweigerungsrecht

Von dem Umstand, dass Eltern zu dem Alibi ihres angeklagten Sohnes zunächst schweigen und erst später eine entlastende Aussage hierzu machen, darf das Gericht nicht auf den Wahrheitsgehalt der Aussage schließen.

In seinem Beschluss vom 20.3.2014 - 3 StR 353/13 hob der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Stralsund auf, durch das der Angeklagter unter anderem wegen Brandstiftung verurteilt wurde. Grundlage der Verurteilung war ein von den Eltern des Angeklagten eingebrachtes Alibi, das das Landgericht aufgrund des Aussageverhaltens der Eltern als Falschaussage bewertete.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es jeglicher Lebenserfahrung widerspräche, wenn Eltern einen entlastenden Umstand gegenüber den Strafverfolgungsbehörden verschweigen und ihren Sohn dadurch über sechs Monate in Untersuchungshaft verbringen lassen würden.

Der BGH beanstandete diese Würdigung als rechtsfehlerhaft, da die Eltern eines Angeklagten gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht zur Aussage verpflichtet sind. Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts werde nicht gewährleistet, wenn der verweigerungsberechtigte Zeuge die Prüfung und Bewertung seines Aussageverhaltens befürchten müsse. Nach Ansicht des BGH dürfen demnach weder aus der durchgehenden noch aus der nur anfänglichen Zeugnisverweigerung nachteilige Schlüsse für den Angeklagten gezogen werden.

Anwalt für Strafrecht: Geiselnahme

Für die Strafbarkeit wegen Geiselnahme nach § 239b StGB ist es nicht ausreichend, dass die Drohung mit dem Tod gleichzeitig dazu dient, sich des Opfers zu bemächtigen und es zu weiteren Handlungen zu nötigen.

In seinem Beschluss vom 27.5.2014 - 2 StR 606/13 beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem mit den Voraussetzungen der Geiselnahme nach § 239b StGB. Der Angeklagte hatte die Geschädigte in seine Wohnung gelockt und ihr bei dem Versuch, die Wohnung zu verlassen, mit dem Tode gedroht, falls sie nicht mitmache. Sodann zwang er sie sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen.

Unter Beachtung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung des § 239b StGB im Zwei-Personen-Verhältnis erfüllt dieses Verhalten nach Ansicht des BGH jedoch nicht den Tatbestand der Geiselnahme. Vielmehr komme der erforderlichen Bemächtigungssituation nicht die vorausgesetzte eigenständige Bedeutung zu, wenn die Drohung mit dem Tod gleichzeitig dazu diene sich des Opfers zu bemächtigen und es zu weiteren Handlungen zu nötigen. Die abgenötigten Handlungen würden in diesem Fall ausschließlich durch die Drohung durchgesetzt, ohne dass es entscheidend auf die Bedeutung der Bemächtigungssituation ankäme. Dass vor dieser Drohung durch ein etwaiges Verschließen der Tür bereits eine stabile Bemächtigungslage bestanden habe, sei aufgrund des ohne erkennbare Zwischenschritte aufeinanderfolgenden Tatablaufs nicht anzunehmen.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Fühlt sich ein Vater von seinem schreienden Säugling gestört und versetzt ihm daraufhin zwei kräftige und für den Säugling tödliche Faustschläge auf den Oberkörper, so stellt dies einen Mord aus niedrigen Beweggründen dar.

Mit seinem Beschluss vom 8. Juli 2014 – 2 StR 195/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Verurteilung eines Vaters wegen Mord aus niedrigen Beweggründen zu einer lebenslangen Haftstrafe bestätigt. Der damals 24-jährige Vater fühlte sich durch das Schreien seines Sohnes bei dem Versuch, ungestört eine DVD anzusehen, gestört. Nachdem die Beruhigungsversuche des Angeklagten gescheitert waren und sich der Säugling zudem auf dem T-Shirt des Angeklagten erbrochen hatte, wurde dieser wütend. Er versetzte dem Kind zwei kräftige Faustschläge auf den Oberkörper, die zu Zerreißungen an Herz und Leber führten. Dies stellt nach der nun vom BGH bestätigten Ansicht des Landgerichts einen Mord aus niedrigen Beweggründen dar, da das Verhalten des Angeklagten von einem besonders krassen Missverhältnis zwischen Anlass und Tathandlung geprägt ist.

Anwalt für Strafrecht: Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln

Wer bei einem Drogengeschäft den Kontakt zwischen Verkäufer und Käufer herstellt, seine Wohnung für die Abwicklung des Geschäfts bereitstellt und dafür mit der Überlassung von Marihuana belohnt wird, macht sich lediglich wegen Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln strafbar.

In seiner Entscheidung vom 27.3.2014 - 4 StR 20/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut ein Urteil aufgehoben, das Mängel hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme beim unerlaubten Handeltreiben von Betäubungsmittel aufwies.

Dazu führte der BGH aus, dass Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart erbringt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Wesentliche Anhaltspunkte für eine Mittäterschaft bei der Vermittlung eines Drogengeschäfts sind etwa der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft des Handelnden.

Vermittelt der Handelnde jedoch nur ein fremdes Umsatzgeschäft, indem er den Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer herstellt, so liegt lediglich eine Beihilfe an dem Betäubungsmittelgeschäft vor. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gehilfe keinen eigenen Einfluss auf die verkaufte Menge und deren Preis hat. Auch den Umstand, dass der Angeklagte zur Abwicklung des Geschäfts seine Wohnung bereitstellte und für diese mit der Überlassung von Marihuana entlohnt wurde, vermochte den BGH nicht von einem besonderen eigenen Interesse an der Tat zu überzeugen. In diesem Fall liegt demnach keine Mittäterschaft, sondern lediglich eine Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vor.

Strafprozessrecht / Zeugnisverweigerungsrecht eines Rechtsanwalts

Werden Telefongespräche zwischen Verteidigern und Beschuldigten aufgezeichnet, so müssen diese unverzüglich gelöscht werden, auch wenn sie zunächst nur der Anbahnung eines Mandatsverhältnisses dienen.

In seiner Entscheidung vom 18.2.2014 - StB 8/13 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die im Rahmen einer Überwachung aufgezeichneten Telefongespräche zwischen Verteidiger und Mandant der Pflicht zur sofortigen Löschung unterliegen.

Aufgrund des für den Verteidiger bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts, dürfen auch die durch Überwachung gewonnen Erkenntnisse nicht verwertet werden, § 160 Abs. 1 S. 2 StPO. Dies gilt nach Ansicht des BGH auch dann, wenn zwischen dem Beschuldigten und dem Rechtsanwalt noch kein Mandatsverhältnis besteht. Denn das berufsbezogene Vertrauensverhältnis beginne nicht erst mit dem Abschluss des zivilrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrages, sondern bestehe schon in dem entsprechendem Anbahnungsverhältnis.

Ein Beschuldigter, der auf der Suche nach einem Rechtsanwalt ist, bringe diesem typischerweise das Vertrauen entgegen, dass der Inhalt der Gespräche vertraulich behandelt wird. Ob danach ein Verteidigungsverhältnis entsteht oder nicht, sei für den Beschuldigten erst einmal irrelevant. Nach Ansicht des BGH muss deswegen die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates zur bestmöglichen Erforschung der Wahrheit uneingeschränkt hinter dem Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Beschuldigtem zurücktreten. Dies habe der Gesetzgeber mit Einführung des absoluten Erhebungs- und Verwendungsverbotes nach § 160a Abs. 1 StPO deutlich gemacht.

Anwalt für Strafrecht:Urkundenfälschung

Wer den Erhalt einer Sendung auf einem digitalen Gerät eines Paketzustellers unerlaubt mit der Unterschrift des eigentlichen Empfängers quittiert, macht sich keiner Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB strafbar.

In seiner Entscheidung vom 1.10.2013 - 1 RVs 191/13 beschäftigte sich das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit der Frage, ob eine Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB vorliegt, wenn der Erhalt eines Pakets auf einem digitalen Lesegerät des Paketzustellers unerlaubt mit der Unterschrift des eigentlichen Empfängers quittiert wird.

Das Gericht lehnte dies mit der Begründung ab, dass durch die digitale Unterschrift keine unechte Urkunde hergestellt wird. Dazu fehle es an der erforderlichen verkörperten Gedankenerklärung, da eine digitales Dokument grundsätzlich nicht auf einem Material dauerhaft verkörpert sei, solange es nur im Speicher oder auf dem Bildschirm des Geräts existiere.

Auch ein Ausdruck einer solchen archivierten digitalen Unterschrift ändere daran nichts, weil der Ausdruck selbst nur eine Kopie eines elektronisch gespeicherten Dokuments darstelle. Eine Kopie erfüllt nach ständiger Rechtsprechung jedoch mangels Urkundenqualität nicht die Anforderungen an das Herstellen einer unechten Urkunde.

Anwalt für Strafrecht: Besorgnis der Befangenheit

Wegen Besorgnis der Befangenheit kann ein Richter nicht allein aufgrund einer Äußerung seiner Rechtsansicht abgelehnt werden, es sei denn die Äußerung legt nahe, dass der Richter in dieser Frage bereits endgültig festgelegt ist.

In seiner Entscheidung vom 4.2.2014 - 3 StR 243/14 äußerte sich der Bundesgerichtshof zu der Ablehnung einer seiner Richter wegen Besorgnis der Befangenheit.

Dazu führte er aus, dass Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein Verfahrensbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln. Solche Zweifel würden in der Regel nicht dadurch begründet, dass ein Richter seine Rechtsansicht in einem Fachkommentar oder einer Zeitschrift äußert. Schließlich könne von einem Richter erwartet werden, dass er unvoreingenommen an einen Fall herantritt, auch wenn er sich vorher über rechtserhebliche Fragen ein Urteil gebildet hat.

Nur wenn die Äußerung des Richters die Annahme nahe legt, dieser sei in der betreffenden Rechtsfrage bereits endgültig festgelegt, müsse etwas anderes gelten. Dabei spiele es keine Rolle, ob sich die betreffende Rechtsansicht im Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten auswirkt. Vielmehr müsse eine Gesamtwürdigung der Äußerung hinsichtlich ihres Inhalts, ihrem Rahmen, dem Adressatenkreis und auch dem sachlichen und zeitlichen Bezug zu dem anhängigen Verfahren vorgenommen werden.

Der BGH bestätigte damit die Selbstanzeige einer seiner Richter wegen Besorgnis der Befangenheit. Dieser hatte aus persönlichen Gründen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 89a StGB geäußert, der die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat sanktioniert.

Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung

Das Inbrandsetzen einer Deckenverkleidung stellt nur dann eine Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB dar, wenn sie derart mit der Decke verbunden oder in sie eingearbeitet ist, dass sie als ihr Bestandteil nicht entfernt werden kann, ohne dass hierdurch das Gebäude selbst beeinträchtigt wird.

Eine Brandstiftung im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB kann auch schon dann vorliegen, wenn ein Gebäude nicht ganz, sondern lediglich teilweise zerstört ist. Ob eine solche schon angenommen werden kann, wenn die Holzdecke des Schlafzimmers von einem Brand erfasst wird, beantwortete der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 14.11.2013 - 3 StR 336/13. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gebäude in Brand gesetzt, wenn es so vom Feuer erfasst ist, dass es selbstständig ohne Fortwirken des Zündstoffs weiter brennt, wobei es auch ausreichend ist, dass sich der Brand auf ein Teil des Gebäudes ausbreitet, dass für dessen bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist. Dabei wird eine Zimmerdecke regelmäßig als wesentlicher Gebäudeteil angesehen. In dem zu verhandelnden Fall hatte der Angeklagte aber lediglich den Brand Deckenverkleidung herbeigeführt. Eine Deckenverkleidung stellt nach Ausführungen des BGH jedoch nur dann einen wesentlichen Gebäudeteil dar, wenn sie so mit der Decke verbunden oder in sie eingearbeitet ist, dass sie als Bestandteil der Decke nicht entfernt werden kann oder das Bauwerk selbst beeinträchtigt wird. Da dazu allerdings keine Feststellungen getroffen wurden, verneinte das Gericht eine Brandstiftung.

Strafprozessrecht / Belehrungspflicht

Auch wenn bei einem Auffahrunfall bereits aufgrund der Tatsache des Auffahrens gegen den Hintermann der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit bestehen kann, begründet dieser allgemeine Verdacht nicht zwingend die Verpflichtung den Auffahrenden bei der ersten Befragung über seine Rechte als Beschuldigter zu belehren.

Gibt der Beschuldigte nach einem Auffahrunfall gegenüber dem am Unfallort anwesenden Polizisten an, „wohl kurz eingeschlafen“ zu sein, so ist diese Angabe nicht wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht der §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 StPO über das Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten unverwertbar. Dies entschied das Landgericht (LG) Gießen mit seinem Beschluss vom 09.12.2013 - 7 Qs 196/13.

Nach den Vorschriften über die Belehrungspflicht muss dem Beschuldigten bei Beginn der ersten Vernehmung eröffnet werden, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und dass es ihm freisteht, sich zur Beschuldigung zu äußern oder nicht auszusagen. Verlangt der zur Unfallaufnahme eingesetzte Beamte bei der Erstbefragung am Unfallort Auskunft über den Unfallhergang, so ist darin zwar eine Vernehmung zu sehen; allerdings ist der Beschuldigte zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend Beschuldigter im Sinne der Vorschriften, so das LG Gießen. Auch bei einem Auffahrunfall, bei dem bereits aufgrund der Tatsache des Auffahrens der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit gegen den Hintermann bestehen könne, begründe dieser allgemeine Verdacht noch keine Verpflichtung des Vernehmungsbeamten zur Belehrung des Auffahrenden. Vielmehr dient die erste Befragung, aufgrund des zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklaren Unfallverlaufs, nach Ansicht des Gerichts zunächst der Informationsgewinnung und der Klärung, ob sich der allgemeine Verdacht bis zum Grad der naheliegenden Möglichkeit erhärten lässt. Ein missbräuchliches Verhalten, durch das der Zeitpunkt der Belehrung möglichst weit hinausgeschoben werde, sei in dieser Informationsgewinnung jedoch nicht zu sehen.

Anwalt für Strafrecht: Kinderpornografie

Das Herunterladen von kinderpornografischen Dateien bei einem sogenannten Filesharing-Client wie beispielsweise Emule erfüllt nicht den Tatbestand des Verbreitens, sondern den des Öffentlichmachens von kinderpornografischen Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB.

In seinem Beschluss vom 12.11.2013 - 3 StR 322/13 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar, dass das Herunterladen von Dateien mit einem sogenannten Filesharing-Client wie Emule den Tatbestand des öffentlichen Zugänglichmachens von kinderpornografischen Schriften erfüllt. Ein öffentliches Zugänglichmachen ist bereits schon dann zu bejahen, wenn dem Adressaten die Möglichkeit des Zugriffs eröffnet wird.

Dies ist nach Ansicht des BGH bei einem Filesharing-Client der Fall, da die Dateien beim Herunterladen gleichzeitig anderen Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Ob aber tatsächlich auf sie zugegriffen wurde, spielt im Gegensatz zur Tatalternative des Verbreitens von kinderpornografischen Schriften, bei der ein tatsächlicher Lesezugriff erforderlich ist, keine Rolle. Für das Verbreiten muss hingegen die übertragene Datei entweder auf einem permanenten Medium gespeichert oder im Arbeitsspeicher des Rechners angekommen sein, was zumindest für die letzten Alternative einen tatsächlichen Zugriff erfordert.

Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung

Entstehen durch die Inbrandsetzung eines Wohnbungalows erhebliche Rußschäden und Putzabplatzungen im Schlafzimmer, so lässt dies für sich allein genommen nicht auf eine teilweise Zerstörung des Gebäudes im Rahmen der besonders schweren Brandstiftung schließen.

In seinem Urteil vom 14.11.2013 - 3 StR 336/13 beschäftigte sich der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem mit der Frage, ob die infolge einer Brandstiftung entstandenen erheblichen Rußschäden und Putzabplatzungen im Schlafzimmer eines Bungalows die Strafbarkeit wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 StGB begründen können.

Dazu führte er aus, dass für eine teilweise Zerstörung im Sinne des Tatbestands grundsätzlich ausreichend ist, wenn lediglich ein Zimmer eines Einfamilienhauses zerstört wird. Allerdings müsse das Tatobjekt infolge der brandbedingten Einwirkung eine seiner Zweckbestimmungen nicht mehr erfüllen können. Dies sei bei einem Wohnhauses der Fall, wenn ein wichtiger Zweck, wie beispielsweise der des Aufenthaltes, der Nahrungsversorgung oder des Schlafens, durch die brandbedingte Unbenutzbarkeit vereitelt werde.

Die Unbewohnbarkeit eines Zimmer sei für sich allein genommen hingegen nicht ausreichend. Demzufolge wertete der BGH die Feststellung von Rußschäden und Putzabplatzungen im Schlafzimmer nicht als hinreichenden Beleg dafür, dass das Schlafzimmer für seine Bewohner nicht mehr in zumutbarer Weise als Schlafstätte genutzt werden kann und verneinte somit eine Brandstiftung.

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung

Wer an einem nicht zugelassenen Fahrzeug ein falsches amtliches Kennzeichen anbringt und sich damit in den öffentlichen Straßenverkehr begibt, macht sich einer Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB strafbar.

In seinem Beschluss vom 28.01.2014 - 4 StR 528/13 führt der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem aus, dass die Entwendung eines amtlichen Kennzeichens und das anschließende Anbringen dieses Kennzeichens am eigenen, nicht zugelassenen Auto eine Urkundenfälschung nach § 276 Abs. 1 StGB darstellt. Durch die Nutzung des mit falschen amtlichen Kennzeichens versehenen Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr, werde anderen Verkehrsteilnehmern die Wahrnehmung des angebrachten Kennzeichens ermöglicht. Der Fahrer mache demnach von einer unechten zusammengesetzten Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1, 3. Alt. StGB Gebrauch, auch wenn er das Fahrzeug lediglich kurz vor einem Gebäude im öffentlichen Straßenverkehr abstelle. Denn durch das Anbringen des falschen Kennzeichens wird nach Ansicht des BGH eine unechte Urkunde hergestellt, von der durch das anschließende Führen des Fahrzeugs im Straßenverkehr Gebrauch gemacht wird. Damit sei der Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt.

Strafprozessrecht / Rechtsmittelverzicht

Ein Rechtsmittelverzicht wird weder durch den Umstand, dass der Angeklagte vor seiner Erklärung keine Rücksprache mit seinem Verteidiger gehalten hat, noch durch mangelnde Deutschkenntnisse unwirksam.

In seinem Beschluss vom 24.2.2014 - 1 StR 40/14 hat der Bundesgerichtshof (BGH) Ausführungen zur Wirksamkeit eines vom Angeklagten erklärten Rechtsmittelverzichts gemacht. Diesem stehe nicht entgegen, dass der Angeklagte vor seiner Erklärung keine Rücksprache mit seinem Verteidiger gehalten habe. Zwar ist nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass dem Angeklagten regelmäßig die Gelegenheit gegeben werden muss, sich mit seinem Verteidiger zu besprechen oder dass dieser die Möglichkeit haben muss, seinen Mandanten zu beraten. Solange allerdings Verteidiger und Mandant nicht zu erkennen geben, dass die Frage des Verzichts noch miteinander erörtert werden soll, so ist der Rechtsmittelverzicht grundsätzlich wirksam, entschied das Gericht. Auch mangelnde Deutschkenntnisse des Angeklagten seien regelmäßig unerheblich, wenn ein Dolmetscher anwesend sei und dieser dem Angeklagten die Belehrung des Richters über den Rechtsmittelverzicht übersetze. In diesen Fällen wisse der Angeklagte, dass er über die Anfechtung eines Urteils entscheide. Ferner sei der Einwand, es habe sich um eine wütende Spontanäußerung gehandelt, unerheblich, da auch der in emotionaler Aufgewühltheit erklärte Rechtsmittelverzicht wirksam sei.

Anwalt für Strafrecht: Straßenverkehrsrecht

Für das Führen einer Kutsche unter Alkoholeinfluss gelten die gleichen Grenzwerte wie für das Führen eines Kraftfahrzeugs, womit die absolute Fahruntüchtigkeit auch für Kutscher bei einem Wert von 1,1 Promille erreicht ist.

In seinem Urteil vom 25.02.2014 - 1 Ss 204/13 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg, dass der Wert der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 ‰ nicht nur für Kraftfahrer, sondern auch für Kutscher gilt.

Das Gericht begründete dies damit, dass sich das Pferd grundsätzlich auf den Fahrer verlasse und an diesen daher hohe Anforderungen zu stellen seien. Auswirkungen von Alkoholkonsum, wie mangelnde Aufmerksamkeit oder Leistungsfähigkeit, könne sich ein Kutscher nicht erlauben, da im Straßenverkehr jederzeit mit plötzlichen und unerwarteten Ereignissen gerechnet werden müsse. Dass eine Kutsche deutlich langsamer fahre als ein Pkw, spiele hierfür keine entscheidende Bedeutung. Schließlich gelte die 1,1 ‰ Regelung auch für langsamer fahrende Kraftfahrzeuge wie beispielsweise Mofas.

Straßenverkehrsrecht / Geschwindigkeitsverstoß

Befährt ein Kraftfahrer die Autobahn mit über 25 % der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, so liegt darin keine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung, bei der automatisch von einer vorsätzlichen Begehungsweise ausgegangen werden kann.

Mit seinem Beschluss vom 28.10.2013 - 322 SsRs 280/13 hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 % über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht zwingend impliziert, dass der Betroffene Kenntnis von dieser hat und somit vorsätzliches Handeln vorliegt.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen zuvor wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 26 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 € verurteilt und dabei von der Geschwindigkeitsüberschreitung auf den Vorsatz des Betroffenen geschlossen. Dazu stellte es den Erfahrungssatz auf, dass der Betroffene bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 25 % anhand der Fahrgeräusche und der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändere, ohne Weiteres zuverlässig schätzen und erkennen könne, dass er die erlaubte Geschwindigkeit wesentlich überschreite.

Dem trat das OLG entgegen und zeigte auf, dass die Rechtsprechung bei Überschreitungen von ca. 40 % eine vorsätzliche Begehungsweise annimmt. Bei niedrigen Überschreitungen würden hingegen weitere Indizien herangezogen werden müssen, um eine vorsätzliche Begehungsweise rechtfertigen zu können. Als Beispiel führte das Gericht das Vorliegen mehrerer Geschwindigkeitsüberschreitungen in engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang an.

Anwalt für Strafrecht: Amtsanmaßung

Wer im Straßenverkehr unzulässigerweise Blaulicht verwendet und damit den objektiven Eindruck vermittelt, er sei ein Polizist im Diensteinsatz, macht sich einer Amtsanmaßung nach § 132 StGB strafbar.

In seinem Beschluss vom 26.09.2013 - 32 Ss 110/13 bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Celle die erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Hannover, das den Angeklagten wegen Amtsanmaßung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt hatte. Der Angeklagte war mit seinem silberfarben lackierten Pkw, an dessen Fahrzeugseite jeweils blaue Streifen angebracht waren, in der Stadt unterwegs und benutze während der Fahrt mehrfach Blaulicht, um andere Verkehrsteilnehmer zum Abstand zu mahnen und abzuschrecken.

Das OLG führte dazu aus, dass es für eine Strafbarkeit wegen Amtsanmaßung nicht darauf ankommt, dass sich der Täter persönlich als Amtsträger ausgibt. Vielmehr sei ausreichend, wenn sich das Verhalten des Täters aus der Sicht eines objektiven Beobachters als hoheitliches Handeln darstelle und daher mit einer rechtmäßigen Amtshandlung verwechselt werden könne. Dies sei bei der Verwendung von Blaulicht aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung grundsätzlich der Fall. Demnach hätte es bei dem vom OLG zu verhandelnden Sachverhalt besonderer Umstände bedurft, die diese hoheitliche Verwendung ausnahmsweise hätten ausschließen können. Dadurch, dass das Auto des Angeklagten jedoch silbergrau lackiert und mit blauen Streifen an der Seite versehen war, wurde der Eindruck eines Polizeifahrzeuges zusätzlich verstärkt.

Auch der Umstand, dass ein Zeuge (der Polizeioberkommissar ist) das Fahrzeug nicht als Polizeiwagen eingestuft hat, wertete das OLG als unerheblich. Vielmehr sei das Verhalten des Angeklagten hier objektiv zu einer Verwechslung mit hoheitlichem Handeln geeignet gewesen, sodass es auf den Eindruck des einzelnen Verkehrsteilnehmers nicht ankomme.

Strafprozessrecht / Akteneinsicht des Verteidigers

Ein Verteidiger hat grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anfertigung und Überlassung von Kopien einer im Rahmen von Telefonüberwachung gespeicherten Audiodatei.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt entschied mit Beschluss vom 13. August 2013 - 3 Ws 897/13, dass ein Verteidiger keinen Anspruch darauf hat, die anlässlich einer Telefonüberwachung angefertigten Tonaufnahmen in einem abspielbaren Format auf DVD kopiert zu bekommen, damit diese ihm im Wege der Akteneinsicht zur Verfügung gestellt werden können.

Bei den Aufzeichnungen handele es sich um Augenscheinsobjekte, die als Beweismittel, anders als die Akte, grundsätzlich nicht dem Verteidiger zu überlassen seien. Vielmehr habe dieser das Recht, Aufzeichnungen einer Telefonüberwachung gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Dolmetschers und im Beisein des Beschuldigten auf der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft oder auf einer Polizeidienststelle abzuhören. Daraus ergibt sich nach Ansicht des OLG jedoch kein weitergehender Anspruch der Verteidigung auf Erstellung von Kopien der gesamten Audioaufzeichnungen und gegebenenfalls Umwandlung in ein bestimmtes Dateiformat.

Lediglich in Ausnahmefällen könne dem Verteidiger ein solcher Anspruch zugebilligt werden. Dazu müsse eine bloße Besichtigung der Beweisstücke zu Informationszwecken aufgrund besonderer tatsächlicher Umstände nicht ausreichend erscheinen. Eine solche Notwendigkeit, die die Herstellung einer Kopie der Audioaufzeichnungen rechtfertigen, würden in dem zu entscheidenden Fall nach Ansicht des OLG jedoch nicht vorliegen.

Anwalt für Strafrecht: Brandstiftungsdelikte

Wer eine Geschwindigkeitsmessanlage in Brand setzt, macht sich nicht wegen Brandstiftung, sondern wegen Sachbeschädigung strafbar, da durch das Inbrandsetzen der Messanlage in der Regel nur ihrem Eigentümer geschadet und kein sonstiges Rechtsgut beeinträchtigt wird.

Das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit seinem Urteil vom 18.10.2013 - 1 Ss 6/13 entschieden, dass das Inbrandsetzen einer Geschwindigkeitsmessanlage aufgrund der in der Regel fehlenden Gemeingefährlichkeit lediglich eine Sachbeschädigung darstellt. Der Angeklagte war in der Berufungsinstanz wegen Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden. Diese Entscheidung hob das OLG nun in der Revision auf und stellte darauf ab, dass das Inbrandsetzen eines Blitzers nicht generell gemeingefährlich sei.

Für die Gemeingefährlichkeit einer Handlung komme es auf ihre generelle Eignung an, nicht nur den Messanlageneigentümer zu schädigen, sondern auch sonstige Rechtsgüter zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich aus der erheblichen Strafandrohung, die bei einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren liegt. Da das Tatgericht jedoch keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob auch eine generelle Gefahr für sonstige Rechtsgüter bestand, durfte in diesem Fall lediglich eine Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung nach § 303 StGB angenommen werden.

Betäubungsmittelstrafrecht / Bewaffnetes Handeltreiben

Allein die Feststellung, dass sich auf dem Wohnzimmerschrank zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmte Drogen und in der aufklappbaren Wohnzimmercouch ein griffbereit liegendes Fahrtenmesser mit einer abgebrochenen Spitze befinden, rechtfertigt die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht.

Der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stellt das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung von Schusswaffen oder Gegenständen unter Strafe, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind. Für das Merkmal des Mitführens kommt es darauf an, dass der Täter den gefährlichen Gegenstand bei Begehung der Tat bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich dessen jederzeit bedienen kann.

Allein die Feststellung, dass sich in der Wohnung des Angeklagten unter anderem auf dem Wohnzimmerschrank zu gewinnbringendem Weiterverkauf bestimmte Drogen und in der aufklappbaren Wohnzimmercouch ein griffbereit liegendes Fahrtenmesser mit einer abgebrochenen Spitze befinden, lege die Annahme eines Bewusstseins von einer jederzeitigen Gebrauchsbereitschaft jedoch nicht zwingend nahe. Vielmehr, so führt es der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom 8. Januar 2014 - 5 StR 542/13 aus, müssen genauere Feststellungen dazu getroffen werden, wem das Messer gehört und von wem es aus welchen Gründen in der Couch abgelegt wurde. Darüber hinaus seien auch Feststellungen dazu erforderlich, dass es sich bei dem Messer um einen zur Verletzung von Personen bestimmten Gegenstand handelt. Aus der Beschreibung der abgebrochenen Klinge ergebe sich zwar die objektive Eignung Personen zu verletzen, eine notwendige subjektive Zweckbestimmung des Gegenstand durch den Täter sei hiermit jedoch nicht belegt.

Anwalt für Strafrecht: Alkohol am Steuer

Tritt ein Taxifahrer trotz Alkoholkonsums eine Fahrt an, so nimmt er in der Regel seine Fahruntüchtigkeit in Kauf und macht sich somit nach § 316 Abs. 1 StGB strafbar, da er als Berufskraftfahrer um die besonderen Gefahren des Alkoholkonsums im Straßenverkehr weiß.

Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Celle macht sich ein Berufskraftfahrer wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr strafbar, wenn er trotz Alkoholkonsums eine Fahrt antritt.

Bereits bei einem Kraftfahrer gilt nach dem OLG der Erfahrungssatz, dass dieser seine Fahruntüchtigkeit jedenfalls dann in Kauf nimmt und vorsätzlich handelt, wenn er nach hohem Alkoholkonsum eine Fahrt mit dem Kraftfahrzeug antritt. Daher könne bei Berufskraftfahrern die Annahme eines jedenfalls bedingt vorsätzlichen Verhaltens schon allein damit begründet werden, dass diese in ihrer Funktion als Berufskraftfahrer um die besonderen Gefahren eines solchen Verhaltens wissen. Das OLG Celle verwarf damit eine Revision seitens einer angeklagten Taxifahrerin als unbegründet, die vom Amtsgericht wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt wurde. Darüber hinaus wurde ihr die Fahrerlaubnis und der Führerschein entzogen, sowie eine Sperre von sechs Monaten für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis festgesetzt. Sie hatte mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,14 ‰ Fahrgäste befördert.

Anwalt für Strafrecht: Versuch

Klingelt der Täter an der Tür des Opfers, um eine räuberische Erpressung zu begehen, so stellt dies keinen Versuchsbeginn im Sinne des § 22 StGB dar, wenn die Tat unter dem Vorbehalt steht, dass nach dem Klingeln kein Kind an der Haustür erscheint.

In seinem Beschluss vom 18.6.2013 - 2 StR 75/13 hob der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entscheidung des Landgerichts Kassel auf, durch die die drei Angeklagten wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung verurteilt wurden. Die Angeklagten wollten ihr Opfer überfallen, um diesem die Herausgabe eines Laptops abzunötigen, auf dem sie kinderpornographische Bilddateien vermuteten, und damit später Geldzahlungen erpressen. Bei dem Überfall sollten sowohl eine Gaspistole als auch Messer getragen werden. Nachdem einer der Angeklagten an der Haustür des Opfers klingelte, während die anderen beiden hinter eine Hecke warteten, sah dieser ein Kind hinter der Türverglasung und nahm daher von der Tat Abstand. Die anderen beiden wurden kurz darauf von der Polizei festgenommen, die das Trio observiert hatte. Bei dieser Fallkonstellation bleibt nach Ansicht des BGH offen, ob die Täter nach ihrer Vorstellung bereits unmittelbar zur Tatbegehung angesetzt haben. Einen eventuellen Vorbehalt sah das Gericht vor allem in einer nicht widerlegten Aussage einer der Angeklagten. Dieser berichtete von der vorherigen Vereinbarung des Trios, die Tat nicht durchzuführen, wenn ein Kind anwesend ist. Habe der Täter einen solchen Vorbehalt, so sei die Schwelle zum Versuch nach der Tätervorstellung noch nicht überschritten. In diesem Fall komme lediglich eine Strafbarkeit wegen des Verabredens zum Verbrechen in Betracht, bei der ein Rücktritt für jeden Angeklagten gesondert nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 StGB geprüft werden müsse.

Anwalt für Strafrecht:Sexualstrafrecht

Für die Annahme einer sexuellen Handlung vor einem Kind im Sinne der § 176 Abs. 4 Nr. 1, § 184 g Nr. 2 StGB ist über deren Handlung durch das Tatopfer hinaus erforderlich, dass der Täter das Kind so in das Geschehen einbaut, dass für ihn die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Tatopfer von handlungsleitender Bedeutung ist.

Mit Beschluss vom 21. November 2013 - 2 StR 459/13 hob der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Erfurt auf, durch das der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellen Missbrauch eines anderen Kindes verurteilt wurde.

Der Angeklagte hatte gerade sexuelle Handlungen an einem Kind vorgenommen, als ein anderes Kind hinzukam. Er erkannte, dass das weitere Kind das Geschehen beobachtete, setze seine Handlungen aber fort. Der BGH sah dies als nicht ausreichend für die Annahme eines weiteren sexuellen Missbrauchs an. Dazu führte er aus, dass die Vornahme von sexuellen Handlungen vor einem Kind zwar keine Absicht voraussetzt, sich, das Kind oder einen sexuell zu erregen. Allerdings müsse die Auslegung der § 176 Abs. 4 Nr. 1 und §184g Nr. 2 StGB aufgrund der vom Gesetzgeber nicht gewollten Strafausdehnung restriktiv erfolgen.

Für die Annahme einer sexuellen Handlung vor einem Kind müsse der Täter das Kind daher so in das aktuelle Geschehen einbeziehen, dass für ihn die Wahrnehmung der sexuellen Handlung von handlungsleitender Bedeutung ist. Nicht ausreichend sei hingegen lediglich die Wahrnehmung durch das Tatopfer.

Anwalt für Strafrecht: absolute Revisionsgründe

Wird bei einer Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung eine vorher angefertigte und ausgedruckte Luftbildaufnahme des Tatorts betrachtet und erörtert, obwohl der Angeklagte von der Vernehmung ausgeschlossen wurde, so stellt dies eine Verletzung des Anwesenheitsrecht des Angeklagten und somit einen absoluten Revisionsgrund dar.

In seinem Beschluss vom 19.11.2013 - 2 StR 379/13 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) eine Verletzung des Anwesenheitsrechts des Angeklagten nach § 230 Abs. 1 in Verbindung mit § 338 Nr. 5 StPO fest, da während einer Zeugenvernehmung, von der der Angeklagte ausgeschlossen war, eine Beweiserhebung durch Augenschein durchgeführt wurde. Bei dieser Vernehmung wurde der Zeugin eine Luftbildaufnahme vom Tatort gezeigt, die mit ihr erörtert wurde und auf der die Zeugin Standorte von Personen und Fahrzeugen markierte. Sodann wurde die Skizze von allen Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen und eine Erklärung des Vorsitzenden abgegeben, obwohl der Angeklagte immer noch von der Vernehmung ausgeschlossen war. Auch in seiner späteren Anwesenheit wurde der Augenscheinbeweis nicht wiederholt.

Der BGH wertete dieses Vorgehen als eine Verletzung des Anwesenheitsrechts des Angeklagten, die einen absoluten Revisionsgrund darstellt und somit zur Aufhebung des Urteils führen musste. Es handele sich bei der Betrachtung des Luftbildes nicht lediglich um einen Vernehmungsbehelf, sondern um eine Beweiserhebung durch Augenschein. Da die Luftbildaufnahme den Tatort betraf, stelle sie außerdem einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung dar.

Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung

Wird ein Wohnmobil angezündet, in dem Menschen schlafen, die den sich entwickelnden Brand jedoch rechtzeitig bemerken und löschen können, so erfüllt dies nicht ohne Weiteres den Tatbestand einer schweren Brandstiftung nach § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB.

Mit seinem Beschluss vom 23.10.2013 - 4 StR 401/03 änderte der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Landgerichts Potsdam dahingehend ab, dass der Angeklagte wegen versuchter, anstatt wegen vollendeter besonders schwerer Brandstiftung verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte ein Wohnmobil angezündet, wobei er damit rechnete, dass in diesem Menschen schliefen, die durch Rauchgase oder Flammen zu Tode kommen könnten. Das in dem Wohmobil schlafende Paar wurde allerdings frühzeitig durch den Rauchgeruch geweckt und konnte den Brand dadurch rechtzeitig löschen.

Der BGH sah in diesen Feststellungen keine vollendete besonders schwere Brandstiftung nach § 306 Abs. 2 Nr. 1 StGB, da es an einer für den Tatbestand erforderlichen konkreten Gefahr des Todes gefehlt hat. Eine solche Gefahr liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob ein Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Allein der Umstand, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zu einem Brand befinden würden, genüge allerdings für die Annahme einer konkreten Gefahr nicht. Umgekehrt werde die Annahme einer Gefahr aber auch durch das Ausbleiben eines Schadens nicht ausgeschlossen. Erforderlich sei vielmehr ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelange, dass das noch einmal gut gegangen sei. Da beide Geschädigte den Brand früh bemerkten, ihn innerhalb von fünf Minuten löschen konnten und es zu einem Vollbrand des Wohnmobils erst nach einer viertel bis halben Stunde gekommen wäre, war nach Ansicht des BGH zwar eine abstrakte, aber noch keine konkrete Lebensgefahr gegeben. Auch den Umstand, dass der Brandherd zwischen der Schlafkabine und der Außentür des Wohnmobils lag und den Insassen bei Fortentwicklung des Brandes somit der Fluchtweg hätte abgeschnitten werden können, hatte das Landgericht nicht festgestellt.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Werden sperrige Edelstahlteile von einem Firmengelände entwendet, so liegt ein vollendeter gemeinschaftlicher Diebstahl vor, wenn die entwendeten Teile bereits über den Zaun des Geländes gereicht, in das Fluchtfahrzeug eingeladen wurden und alle Täter das Firmengelände über den Zaun verlassen haben.

Mit seinem Beschluss vom 6.9.2013 - 5 RVs 80/13 bestätigte das Oberlandesgericht Hamm (OLG) die Verurteilung eines Angeklagten wegen vollendeten gemeinschaftlichen Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3 StGB durch das Landgericht Essen.

Dazu führte das OLG aus, dass die Wegnahme im Rahmen des Diebstahls mit der Begründung neuen Gewahrsams an der Sache vollendet wird. Wann der Täter die dazu erforderliche tatsächliche Herrschaft über die gestohlene Sache ausübt, ist nach ständiger Rechtsprechung im Einzelfall mit der Anschauung des täglichen Lebens zu beurteilen. Einen großen Unterschied mache daher, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, schwere oder sperrige Sachen handele.

In dem zu entscheidenden Fall waren die entwendeten großen und unhandlichen Edelstahlteile, mit einem Gesamtwert von etwa 70.000,- €, bereits über den Zaun des Firmengeländes gereicht und in eines der Täterfahrzeuge eingeladen worden. Alle Täter waren zurück über den Zaun geklettert und befanden sich abfahrbereit außerhalb des Zauns, um mit der Beute vom Firmengelände zu fliehen. Nach Ansicht des OLG wurde somit der Gewahrsamsbereich des Firmeninhabers gänzlich verlassen, da dieser nicht mehr ungehindert auf die bereits in Täterfahrzeuge verladene Ware hätte zugreifen können. Das Landgericht Essen hat demnach zu Recht einen vollendeten Diebstahl angenommen.

Anwalt für Strafrecht: Sexualstrafrecht

Berührungen anderer Körperstellen als der Geschlechtsteile eines Kindes nur dann sexueller Missbrauch, wenn es sich um Feststellungen von einiger Erheblichkiet handelt

Berührungen anderer Körperstellen als der Geschlechtsteile eines Kindes erfüllen erst dann den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern, wenn es sich um Handlungen von einiger Erheblichkeit handelt, wobei Feststellungen zur Art, Intensität und Dauer dieser Berührungen getroffen werden müssen.

In seinem Beschluss vom 23.7.2013 - 1 StR 204/13 hob der Bundesgerichtshof eine Entscheidung des Landgerichts Fürth auf, durch das der Angeklagte unter anderem wegen schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176a Abs. 1 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte einen 13-jährigen Jungen am bekleideten Oberkörper berührt, als dieser einmal am Spielfeldrand und einmal im Auto neben ihm saß. Nach Ansicht des BGH konnten die Berührungen am bekleideten Oberkörper nicht als sexuelle Handlungen bewertet werden, da diese gemäß § 184g Nr. 1 StGB "von einiger Erheblichkeit" sein müssen. Handele es sich um Berührungen anderer Körperstellen als der Geschlechtsteile, so würden diese nicht ohne Weiteres Handlungen von einiger Erheblichkeit darstellen. Vielmehr bedürfe es jedenfalls näherer Feststellungen zur Art, Intensität und Dauer der Berührungen, um sie als sexuelle Handlung einstufen zu können. Derartige Feststellungen hatte das Landgericht nicht getroffen.

Anwalt für Strafrecht

Teure Mahnschreiben - Der Entwurf anwaltlicher Mahnschreiben ist dann strafbar, wenn in ihnen der Eindruck erweckt wird, der Anwalt gehe von einer bestehenden Forderung aus und werde im Falle der Nichtbegleichung zivil-und strafrechtliche Schritte gegen den Empfänger einleiten, wenn der Anwalt die Forderung in Wirklichkeit gar nicht geprüft hatte und rechtliche Schritte bei Ausbleiben der Zahlung nicht geplant waren.

Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung eines Rechtsanwalts bestätigt, der Entwürfe für anwaltliche Mahnschreiben an die Kunden von sog. Gewinnspieleintragungsdiensten erstellt hatte. Wie die Vorinstanz (LG Essen, Urteil vom 13.12.2012 - 59 KLs 1/12) sah der BGH den Tatbestand einer (versuchten) Nötigung verwirklicht und bestätigte die Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe.

Im Vorfeld war zahlreichen Menschen über Callcenter angeboten worden, sie gegen Zahlung eines Geldbetrags in Gewinnspiele einzutragen. Die Eintragung wurde jedoch nicht vorgenommen.

Um dennoch an die "Gebühren" zu gelangen, beauftragte der gesondert verurteilte Verantwortliche des Gewinnspieleintragungsdienstes den Rechtsanwalt mit dem Entwurf für Mahnschreiben.

In den Mahnschreiben wurde sodann der Eindruck erweckt, der Rechtsanwalt habe die Forderungen geprüft und werde sie konsequent gerichtlich verfolgen, sollte eine Zahlung ausbleiben, und Anzeige wegen Betrugs erstatten.

In Wirklichkeit kannte der Anwalt die Empfänger der Mahnschreiben jedoch nicht und hatte auch nicht vor, die Forderungen gerichtlich geltend zu machen.

Das Landgericht hat hierin eine strafbare Nötigung gesehen.

Der BGH hat es zutreffend als mit den "Grundsätzen eines geordneten Zusammenlebens unvereinbar" angesehen, dass "juristische Laien durch Behauptungen und Androhungen, die der Rechtsanwalt mit der Autorität eines Organs der Rechtspflege ausgesprochen hatte", zur Begleichung der ungeprüften - im Ergebnis auch unberechtigten - Forderungen veranlasst werden sollten.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Wer Pfandflaschen in der Absicht wegnimmt, sich an dem bei der „Abgabe“ der Flaschen erhaltenen Pfandgeld zu bereichern, begeht nicht zwingend einen Diebstahl.

Das Amtsgericht Tiergarten entschied mit Beschluss vom 17.11.2011, dass das Entwenden von Pfandflaschen nicht notwendigerweise einen Diebstahl darstellen muss. Der Entscheidung lag zugrunde, dass mehrere Personen sich Zugang zum Hof eines Getränkelagers verschafft und dort Pfandflaschen gestohlen hatten. Die Pfandflaschen sollten anschließend in das Pfandsystem zurückgeführt werden, um dadurch das Pfandgeld zu erhalten. Die Amtsanwaltschaft Berlin erhob deshalb Anklage wegen Diebstahls. Das Amtsgericht Tiergarten ließ diese Anklage zum Hauptverfahren nicht zu. Bereits aus rechtlichen Gründen liegt bei einem derartigem Verhalten nach Auffassung des Amtsgerichts kein Diebstahl vor. Ein gem. § 242 StGB strafbarer Diebstahl verlangt, dass der Täter sich die Sache zueignen und dabei gleichzeitig einen anderen dauerhaft enteignen will. Das Amtsgericht differenziert in seiner Entscheidung zwischen solchen Pfandflaschen, an denen man Eigentum überhaupt erwerben kann (Einheitsflaschen) und solchen, die ohnehin immer Eigentum des Herstellers bleiben, weil diese aufgrund ihrer unverwechselbaren Form oder anderen Eigenschaften einem Hersteller problemlos zugeordnet werden können (Individualflaschen). Werden solche Individualflaschen entwendet, um sie später wieder am Pfandautomaten abzugeben, liege keine Zueignungsabsicht vor. Das Eigentum des Herstellers werde nicht in Frage gestellt, denn es fehle die Absicht, die Sachsubstanz der Individualflaschen dem Eigentümer vorzuenthalten und den Sachwert in eigenes Vermögen zu überführen. Vielmehr werde das Eigentum des Herstellers mit der anschließenden Rückgabe der Flaschen sogar anerkannt. In dem Verfahren konnte nicht festgestellt werden, welche Art der Pfandflaschen entwendet wurde, sodass das Vorliegen eines Diebstahls im Zweifel für die Angeklagten nicht angenommen wurde.

Strafprozessrecht / Beiordnung eines Pflichtverteidigers

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Jugendstrafverfahren ist in der Regel erforderlich, wenn nach den Gesamtumständen eine Freiheitsentziehung von mindestens einem Jahr zu erwarten ist oder in Betracht kommt, wobei jedoch aufgrund der größeren Schutzbedürftigkeit des Jugendlichen auch sonstige Umstände berücksichtigt werden müssen.

In seinem Beschluss vom 7.5.2013 - 4 Ws 37/13 beschäftigte sich das Kammergericht (KG) Berlin mit der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Jugendstrafverfahren, für die zunächst die Grundsätze des Erwachsenenstrafrechts gelten. Liegen also die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO nicht vor, so ist die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO erforderlich, wenn sie wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann. Bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe ist laut KG auf die im Erwachsenenrecht ergangene Rechtsprechung abzustellen, wobei allerdings den Besonderheiten des Jugendstrafverfahrens Rechnung zu tragen sei. Der Umstand, dass Anklage vor dem Jugendschöffengericht erhoben wurde oder überhaupt die Verhängung einer Jugendstrafe zu erwarten ist, mache die Pflichtverteidigerbestellung nicht zwingend notwendig. Auch hinsichtlich der Schwere der Tat stellt das KG erneut auf die allgemeinen Regeln des Erwachsenenrechts ab. Nach diesen ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers grundsätzlich geboten, wenn nach den Gesamtumständen eine Freiheitsentziehung von mindestens einem Jahr zu erwarten ist oder jedenfalls angesichts konkreter Umstände in Betracht kommt. Um eine starre Grenze handele es sich hierbei jedoch nicht. Vielmehr müssen nach Ansicht des KG auch sonstige Umstände berücksichtigt werden, die die Mitwirkung eines Verteidigers auch bei einer niedrigeren Strafe geboten erscheinen lassen. Denn gerade im Jugendstrafrecht sei die Beiordnung eines Pflichtverteidigers aufgrund der geringeren Lebenserfahrung des Angeklagten und seiner daher größeren Schutzbedürftigkeit eher erforderlich.

Anwalt für Strafrecht: Betäubungsmittel

Das griffbereite Mitführen eines Klappmessers mit einer Klingenlänge von 7,5cm ist für eine Verurteilung wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmittel nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht ausreichend, wenn dieses nicht dazu bestimmt ist, Menschen zu verletzen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit seinem Beschluss vom 6.11.2012 - 2 StR 349/12 über die Revision des Angeklagten, der vom Landgericht Aachen wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte in den Niederlanden Heroin und Kokain erworben und war damit auf dem Weg zurück nach Deutschland, als er von der Polizei angehalten und neben diesen Drogen auch ein Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 7,5 cm in seiner Jackentasche gefunden wurde. Der BGH sah den Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr.2 BtMG nicht als erfüllt an, da dieser voraussetzt, dass der Täter den bei der Tatbegehung mit sich geführten Gegenstand zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Dass der Angeklagte das Messer mitführte, um damit Personen zu verletzen, habe das Landgericht nicht hinreichend ausgeführt. Aus der Beschreibung als Klappmesser mit einer Klingenlänge von 7,5cm ergebe sich lediglich die objektive Geeignetheit des Messers, eine Person zu verletzen. Seine subjektiv erforderliche Zweckbestimmung wurde damit nach Ansicht des BGH jedoch nicht ausdrücklich festgestellt und begründet.

Anwalt für Strafrecht: Schwarzfahren

Wer lediglich seine Monatskarte vergessen hat, macht sich nicht wegen "Schwarzfahrens" strafbar

Der Inhaber einer Monatskarte für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, der die Karte entgegen den Beförderungsbedingungen nicht bei sich führt, erfüllt jedenfalls dann nicht den Tatbestand des § 265a StGB, wenn es sich um eine personengebundene, nicht übertragbare Karte handelt.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten des Erschleichens von Leistungen nach § 265a StGB schuldig gesprochen und ihn angewiesen, 20 Stunden Freizeitarbeiten abzuleisten.

Nach den Urteilsfeststellungen benutzte der Angeklagte am 05. April 2011 die U-Bahn der Linie 7 im Bereich des Bahnhofs B. ohne einen gültigen Fahrausweis, um das Fahrgeld nicht zu entrichten. Der vom Jugendschöffengericht für glaubhaft erachteten Einlassung des Angeklagten zufolge hatte dieser zwar eine Schülermonatskarte für den Monat April 2011, diese aber verloren, was ihm auf dem Weg zur U-Bahn aufgefallen war.

Die hiergegen gerichtete (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und lediglich die Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung begehrt, hat Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Jugendschöffengericht getroffenen Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen und der Angeklagte freizusprechen ist.

Die Strafbarkeit nach § 265a StGB setze einen Vermögensschaden voraus, der darin liege, dass der Täter die Leistung eines Transportunternehmens in Anspruch nimmt, ohne diese bezahlt zu haben. Wenn es ein Verkehrsbetrieb einem Kunden ermöglicht, nach Bezahlen einer Monatskarte innerhalb eines zeitlichen und räumlichen Geltungsbereichs beliebige Fahrten zu unternehmen, erleide er nicht dadurch einen Vermögensschaden, dass der Fahrgast, der die Karte zuvor tatsächlich bezahlt hat, sie bei einer Kontrolle lediglich nicht bei sich führt (vgl. KG, Beschluss vom 16. Juli 2008 – 3 Ws 201/08 -). Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob der Angeklagte die Mitnahme der Karte vergessen oder sie verloren hat. Soweit der Angeklagte in der Absicht handelte, das Fahrgeld nicht zu entrichten handele es sich um ein Wahndelikt.

Diese Ansicht, wonach bereits der objektive Tatbestand des Erschleichens von Leistungen nicht erfüllt ist, entspricht der herrschenden Meinung (vgl. OLG Koblenz NJW 2000, 86; BayObLG NJW 1986, 1504; Fischer, StGB 59. Aufl., § 265a Rn. 9, jeweils m.w.N.) und trifft jedenfalls für den hier gegebenen Fall zu, dass es sich bei dem Dauerfahrausweis um eine nicht übertragbare, also personengebundene Fahrkarte handelt. Ob anders zu entscheiden ist, wenn die Monatskarte übertragbar ist (dagegen OLG Koblenz aaO; dafür mit beachtlicher Argumentation Kudlich NStZ 2001, 90f.), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden.

Soweit das Jugendschöffengericht darauf abgestellt hat, dass infolge Verlustes und Untergangs der Karte als Inhaberpapier im Sinne des § 807 BGB der Inhaber des Papiers „keine Leistung mehr einfordern“ könne, hat es unzulässig die zivilrechtliche Seite mit der Frage der Strafbewehrung vermengt. Es hat übersehen, dass die vertragliche Verpflichtung, die Entgeltzahlung zu beweisen, also den Fahrausweis vorzuweisen, durch § 265a StGB nicht sanktioniert ist. Ein Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen ist von der Strafbarkeit nach § 265a StGB zu unterscheiden. Sinn der Pflicht zum Beisichführen des Fahrausweises ist die Beweiserleichterung, die darin liegt, dass nicht der Verkehrsbetrieb die Nichtzahlung, sondern der Fahrgast durch Mitführen des Fahrscheins die Zahlung des Entgelts nachzuweisen hat. Ist das Entgelt tatsächlich bezahlt worden, kann die bloße Nichteinhaltung einer derartigen Regelung eine Vermögensstraftat nicht begründen (vgl. OLG Koblenz und BayObLG, jeweils aaO).

KG Berlin, Beschluss vom 15. März 2012 - (4) 121 Ss 113/12 (149/12) -

Weitere Informationen zu Tatvorwürfen nach dem Strafgesetzbuch (StGB) finden Sie unter:

http://www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-strafrecht.php
http://www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-strafrecht.php

Anwalt für Strafrecht: Drogen

Das Lagern von Betäubungsmitteln in einer Wohnung, in der sich auch ein Waffenschrank mit Pistolen und Revolvern befindet, erfüllt nicht ohne Weiteres den Tatbestand des unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach §30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG.

Mit seinem Beschluss vom 15. Januar 2013 - 2 StR 589/12 hob der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach auf, durch das der Angeklagte unter anderem wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt wurde. Der Angeklagte hatte Marihuana aus den Niederlanden eingeführt und in seiner Wohnung gelagert, in deren Schlafzimmer er in einer unverschlossenen Schrankwand mehrere geladene Pistolen und Revolver aufbewahrte. Zusätzlich lag eine Pistole auf dem Nachttisch. Nach Ansicht des BGH konnten diese Feststellungen eine Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens jedoch nicht tragen, weil es am Merkmal des Mitsichführens fehle. Dies liege nur vor, wenn der Täter die Schusswaffe bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich habe, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann. Dass der Angeklagte das Marihuana jedoch im Schlafzimmer bei den Waffen gelagert hat, habe das Landgericht nicht feststellen können. Lediglich in einem Fall wurde festgestellt, dass die Drogen im Wohnzimmer gelagert wurden. Dies begründe jedoch nicht ohne Weiteres, dass der Angeklagte während der Lagerung Schusswaffen mit sich geführt hat. Denn befindet sich die Waffe in einem Behältnis und in einem anderen Raum, so ist dies nach Ausführungen des BGH in der Regel nicht ausreichend. Auch auf die Pistole könne in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, da das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob die Pistole geladen oder überhaupt entsprechende Munition vorhanden war.

Anwalt für Strafrecht: Beleidigung

Wer auf einem Volksfest ein T-Shirt mit dem sichtbaren Aufdruck "A.C.A.B." (all cops are bastards) trägt, macht sich nicht wegen Beleidigung strafbar.

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat mit seinem Urteil vom 01.10.2012, 1 St OLG Ss 211/12 eine Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen. Die Revision wurde auf die Verletzung des materiellen Rechts gestützt und richtete sich gegen den Freispruch des Angeklagten durch das Landgericht Regensburg. Der Angeklagte hatte auf einem Volksfest ein T-Shirt mit der Aufschrift "A.C.A.B." getragen. Weil sieben Polizisten dies wahrgenommen hatten, wurde der Angeklagte wegen Beleidigung nach § 185 StGB verurteilt und in nächster Instanz wieder freigesprochen. Diesen Freispruch bestätigte das OLG Nürnberg nun mit der Begründung, dass mangels ausreichender Individualisierung lediglich eine straflose Kollektivbeleidigung vorliegt. Außerdem könne dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden, dass er subjektiv in der Absicht gehandelt habe speziell die Polizisten beleidigen zu wollen, die ihren Einsatz auf dem Volksfest hatten. Auch die Argumentation der Staatsanwaltschaft, es sei für den Angeklagten vorhersehbar gewesen, dass die Aufschrift seines T-Shirts jederzeit von den Polizisten auf dem Volksfest gesehen werden würde, hielt das Gericht für unbegründet. Schließlich erfülle dieses Verhalten höchstens einen Fahrlässigkeitstatbestand.

Verkehrsrecht / Entziehung Fahrerlaubnis

Auch ein nicht im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr stehender Mischkonsum von Cannabis und Alkohol rechtfertigt die Annahme mangelnder Fahreignung.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol selbst dann regelmäßig eine mangelnde Fahreignung begründet, wenn die Einnahme der Substanzen nicht im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr steht.

Der Kläger wandte sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis. Diese hatte die Behörde ausgesprochen, weil bei ihm ausweislich eines fachärztlichen Gutachtens ein gelegentlicher Cannabis-Konsum und Hinweise auf einen Mischkonsum mit Alkohol vorlägen; dies führe nach der Regelbewertung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zum Verlust der Fahreignung. Zwar habe er angegeben, seit einiger Zeit auf den Konsum von Cannabis verzichtet zu haben. Da er aber der Aufforderung, seine möglicherweise wiedergewonnene Fahreignung mittels eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachzuweisen, nicht nachgekommen sei, könne nach § 11 Abs. 8 FeV auf eine mangelnde Fahreignung geschlossen werden.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung des Klägers im Wesentlichen stattgegeben und die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben. Zur Begründung hat er unter anderem ausgeführt, dass die genannte Bestimmung der Anlage zur Fahrerlaubnis-Verordnung einschränkend ausgelegt werden müsse. Für die Annahme mangelnder Fahreignung sei zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit erforderlich, dass in der Person des Betroffenen Besonderheiten bestünden, die befürchten ließen, dass gerade bei ihm im Falle des Mischkonsums von Cannabis und Alkohol ein fehlendes Trennungsvermögen zwischen dem Konsum und der Teilnahme am Straßenverkehr zu befürchten sei. Anhaltspunkte dafür seien beim Kläger nicht ersichtlich, so dass es der Behörde verwehrt gewesen sei, den Kläger zur Beibringung eines Fahr­eignungs­gutachtens aufzufordern. Demzufolge habe sie aus der Nichtvorlage des Gutachtens nicht auf eine fehlende Fahreignung schließen dürfen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt und hat auf die Revision des Beklagten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen. Nach Auffassung des Revisionsgerichts durfte der Verordnungsgeber der durch die kombinierte Rauschwirkung von Cannabis und Alkohol hervorgerufenen stärkeren Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit unabhängig davon Rechnung tragen, ob – wie der Verwaltungsgerichtshof angenommen hatte – die Bereitschaft des Mischkonsumenten, zwischen Drogenkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen, nicht hinter der des gelegentlichen Cannabiskonsumenten zurücksteht.

Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zum Urteil des BVerwG vom 14. November 2013 - BVerwG 3 C 32.12 -
http://www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-verkehrsstrafrecht.php

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Wer im Rahmen eines Vaterschaftstests über seine Identität täuscht, um die Feststellung der Vaterschaft und somit seine Unterhaltspflicht zu verhindern, kann sich unter anderem wegen Urkundenfälschung, Missbrauch von Ausweispapieren und versuchten Betrugs strafbar machen.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte am 30.09.2013 - (256 Ds) 232 Js 3662/12 (88/13) einen Mann wegen versuchter mittelbarer Falschbeurkundung in Tateinheit mit versuchter Personenstandsfälschung, versuchten Betruges und Missbrauchs von Ausweispapieren zu einer Geldstrafe. Der Angeklagte hatte seinen Bruder gebeten, zu einem vom Gericht angeordneten Vaterschaftstest zu gehen. Hierdurch sollte die Feststellung seiner Vaterschaft und die daran anknüpfende Unterhaltspflicht verhindert werden.

Sein Bruder war daraufhin zu dem Termin erschienen und legte dabei nicht seinen, sondern den Ausweis des Angeklagten vor, mit dem der Vaterschaftstest eigentlich durchgeführt werden sollte. Der Bruder ließ einen Abdruck seines Daumens nehmen, ein Foto von sich machen, einen Schleimhautabstrich von sich nehmen und unterschrieb das Dokument zum Vaterschaftstest mit dem Namen des Angeklagten. Somit täuschte er vor, der Angeklagte zu sein. Auch der Bruder wurde wegen Beihilfe zum versuchten Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Ausweispapieren zu einer Geldstrafe verurteilt.

Strafrecht / Bande im Betäubungsmittelstrafrecht (BtMG)

Bandenmäßiges unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001 - GSSt 1/00 - setzt der Begriff der Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Abweichend von der früheren Rechtsprechung ist ein "gefestigter Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" nicht mehr erforderlich. Die Mitglieder der Bande können vielmehr in der Bande ihre eigenen Interessen an einer risikolosen und effektiven Tatausführung und Beute- oder Gewinnerzielung verfolgen. Diese neue Rechtsprechung gilt - unabhängig davon, ob sie sich zugunsten oder zu Lasten eines Angeklagten auswirkt - auch für "Altfälle". Danach unterscheidet sich die Bande von der Mittäterschaft durch das Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung mehrerer Personen zu zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Mitglied einer Bande kann auch sein, wem nach der - stillschweigend möglichen - Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeiten darstellen. Die Mitgliedschaft in einer Bande begründet daher noch nicht für sich die Mittäterschaft.

Die Frage, ob die Beteiligung an einer Tat Mittäterschaft oder Beihilfe ist, beurteilt sich auch beim bandenmäßigen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung zwischen diesen Beteiligungsformen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Begriff des Handeltreibens wegen seiner weiten Auslegung jede eigennützige, den Umsatz fördernde Tätigkeit erfasst, selbst wenn es sich nur um eine gelegentliche, einmalige oder vermittelnde Tätigkeit handelt. Wesentliche Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob ein Tatbeteiligter beim unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln Mittäter oder nur Gehilfe ist, sind insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Tatbeteiligten abhängen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Mittäterschaft - ebenso wie die Beteiligung an einer Bande - durchaus Abstufungen nach dem Grad des Tatinteresses und des Tateinflusses zulässt.

BGH, Urteil vom 14. Februar 2002 - 4 StR 281/01 -

Weitere Informationen zum Drogenstrafrecht finden Sie unter:

http://www.verteidiger-berlin.info/docs/drogen-betaeubungsmittelstrafrecht.php
http://www.verteidiger-berlin.info/docs/drogen-betaeubungsmittelstrafrecht.php

Verkehrsrecht / Bedienungsanleitung Geschwindigkeitsmessgeräte

Befindet sich die Bedienungsanleitung eines in Verwendung geratenen standarisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte, ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen.

Befindet sich die Bedienungsanleitung eines in Verwendung geraten standarisierten Messverfahrens bei der Gerichtsakte hat das Tatgericht auf entsprechendes Akteneinsichtsgesuchs diese dem Verteidiger zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für die Unterlagen, die das Tatgericht dem von ihm beauftragten Sachverständigen für sein Gutachten zur Verfügung stellt, was sich bereits daraus ergibt, dass diese Unterlagen Teil der Gerichtsakte sind und damit von dem umfassenden Akteneinsichtsrecht (§§ 46 Abs.1 OWiG, 147 StPO) erfasst sind.

Anders verhält es sich hingegen, wenn die Bedienungsanleitung des standarisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte ist. In diesem Fall ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet, derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen. Lehnt das Tatgericht wie hier einen derartigen pauschalen Antrag auf Beiziehung ab, begründet dies in der Regel weder einen Verstoß nach § 338 Nr. 8 StPO, noch einen nach § 244 StPO.

Hält der Tatrichter eine Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgeräts für seine Überzeugungsbildung für notwendig und macht damit seine Überzeugungsbildung von der Kenntnis des Inhalts dieser Anleitungen abhängig, dann muss er diese ordnungsgemäß als Beweismittel ins Verfahren einbringen, damit er sie in seiner Beweiswürdigung verwenden kann. Hält der Tatrichter hingegen die Kenntnisnahme oder Einsicht in die Bedienungsanleitung für seine Überzeugungsbildung nicht für notwendig, weil in aller Regel das Beweismittel für den ordnungsgemäßen Aufbau des konkreten Messgeräts der Messbeamte ist der die angegriffene Messung vorgenommen hat und das Tatgericht seine Überzeugungsbildung alleine auf dessen Zeugenaussage stützt, muss er die Bedienungsanleitung auch nicht beiziehen wenn sich aus der Aussage keine begründeten Zweifel ergeben, die die Beiziehung zu Beweiszwecken notwendig erscheinen lässt.

Entgegen der Ansicht der Verteidigung ergibt sich dies auch nicht daraus, dass für die Überprüfung des ordnungsgemäßen Aufbaus der Messstelle durch den Messbeamten die Kenntnis der Bedienungsanleitung notwendig ist. Bereits dieser Ansatz ist in seiner Pauschalität unzutreffend. Der Tatrichter hat nach dem Gesetz ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verpflichtet, verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Insoweit darf er seine Befugnis nicht willkürlich ausüben und muss die Beweise unter Beachtung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, den Gesetzen der Logik und Erfahrungssätzen des täglichen Lebens, erschöpfend würdigen. Er ist allerdings weder verpflichtet in den Urteilsgründen alle als beweiserheblich in Betracht kommenden Umstände ausdrücklich anzuführen, noch hat er stets im einzelnen darzulegen, auf welchem Wege und aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel er seine Überzeugung gewonnen hat.

Die Schilderung der Beweiswürdigung muss nur so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglicht. Dabei darf indes nicht aus dem Blick geraten, dass das Bußgeldverfahren nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung dient. Es ist auf eine Vereinfachung des Verfahrensganges ausgerichtet. Daher dürfen gerade in Bußgeldsachen an die Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden.

Hat das Tatgericht deswegen nach den Angaben des Messbeamten keine Zweifel daran, dass dieser das Messgerät ordnungsgemäß aufgebaut hat, reicht diese bloße Feststellung in den Urteilsgründen grundsätzlich aus. Nur wenn sich tatsachenfundierte begründete Zweifel ergeben, dass der Aufbau der Messstelle nicht ordnungsgemäß war und dieser Fehler sich ebenfalls tatsachenfundiert begründet generell auf die Messung auswirkt und im konkreten Fall tatsachenfundiert begründet auch ausgewirkt hat und zwar dergestalt, dass sich die konkrete Messung gegenüber dem Betroffenen nicht mehr durch die technisch eingebauten Toleranzen kompensiert als unverwertbar herausstellt, ist das Tatgericht verpflichtet dazu nähere Ausführungen zu machen. Tut es das nicht, besteht die Möglichkeit, dies mit einer zulässigen Verfahrensrüge in der Rechtsbeschwerde zu rügen.

Abstrakten Anträgen, wie vorliegend, die erst auf die Ermittlung möglicher Fehler gerichtet sind, ohne dass dafür konkrete tatsachenbelegte Anhaltspunkte ersichtlich sind, hat der Tatrichter hingegen nicht nachzugehen. Derartige einem Beweisantrag vorgelagerte Ermittlungen sind ureigene Aufgabe desjenigen, der diese Ermittlungen für notwendig hält.

Entgegen dem Vortrag der Verteidigung ergibt sich aus den zitierten OLG Entscheidungen auch nichts anderes. Den genannten Entscheidungen ist mit den tragenden Ausführungen gemein, dass die Bedienungsanleitungen bereits Teil der Gerichtsakte waren und aus anderen Gründen nicht an die Verteidigung herausgegeben worden waren.

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12. April 2013 – Az. 2 Ss-Owi 173/13 –

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Verkehrsstrafrecht / Vorsatz bei Trunkenheitsfahrt

Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit rechtfertigt nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung.

Das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 €. Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Angeklagte am 8. November 2011 gegen 13:58 Uhr mit dem Leichtkraftrad in Gosen die Straße am Müggelpark, geriet beim Anhalten aus dem Gleichgewicht und konnte an- schließend nur schwankend gehen. Die um 14:46 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,51 Promille. Er habe „erhebliche Ausfallerscheinungen” gehabt, die “dem lebenserfahrenen, 62jährigen Angeklagten nicht entgangen” sein können, so dass er zumindest billigend in Kauf genommen habe, zum sicheren Führen des Motorrades nicht mehr in der Lage gewesen zu sein. Ihm sei auch bei Antritt der Fahrt bewusst gewesen, „dass er noch am Vormittag weiteren Alkohol zu sich genommen” habe, der einen “Abbau des Restalkohols vom Vorabend zumindest verlangsamte”.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

Dem OLG Brandenburg reichen die Feststellungen des Amtsgerichtes für die Annahme eines Vorsatzes nicht.

Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Allein die hohe Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit rechtfertigt anerkanntermaßen nicht den Schluss auf eine vorsätzliche Tatbegehung; vielmehr müssen weitere auf einen Vorsatz hindeutende Umstände hinzutreten. Zu würdigen sind dabei insbesondere — soweit feststellbar — die Täterpersönlichkeit, der Trinkverlauf, der Zusammenhang zwischen Trinkverlauf und Fahrtantritt sowie das Verhalten des Täters vor und während der Fahrt (vgl. Senat, Beschl. vom 13. Juli 2010 — 2 Ss 21/10; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Februar 2012 — 3 RVs 8/12).

Das Amtsgericht hat die insoweit zu berücksichtigenden Umstände nur lückenhaft gewürdigt und zu einseitig auf die — auch erst beim Absteigen vom Motorrad festgestellten — motorischen Unsicherheiten abgestellt. Bei einer hohen Blutalkoholkonzentration treten häufig Ausfallerscheinungen auf, die für eine Kenntnis des Fahrers von seiner Fahruntüchtigkeit sprechen können. Insoweit ist jedoch stets zu beachten, dass bei fortschreitender Trunkenheit das kritische Bewusstsein und die Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung abnehmen, das subjektive Leistungsgefühl des Alkoholisierten hingegen infolge der Alkoholeinwirkung häufig gesteigert wird mit der Folge, dass der Fahrer seine Fahruntüchtigkeit falsch einschätzt (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Die Fähigkeit einer entsprechenden Selbsteinschätzung ist dabei regelmäßig umso geringer, je weiter der Entschluss zur Fahrt vom Trinkende entfernt liegt (OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 86).

Unter diesem Gesichtspunkt hätte das Amtsgericht sich näher mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte hier womöglich die Wirkung des auf den Konsum am Vorabend zurückzuführenden Restalkohols verkannt hat. Dazu bestand insbesondere deshalb Veranlassung, weil nach den Urteilsfeststellungen nicht auszuschließen ist, dass die Fahruntüchtigkeit wesentlich auf den Alkoholkonsum am Vortag zurückzuführen ist und der Alkoholgenuss am Vormittag des Tattages "einen Abbau des Restalkohols vom Vorabend" lediglich verlangsamt hat. Darüber hinaus hat das Tatgericht nicht gewürdigt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen in den Morgenstunden gegen 8:00 Uhr ein Medikament zur Blutdrucksenkung eingenommen hat, und hat insoweit nicht in Betracht gezogen, dass die Fähigkeit des Angeklagten zur Einschätzung seiner Fahrtüchtigkeit hierdurch möglicherweise beeinflusst sein konnte. Im Übrigen beruhen die getroffenen Feststellungen zu den Ausfallerscheinungen allein auf Erkenntnissen bei und nach Beendigung der Fahrt. Inwieweit diese Erkenntnisse hier Rückschlüsse auf den — für das Bewusstsein von der Fahruntüchtigkeit maßgeblichen — Zeitpunkt der vorangegangenen Fahrt zulassen, hat das Amtsgericht ebenfalls nicht erwogen. Ob der Angeklagte auffällig und fehlerhaft gefahren ist — und womöglich deshalb einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde — ist nicht festgestellt.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 05. Februar 2013 – Az. (2) 53 Ss 1/13 (4/13) –

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Anwalt für Strafrecht: Sachbeschädigung durch "Tags" mit Edding

Eine Veränderung des Erscheinungsbildes durch Markierungen bzw. Tags mit einem Edding-Stift ist nur unerheblich, wenn sie völlig unauffällig bleibt, z. B. aufgrund schon vorangegangener Schmierereien durch Dritte.

Nach § 303 Abs. 2 StGB macht sich strafbar, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. Dabei wird unter Veränderung des Erscheinungsbildes jede Umgestaltung ihres Äußeren verstanden. Entscheidend ist dabei der optische Eindruck einer Sache.

Unter Zugrundelegung dieses Ansatzes kann zunächst darauf abgestellt werden, dass durch Markierungen mit einem Edding-Stift durchaus eine Veränderung des visuellen Eindrucks des Fahrzeugs entsteht. Allerdings darf diese Veränderung nicht nur unerheblich sein.

Nur unerheblich ist eine Veränderung des Erscheinungsbildes indes, wenn sie völlig unauffällig bleibt, z. B. aufgrund schon vorangegangener Schmierereien bzw. Graffiti durch Dritte.

Nach diesen Maßstäben können die Markierungen mit einem Edding-Stift nicht als erheblich angesehen werden, soweit sich ergibt, dass die Sache - im vorliegenden Fall ein Fahrzeug - bereits mit zahlreichen Farbbemalungen versehen war, bevor weitere Markierungen gesetzt wurden. Anders wäre zu entscheiden, wenn diese neben den vorhandenen Bemalungen erheblich und eindeutig zu erkennen wären, nicht jedoch soweit der Beseitigungsaufwand durch diese zuletzt aufgetragenen Markierungen nur unwesentlich erhöht werden würde.

OLG Hamm, Beschluss vom 21. April 2009 - 1 Ss 127/09 -

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Anwalt für Strafrecht: Alkohol am Steuer

Derjenige, der unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug auf einem durch Schranken verschlossenem Parkplatz führt, macht sich nicht wegen vorsätzlicher Trunkenheit am Steuer (Trunkenheitsfahrt) strafbar, da sich der Parkplatz in diesem Fall nicht im öffentlichen Verkehrsraum befindet.

Mit Beschluss vom 30.1.2013 - 4 StR 527/12 hat der BGH eine Entscheidung des Landgerichts Halle aufgehoben, in dem der Angeklagte unter anderem wegen vorsätzlicher Trunkenheit am Steuer verurteilt wurde, weil er betrunken auf einem Parkplatzgelände Auto gefahren ist. Da der Parkplatz allerdings durch Schranken abgesperrt wurde, gehörte er nach Ansicht des BGH nicht mehr zum öffentlichen Verkehrsraum, weswegen auch die Verurteilung nicht aufrechterhalten werden konnte. Der BGH führte dazu aus, dass zum öffentlichen Verkehrsraum zunächst einmal alle Verkehrsflächen gehören, die dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind, wie beispielsweise Straßen, Plätze und Fußwege. Ferner würden auch Plätze und Wege dazu gehören, die ungeachtet der Eigentumsverhältnisse entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten für jedermann oder aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe zur Benutzung zugelassen seien. Ob der Verkehr geduldet werde, hänge dabei von den auf die für etwaige Besucher erkennbaren Umstände ab. Die Zugehörigkeit einer Fläche zum öffentlichen Verkehrsraum endet nach Ansicht des BGH allerdings, wenn der Verfügungsberechtigte eine äußerlich manifestierte Handlung vornimmt, die unmissverständlich erkennbar macht, dass der öffentliche Verkehr nicht oder nicht mehr geduldet wird. Diese sei mit dem Schließen der Schranke gegeben.

Anwalt für Strafrecht: Strafzumessung

Eine von massiver Gewalt geprägte Tatausführung darf nicht straferschwerend gewertet werden, wenn sie erforderlich war, um den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 4. Juli 2013 - 4 StR 213/13 eine Entscheidung des Landgerichts Arnsberg aufgehoben, in der der Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt wurde. Er hatte seine Freundin über einen Zeitraum von 30 Sekunden mit beiden Händen so heftig gewürgt, dass diese infolge ihrer Erstickung verstarb. Das Landgericht wertete die Tatumstände bei der konkreten Strafzumessungserwägung zu Lasten des Angeklagten, da die Tatausführung von massiver Gewalt geprägt sei und durch das heftige Würgen eine besondere Brutalität aufweise. Eine solche Strafzumessungserwägung hätte das Gericht jedoch nach den Ausführungen des BGH nicht treffen dürfen, da sie gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB verstößt. Nach diesem darf sowohl der Tötungsvorsatz an sich als auch die Anwendung der zur Tötung erforderlichen Gewalt nicht straferschwerend berücksichtigt werden, weil beide Merkmale zum gesetzlichen Tatbestand gehören und daher ohnehin erfüllt sein müssen.

Verkehrsrecht / Unterschreitung des Sicherheitsabstandes

Ein bußgeldrechtliche Ahndung wegen einer Abstandsunterschreitung - i.S. eines "nicht nur vorübergehenden Verstoßes" - ist jedenfalls dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die vorwerfbare Dauer der Abstandsunterschreitung mindestens 3 Sekunden oder (alternativ) die Strecke der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung mindestens 140m betragen hat.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 180 Euro verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts führte der Betroffene einen PKW auf der BAB 1. Bei Kilometer 327,700 wurde im Rahmen einer polizeilichen Verkehrsüberwachung mit dem System Vidit Typ VKS 3.0 Version 3.1. für sein Fahrzeug bei einer (nach Abzug eines Toleranzwertes von 5 km/h) Geschwindigkeit von 131 km/h ein Abstand von nur 26 m zum vorausfahrenden Fahrzeug ermittelt. Die Messstrecke betrug rund 123 m. Die Messstelle war so eingerichtet, dass eine Strecke von insgesamt 500m übersehen werden konnte. Das Amtsgericht hat ausgeschlossen, dass ein anderes Fahrzeug vor dem Betroffenen eingeschert war.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er meint, die Rechtsbeschwerde sei zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, um die Mindestlänge bzw. die Mindestdauer der Abstandsunterschreitung obergerichtlich zu klären.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Die Rechtsbeschwerde war - jeweils durch Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Berichterstatters - zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern nach § 80a Abs. 3 OWiG zur Entscheidung zu übertragen. Die Zulassung ist zur Fortbildung des Rechts geboten, um die für eine bußgeldrechtliche Ahndung nach §§ 4, 49 StVO notwendige Dauer bzw. Länge einer Abstandsunterschreitung näher zu konkretisieren. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil ansonsten schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung fortbestehen würden. So hat das AG Lüdinghausen mit Urteil vom 28.01.2013 (19 OWi 216/12) für eine Ahndung eine Abstandsunterschreitung auf einer Fahrstrecke von mindestens 150 m, ja sogar eher noch von 250 bis 300 m für erforderlich erachtet. Im angefochtenen Urteil wird hingegen die deutlich geringere, den Mindestabstand unterschreitende, Fahrstrecke von 123 m für ausreichend erachtet.

Die - auch im Übrigen zulässige - Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Die Rügeanforderungen gemäß der §§ 80 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO sieht der Senat noch als erfüllt an. Es wurde zwar nicht ausdrücklich die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhoben. Jedoch geht aus dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Zulassungsantrages noch hinreichend hervor, dass der Betroffene sich dagegen wenden will, dass das Amtsgericht hier eine Abstandsunterschreitung auf weniger als 150 m Fahrstrecke für die Bejahung des Verkehrsverstoßes hat ausreichen lassen.

Das angefochtene Urteil weist keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Insbesondere ist die Annahme des Amtsgerichts, dass eine Abstandsunterschreitung auf einer Messstrecke von 123 m den Bußgeldtatbestand nach §§ 4, 49 StVO i.V.m. Nr. 12.6.2. der Tabelle 2 der BKatV erfülle, wenn der vorwerfbare Verstoß mindestens 3 Sekunden angedauert hat, rechtlich nicht zu beanstanden.

Für die Ahndung eines Abstandsverstoßes ist es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wie auch der Obergerichte erforderlich, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur ganz vorübergehend ist. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es Situationen geben kann, wie z.B. das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, die kurzzeitig zu einem sehr geringen Abstand führen, ohne dass dem Nachfahrenden allein deshalb eine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden könnte (OLG Hamm NZV 1994, 120; OLG Koblenz, Beschl. v. 02.05.2002 - 1 Ss 75/02 = BeckRS 2002, 30257446; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.07.2007 - 1 Ss 197/07 = BeckRS 2008, 08770; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 4 Rdn. 22).

Wann eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegt, wird in der Rechtsprechung der Obergerichte unterschiedlich beurteilt. Einige Gerichte halten eine Strecke von 250-300m, in der die Abstandsunterschreitung vorliegen muss, für ausreichend (vgl. OLG Celle NJW 1979, 325; OLG Düsseldorf NZV 2002, 519; OLG Karlsruhe NJW 1972, 2235). Andere lassen jedenfalls 150 m ausreichen, wenn die Messung in einem standardisierten Messverfahren durchgeführt wurde, ein kurz zuvor erfolgter Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs ausgeschlossen werden kann und die Dauer der abstandsunterschreitenden Fahrt mehr als 3 Sekunden betrug (OLG Hamm NZV 2013, 203; vgl. auch OLG Köln VRS 66, 463; König a.a.O. Rdn. 22).

Im Gesetz selbst ist keine Mindestdauer in zeitlicher oder örtlicher Hinsicht Voraussetzung der Ahndung einer Abstandsunterschreitung. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Voraussetzung, dass die Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend sein darf, bezieht sich nach Auffassung des Senats auf die Dauer oder Länge der vorwerfbaren Abstandsunterschreitung, nicht auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung. Nach § 10 OWiG kann nur vorsätzliches oder - wenn das Gesetz dies (wie hier) ausdrücklich vorsieht - fahrlässiges Handeln als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Auf die Dauer oder Länge der insgesamt festgestellten Abstandsunterschreitung kann es daher letztlich nicht entscheidend ankommen. Maßgeblich ist also, dass der Anteil an der Gesamtstrecke der Abstandsunterschreitung, der von dem Betroffenen verschuldet wurde (und nicht etwa durch ein Verhalten Dritter oder durch andere Ereignisse, auf die der Betroffene noch nicht reagieren und den erforderlichen Abstand wieder herstellen konnte), nicht nur "vorübergehender" Natur ist.

Bei der Frage, wann eine Abstandsunterschreitung nicht nur vorübergehend ist, steht für den Senat die zeitliche Komponente im Vordergrund. Schon die Formulierung in der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes legt dies nahe. Auch erscheint es naheliegender, sich der zeitlichen Komponente zum Ausschluss eines nur kurzfristigen - und damit aus Verhältnismäßigkeitsgründen nicht ahndungswürdigen - Versagens des Fahrzeugführers zu bedienen. Der Senat hält jedenfalls eine Abstandsunterschreitung für die Dauer von mehr als 3 Sekunden - wie hier - für kein kurzfristiges Versagen des Fahrzeugführers mehr, wenn kurz zuvor erfolgte abstandsverkürzende, vom Betroffenen nicht zu vertretende, Ereignisse (Abbremsen des vorausfahrendes Fahrzeugs, abstandsverkürzender Fahrspurwechsel eines Dritten, auf die der Betroffene noch keine Möglichkeit hatte zu reagieren) - wie hier - ausgeschlossen werden können (in diese Richtung wohl auch: OLG Koblenz a.a.O.). Auch unter angemessener Berücksichtigung üblicher Reaktionszeiten ist von jedem Betroffenen noch innerhalb einer Dauer der Abstandsunterschreitung von drei Sekunden ohne Dritteinwirkung einerseits das Bewusstsein zu verlangen, dass er handeln und den Sicherheitsabstand vergrößern muss, sowie andererseits auch eine entsprechende Umsetzung abstandsvergrößernder Maßnahmen. Jedenfalls ist eine länger andauernde Gefährdung des Straßenverkehrs durch eine bußgeldbewehrte und damit in jedem Fall erhebliche Unterschreitung des gebotenen Sicherheitsabstandes nicht hinnehmbar. Fährt der Betroffene trotzdem mit einem unzulässig geringen Abstand weiter hinter einem anderen Fahrzeug her, so kann hier von einem nur vorübergehenden Pflichtenverstoß nicht mehr die Rede sein.

Um allerdings besonders schnell fahrende Fahrzeugführer nicht zu privilegieren, hält der Senat aber auch eine Abstandsunterschreitung auf einer Strecke von jedenfalls 140 m unter den o.g. weiteren Voraussetzungen (Ausschluss eines abstandsverkürzenden Ereignisses, auf das der Betroffene noch nicht reagieren konnte, bis zum Beginn der Messstrecke) für nicht nur vorübergehend. Das beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der die Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h deutlich überschreitet und damit die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs deutlich erhöht, wegen der erhöhten durch ihn begründeten Gefahr bei einer Abstandsunterschreitung auch schneller wieder den erforderlichen Mindestabstand herstellen muss. Eine solche - auch haftungsrechtlich relevante - Überschreitung der Richtgeschwindigkeit wird jedenfalls ab einer Geschwindigkeit von 160 km/h angenommen (OLG Hamm NJW-RR 2011, 464 m.w.N.). Bei dieser Geschwindigkeit legt ein Fahrzeug in 3 Sekunden etwa 133,3 m zurück. Großzügig zugunsten des Betroffenen aufgerundet ergeben sich die o.g. 140 m.

Ob auch bei noch kurzfristigeren Abstandsunterschreitungen ein ahndungswürdiger Verstoß gegeben ist kann der Senat offen lassen.

OLG Hamm, Beschluss vom 9. Juli 2013 – Az. 1 RBs 78/13 –

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Drogenstrafrecht / Nicht geringe Menge

Bei der unerlaubten Betäubungsmittelabgabe gilt für die nicht geringe Menge von Fentanyl ein Grenzwert von 75 mg.

In seiner Entscheidung vom 29.4.2013 – Ss 259/12 legte der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Nürnberg den Grenzwert für die nicht geringe Menge bei Fentanyl fest, der 75 mg beträgt. Dazu verglich das OLG die Wirkung des Fentanyls mit der Wirkung von Heroin und stellte bei seiner Bestimmung zudem auf opiatgewohnte Personen ab. Fentanyl ist ein Betäubungsmittel aus den Gruppen der Opioide (zu dieser Gruppe gehört auch Heroin), das normalerweise als Schmerzmittel oder für Kurznarkosen verwendet wird. Die medizinische Anwendung erfolge laut Nachforschungen des Gerichts häufig durch Pflaster auf der Haut, bei denen 24-84% des Wirkstoffs im Pflaster verbleiben. Diese Pflaster würden Konsumenten meistens aus dem Müll der Krankenhäuser holen oder sich von verschiedenen Ärzten im Rahmen des sogenannten „Ärztehoppings“ verschreiben lassen, um an den Wirkstoff zu gelangen. Da beide Methoden nach Ansicht des OLG für ein Verhalten bereits opiatsüchtiger Personen sprechen, könne bei der Bestimmung des Grenzwertes nicht von Erstkonsumenten ausgegangen werden.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Das Einstecken von 6 Flaschen Whiskey in zwei mitgebrachte Tüten stellt erst dann einen vollendeten Diebstahl dar, wenn der Kassenbereich des Supermarktes verlassen wird.

In seinem Beschluss vom 18.6.2013 – 2 StR 145/13 macht der BGH noch einmal deutlich, dass kein vollendeter Diebstahl vorliegt, wenn umfangreiche Beute in einem Supermarkt zwar eingesteckt, der Kassenbereich mit ihr jedoch nicht passiert wird. In solchen Fällen darf in der Regel nur ein versuchter Diebstahl angenommen werden, da eine vollendete Wegnahme im Selbstbedienungsladen erst dann vorliegt, wenn der Täter Sachen von geringem Umfang einsteckt oder sie sonst verbirgt. Wird also eine sogenannte Gewahrsamsenklave gebildet, so kommt es für die Vollendung des Diebstahls nicht mehr darauf an, dass der Kassenbereich passiert wird. Das Wegtragen umfangreicherer Beute innerhalb der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers stellt jedoch nach Ansicht des BGH noch keine Gewahrsamsenklave dar. Damit änderte der BGH den zuvor vom Landgericht Aachen ausgesprochenen Schuldspruch dahingehend ab, dass der Angeklagte nur eines versuchten Diebstahls schuldig ist. Er hatte 6 Flaschen Whiskey in zwei mitgebrachte Tüten gesteckt und war, nachdem er von einem aufmerksamen Kunden des Supermarktes bemerkt wurde, ohne die Beute geflohen.

Strafverfahrensrecht / Pflichtverteidiger

Wird dem Angeklagten bei kurzfristiger Erkrankung des Pflichtverteidigers für einen Tag der Hauptverhandlung ein anderer Verteidiger bestellt, um einen Zeugen aus dem Ausland vernehmen zu können, ohne dass sich der Ersatzverteidiger in die Sache einarbeiten konnte, so stellt dies eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung dar.

In seinem Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 StR 113/13 stellte der BGH fest, dass die Regeln der notwendigen Verteidigung nach §§ 140, 145 Abs. 1 StPO verletzt sein können, wenn bei kurzzeitiger Erkrankung des Pflichtverteidigers ein anderer Verteidiger bestellt wird, obwohl dem Gericht die Aussetzung der Hauptverhandlung möglich gewesen wäre. Dazu führt der BGH aus, dass die grundsätzliche Entscheidung darüber, ob bei Ausbleiben des Verteidigers ein neuer Verteidiger beizuordnen oder die Hauptverhandlung auszusetzen oder zu unterbrechen ist, im Ermessen des Gerichts steht. Dafür sei entscheidend, ob der Strafverteidiger sich selbst für hinreichend vorbereitet hält, wobei das Gericht grundsätzlich nicht dazu berufen sei dies zu überprüfen. Lediglich in Fällen, bei denen der Verteidiger objektiv nicht genügend Zeit hatte sich vorzubereiten, gebiete die Fürsorgepflicht des Gerichts die Prüfung oder Aussetzung des Verfahrens. Im zu verhandelnden Fall hatte der neue Verteidiger, trotz erheblichen Aktenumfangs, nur eine Stunde Zeit, um sich in das Verfahren einzuarbeiten. Da er sich aufgrund dieser kurzen Vorbereitungszeit nicht annähernd auf den Stand des Verfahrens bringen konnte, hätte das Gericht davon ausgehen müssen, dass die Verteidigung nicht mit der vom Gesetz verlangten Sicherheit geführt werden kann. Auch die Absicht, einem Zeugen aus dem Ausland die erneute Anreise zu ersparen, könne das rechtstaatlich gebotene Recht auf eine angemessene und effektive Verteidigung nach Art. 6 Abs. 3c EMRK nicht wirksam beschränken.

Anwalt für Strafrecht: räuberische Erpressung

Soll einer Prostituierten der Verzicht auf das vereinbarte Entgelt abgenötigt werden, so stellt dies nur dann eine versuchte schwere räuberische Erpressung dar, wenn die abgesprochene sexuelle Handlung zuvor einvernehmlich erbracht worden ist.

In seinem Beschluss vom 1. August 2013 stellte der Bundesgerichtshof fest, dass keine versuchte schwere räuberische Erpressung nach § 253 Abs. 1, §§ 255, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorliegt, wenn einer Prostituierten der Verzicht auf das vereinbarte Entgelt vor einvernehmlicher Erbringung der abgesprochenen sexuellen Handlung abgenötigt werden soll. Zur Begründung führt der BGH an, dass die Erzwingung des Geschlechtsverkehrs ohne Entgelt keinen für § 253 Abs. 1 StGB erforderlichen Vermögenswert innehat, da jede bindende Verpflichtung zur Vornahme sexueller Handlungen mit dem Schutz der Menschenwürde unvereinbar ist. Daher könne allenfalls bei freiwillig erbrachten sexuellen Handlungen von einer durch die Rechtsordnung nicht missbilligten Dienstleistung und damit von einem Vermögensbestandteil gesprochen werden. Dem stehe auch das 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz (ProstG) nicht entgegen, nach dem eine Prostituierte erst dann eine rechtswirksame Forderung erwirbt, wenn die sexuelle Handlung gegen ein zuvor vereinbartes Entgelt vorgenommen wurde. Dem gegen den Willen der Prostituierten erzwungenen Geschlechtsverkehr sei vielmehr mit den Tatbeständen der sexuellen Nötigung (§§ 177, 240 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 Nr. 1) StGB entgegenzutreten.

Ordnungswidrigkeit

Wird der im Straßenverkehr notwendige Sicherheitsabstand über mindestens 3 Sekunden oder um die Strecke von 140 m vorwerfbar unterschritten, so kann dies mit einem Bußgeld geahndet werden.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit seinem Beschluss vom 09.07.2013 - 1 RBs 78/13 die Grenzen für das bußgeldpflichtige Drängeln im Straßenverkehr verschärft. Dazu führte es aus, dass es für die Ahndung eines Abstandverstoßes entscheidend auf eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung ankommt. Damit sollen Fälle, wie zum Beispiel das plötzliche Abbremsen des Vorausfahrenden oder einen abstandsverkürzenden Spurwechsel eines vorausfahrenden Fahrzeugs, bei denen es zwar zu einem kurzzeitig geringen Abstand kommt, dem Nachfahrenden allerdings trotzdem keine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden soll, ausgeschlossen werden. Bisher wurde die Frage, wann eine nicht nur ganz vorübergehende Abstandsunterschreitung vorliegt, in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Das OLG Hamm stellt hierzu in seinem Beschluss vor allem auf die zeitliche Komponente ab, nach der nun eine Abstandsunterschreitung für die Dauer von mehr als 3 Sekunden ausreichen soll, wenn vom Betroffenen nicht zu vertretende, zuvor erfolgte abstandsverkürzende Ereignisse, ausgeschlossen werden können. Eine länger andauernde Gefährdung des Straßenverkehrs durch Unterschreitung des gebotenen Sicherheitsabstandes sei nicht hinnehmbar und könne nicht mehr als vorübergehender Pflichtenverstoß bewertet werden. Um allerdings besonders schnell fahrende Fahrzeugführer nicht zu privilegieren, soll nach Ansicht des OLG auch derjenige eine Ordnungswidrigkeit begehen, der auf einer Strecke von jedenfalls 140 m den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht einhält. Auch hier müsse allerdings der Ausschluss von abstandsverkürzenden Ereignissen, auf die der Betroffene nicht reagieren konnte, gewährleistet werden.

Verkehrsrecht / Akteneinsichtsrecht in die Bedienungsanleitung von Geschwindigkeitsmessgeräten

Die Vorenthaltung der Bedienungsanleitung kann eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 StPO darstellen.

Dies erfordere jedoch einen Antrag auf Akteneinsicht und Unterbrechung bzw. Aussetzung in der Hauptverhandlung und einen ablehnenden Gerichtsbeschluss.

Mit der Verfahrensrüge sei sodann vorzutragen, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen für die Verteidigung darauf gefolgt wären.

Sollte dies wegen des vorenthaltenen Aktenmaterials nicht möglich sein, weil dem Verteidiger die Akten nicht zugänglich gemacht worden sind, müsse der Verteidiger dartun, dass und wie er sich bis zum Ablauf der Frist zur Begründung der Verfahrensrüge weiter erfolglos um Einsichtnahme bemüht habe.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 07. Januar 2013 – 3 Ws(B) 596/12
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Anwalt für Strafrecht: Nötigung / Geldstrafe für einen erzwungenen Kuss

Ein Mann erzwang sich einen Kuss, indem er die Geschädigte zu sich zog, so dass sie ihm nicht mehr ausweichen konnte. Ist damit schon eine strafbare Nötigung erfüllt? Ja sagt das Gericht. Es sei ausreichend, wenn der Täter mit geringen körperlichen Kräften auf das Opfer einen unmittelbaren körperlichen Zwang ausübe.

Ein erzwungener Kuss kann eine strafbare Nötigung sein. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden und damit die Revision des Angeklagten gegen ein Urteil des Amtsgerichts Essen als unbegründet verworfen. Das Urteil des Amtsgerichts, das den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 2.000 € verurteilt hatte, ist damit rechtskräftig.

Der 49-jährige Angeklagte aus Essen erteilte der Geschädigten Musikunterricht. Seine verbalen Annäherungsversuche wies die Geschädigte zurück und äußerte, dass sie so etwas nicht wolle. In einer Situation, in der sich beide frontal gegenüberstanden, zog der Angeklagte die Geschädigte zu sich hin, so dass sie ihm nicht mehr ausweichen konnte, und küsste sie auf den Mund.

In dem gegen ihn geführten Strafverfahren hat sich der Angeklagte unter anderem damit verteidigt, dass in seinem Verhalten keine strafbare Nötigung gesehen werden könne, weil er keine Gewalt ausgeübt und die Geschädigte während des Küssens nicht festgehalten habe.

Der 5. Strafsenat hat demgegenüber festgestellt, dass das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand einer strafbaren Nötigung erfüllt. Der Angeklagte habe Gewalt angewandt, als er die Geschädigte zu seinem Körper herangezogen habe. Gewalt im Sinne des Nötigungstatbestandes liege bereits dann vor, wenn der Täter mit geringen körperlichen Kräften auf das Opfer einen unmittelbaren körperlichen Zwang ausübe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, indem der Angeklagte die Zeugin angefasst und zu sich herangezogen habe.

Mit der eingesetzten Gewalt habe der Angeklagte auch den Kuss erzwungen. Die Geschädigte habe ihren entgegenstehenden Willen zuvor deutlich geäußert, über diesen habe sich der Angeklagte vorsätzlich hinweggesetzt. Da die Nötigung vollendet gewesen sei, als die Geschädigte den Kuss habe erdulden müssen, komme es nicht darauf an, ob der Angeklagte die Geschädigte während des Kusses noch weiter festgehalten habe.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26.02.2013 - III-5 RVs 6/13 -
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Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft gegen jugendlichen Einbrecher

Der Umstand, dass Vortaten des Beschuldigten bisher nur mit jugendgerichtlichen Zuchtmitteln geahndet worden sind, steht der Annahme einer "die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat", die für den hier nach § 112a StPO ergebenden Haftgrund erforderlich ist, nicht entgegen.

Dem 20-jährigen Beschuldigten wird vorgeworfen gemeinsam mit zwei unbekannt gebliebenen Personen in ein freistehendes Gehöft eingebrochen zu sein. Dazu sollen sie mit einem Vorschlaghammer ein Fenster des Wohnzimmers eingeschlagen haben und durch dieses Fenster in das Wohnzimmer eingestiegen sein. Dort sollen sie dem dort sitzenden 89-jährigen Geschädigten mit dem Vorschlaghammer gegen das rechte Bein geschlagen, ihn zu Boden gebracht und mit Kabelbinder an Händen und Füßen gefesselt haben.

Anschließend sollen sie das Haus durchsucht und u. a. eine Pistole, zwei EC- Karten und Bargeld in Höhe von ca. 8.000,00 € entwendet haben. Der Geschädigte erlitt durch den Schlag mit dem Vorschlaghammer einen Bruch des Unterschenkels, der im Krankenhaus operativ versorgt werden musste. Der dringende Tatverdacht gegen den Beschuldigten ergab sich daraus, dass an den verwendeten Kabelbindern DNA-Spuren gefunden wurden, die ihm zugeordnet werden konnten.

Bereits im Vorfeld war der Beschuldigte wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen und anderen Delikten zur Absolvierung eines sechsmonatigen Sozialen Trainingskurses sowie 20 Tagen gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Der Beschuldigte steht zudem in einem weiteren Verfahren in Verdacht, mit Mittätern einen Wohnungseinbruchsdiebstahl begangen zu haben. Das Amtsgericht Bremen - Jugendgericht - hat gegen den 20-jährigen Beschuldigten mit Haftbefehl vom 10. September 2012 die Untersuchungshaft wegen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr gemäß § 112a Abs. 1 Nr. 2 StPO unter Bezugnahme auf die Verurteilung sowie das weitere Verfahren angeordnet.

Auf Antrag des Beschuldigten setzte das Amtsgericht Bremen mit Beschluss vom 23. Oktober 2012 den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug. Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts Bremen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Mit Beschluss verwarf das Landgericht die Beschwerde der Staatsanwaltschaft und hob gleichzeitig den Haftbefehl des Amtsgerichts Bremen auf. Zur Begründung führte das Landgericht an, dass der Haftbefehl schon deshalb keinen Bestand haben könne, weil der Beschuldigte in der Vergangenheit bislang nur zu erzieherischen Maßnahmen, nicht aber zu einer Jugendstrafe verurteilt worden sei.

Gegen den Beschluss des Landgerichts legte die Staatsanwaltschaft weitere Beschwerde vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) in Bremen ein.

Das OLG Bremen hat den Haftbefehl durch Beschluss vom 01. März 2013 wieder in Vollzug gesetzt. Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass - entgegen der Auffassung des Landgerichts - der Umstand, dass Vortaten des Beschuldigten bisher nur mit jugendgerichtlichen Zuchtmitteln geahndet worden sind, der Annahme einer "die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftat", die für den hier nach § 112a StPO ergebenden Haftgrund erforderlich ist, nicht entgegensteht.

Auch wenn die Voraussetzungen unter denen eine Jugendstrafe verhängt werden kann, andere sind und dort die Täterpersönlichkeit und der Erziehungsgedanke im Vordergrund stehen, dient die Haftanordnung nach § 112a StPO in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit.

Eine automatische Herausnahme derjenigen Straftaten aus den Haftgründen, die nur zu einer Ahndung mit jugendrichterlichen Zuchtmitteln geführt haben, gibt das Gesetz nicht her. Das würde im Übrigen dazu führen, dass der Schutz der Bevölkerung vor heranwachsenden Serienstraftätern nicht im gleichen Maße möglich wäre wie der Schutz vor erwachsenen Serienstraftätern. Insbesondere ist es für die Außenwirkung einer Tat und die Folgen für das Opfer in der Regel ohne Belang, ob die Tat von einem Heranwachsenden oder Erwachsenen begangen worden ist. Da hier auch die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte vor rechtskräftiger Aburteilung weitere erhebliche Straftaten gleicher Art begeht, war die Vollziehbarkeit des Haftbefehls anzuordnen.

Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 01. März 2013
http://www.verteidiger-berlin.info/docs/anwalt-untersuchungshaft.php

Verkehrsrecht / Umfahren einer roten Ampel

Eine Lichtzeichenanlage die für den Betroffenen Rotlicht zeigt, verbietet nicht, vor der Ampelanlage auf einen nicht durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich – im konkreten Fall eine Tankstelle – abzubiegen und nach Durchfahren dieses Geländes hinter der Ampel wieder in den durch sie geschützten Verkehrsraum einzufahren. Das gilt auch dann, wenn dieser Fahrvorgang der Umfahrung der Lichtzeichenanlage dient. Es liegt dann kein Rotlichtverstoß vor.

Der Betroffene war vom Amtsgericht wegen vorsätzlicher Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens eine Geldbuße von 200 Euro verurteilt worden. Zudem wurde gegen ihn wegen des vermeintlichen qualifizierten Rotlichtverstoßes ein einmonatiges Fahrverbot – unter Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ – verhängt.

Nach den Feststellungen im amtsrichterlichen Urteil soll der Betroffene vor einer Kreuzung, an welcher die Ampel Rotlicht für ihn zeigte, nach links auf das Gelände einer im Eckbereich der beiden Straßen liegenden Tankstelle abgebogen sein. Er überquerte das Tankstellengelände und verließ dieses an der Ausfahrt, indem er in die anliegende Straße nach links einbog.

Im Grundsatz noch zutreffend ist der Ansatz des Amtsgerichts, dass das Umfahren einer Lichtzeichenanlage einen Rotlichtverstoß darstellen kann. Das Rotlicht der Verkehrssignalanlage ordnet ein "Halt vor der Kreuzung oder Einmündung" an. Es schützt den Querverkehr oder den einmündenden Verkehr, der für seine Fahrtrichtung durch Grünlicht der Signalanlage freie Fahrt hat und sich darauf verlassen darf, dass aus der gesperrten Fahrtrichtung keine Fahrzeuge in den geschützten Kreuzungs- oder Einmündungsbereich hineinfahren. Dadurch sollen solche Gefahrensituationen ausgeschlossen werden, die erfahrungsgemäß zu schweren Verkehrsunfällen führen können.

Zu dem durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich gehört der gesamte Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, wobei außer der Fahrbahn auch die parallel verlaufenden Randstreifen, Parkstreifen, Radwege oder Fußwege diesem Bereich zuzuordnen sind. Auch der Bereich in einer Entfernung von 10 -15 m hinter der Lichtzeichenanlage gehört noch zum geschützten Bereich.

Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass derjenige, der die Fahrbahn vor einer für ihn Rotlicht zeigenden Ampelanlage verlässt und diese über den Gehweg, Randstreifen, Parkstreifen, Radweg oder eine Busspur umfährt, um hinter der Ampelanlage in dem durch sie geschützten Bereich wieder auf die Fahrbahn aufzufahren, sich eines Rotlichtverstoßes schuldig macht.

Gleiches gilt, wenn jemand auf einer Fahrbahn mit mehreren durch Leitlinien bzw. Fahrstreifenbegrenzungen und Richtungspfeile markierten Fahrstreifen mit jeweils eigener Lichtzeichenregelung auf der durch Grünlicht freigegebenen Geradeausspur in eine Kreuzung einfährt und nach Überfahren der Haltlinie auf den durch Rotlicht gesperrten Fahrstreifen für Linksabbieger wechselt.

Nicht immer eindeutig zu beurteilen ist hingegen das Überfahren einer roten Ampel bei noch rechtzeitigem Anhalten vor der eigentlichen Kreuzung. Fährt der Fahrzeugführer beispielsweise bei Rot über eine Ampel, hält er aber noch vor der eigentlichen Kreuzung an, so kann ihm nur ein Vorwurf wegen des Nichtbefolgens eines durch ein Vorschriftszeichen angeordnetes Ge- oder Verbot gemacht werden. Ein solcher Verstoß ist aber dann als Rotlichtverstoß schwer zu widerlegen, wenn die eingesetzte Rotlichtüberwachungskamera nur ein Foto von dem Rotlichtverstoß anfertigt, welches nur das Überfahren der Haltelinie im Kreuzungsbereich anzeigt, möglicherweise aber nicht das noch rechtzeitige Halten vor der eigentlichen Kreuzung.

Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 02. Juli 2013 (1 RBs 98/1) verbietet das Rotlicht dagegen nicht, vor der Ampelanlage abzubiegen und einen nicht durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich zu befahren, etwa auf einen Parkplatz oder - wie hier - ein Tankstellengelände einzufahren. Ebenso wenig untersagt es, von einem nicht durch die Signalanlage geschützten Bereich auf den hinter dieser, durch sie also geschützten Verkehrsraum zu fahren; denn das Rotlicht wendet sich selbstverständlich nur an denjenigen Verkehrsteilnehmer, der es - in seiner Fahrtrichtung gesehen - vor sich findet.

Mit einer solchen Vorgehensweise nutzt der Verkehrsteilnehmer lediglich eine Lücke, die es ihm ermöglicht, sich außerhalb der Reichweite des Haltegebots fortzubewegen. Das auch ansonsten zulässige und nicht bußgeldbewehrte Verhalten des Auffahrens und Verlassens eines Privatgrundstücks wird nicht dadurch zur Ordnungswidrigkeit, dass es durch die Vermeidung des Anhaltens vor einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage motiviert ist. Die oben geschilderte Gefährdungslage ist bei einer solchen Verhaltensweise nicht gegeben. Vielmehr ist lediglich die Gefährdungslage des – grundsätzlich aber erlaubten – Ein- und Ausfahrens auf ein bzw. von einem Privatgrundstück gegeben, die aber durch die Wechsellichtzeichenanlage nicht vermindert werden soll.

Soweit in der Vergangenheit durch einzelne Gerichte entschieden worden ist, dass aber das gezielte Umfahren einer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage wegen der Zielgerichtetheit gleichwohl einen Verstoß darstellt, kann dem aus den oben genannten Gründen nicht gefolgt werden. Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Fahrbahnbenutzung kann in der Verhaltensweise des Betroffenen nicht gesehen werden. Ein Kraftfahrer, der vor einer Straßenkreuzung die Fahrbahn verlässt, um über ein neben der Straße gelegenes Tankstellengelände die Querstraße schneller zu erreichen, verstößt nicht deshalb gegen das Gebot der Fahrbahnbenutzung, weil er dazu den Gehweg überqueren muss.

Diese Entscheidung wurde mitgeteilt von Rechtsanwalt Dietrich. Rechtsanwalt Dietrich ist Fachanwalt für Strafrecht aus Berlin Kreuzberg. Er verteidigt Betroffene gegen strafrechtliche und verkehrsrechtliche Vorwürfe.

Weitere Informationen zum Verkehrsrecht finden Sie unter:

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Verkehrsrecht / Beweisverwertungsverbot einer Blutprobe

Die Unzulässigkeit der Beschlagnahme einer im Zuge einer Behandlung im Krankenhaus entnommenen Blutprobe führe nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

Die durch die Auswertung der Blutprobe gewonnene Erkenntnis – hier die Blutalkoholkonzentration – gehöre nicht zum Kernbereich privater Lebensgestaltung und entstamme auch nicht dem besonders vertraulichen Arzt-Patienten-Gespräch. Sie sei schließlich auch über eine Anordnung nach § 81a StPO zu erzielen.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 21. September 2011 - 3-91/11
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Verkehrsrecht / Recht auf Akteneinsicht und Sachverständigengutachten im OWi-Verfahren

Ein Antrag auf Beiziehung der Bedienungsanleitung für das Geschwindigkeitsmessgerät und Einholung eines Sachverständigengutachtens, in dem konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes oder die Nichteinhaltung der für das Gerät geltenden Bedienungsanleitung vorgetragen werden, könne kaum ohne Verletzung der Aufklärungspflicht zurückgewiesen werden.

Jedenfalls muss sich der ablehnende Beschluss oder das Urteil detailliert dazu verhalten, weshalb von der Beweiserhebung keine weitere Aufklärung zu erwarten gewesen wäre.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 10. April 2013 – 3 Ws(B) 158/13
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Anwalt für Strafrecht: Verkehrsrecht / Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort

Die Urteilsgründe müssen im Falle einer Verurteilung nach § 142 StGB wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort mit der gebotenen Klarheit erkennen lassen, dass der Angeklagte die Erheblichkeit des Schadens erkannt hat oder dies für möglich hielt, nicht aber ob er den Schaden hätte erkennen können.

Entscheidend seien die Vorstellungen vom Umfang des Schadens.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 23. März 2012 / Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 3-127/11

Ein völlig belangloser Schaden schließe jedoch bekanntlich den Tatbestand des § 142 StGB aus. Dies gelte auch bei ganz geringfügigen Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität. Geringfügige Hautabschürfungen genügen ebenso wenig wie alsbald vergehende Schmerzen.

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 03. Dezember 2012 - 3-160/12
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Verkehrsrecht / Geschwindigkeitsmessung

Die mangelnde Kenntnis der Messwertbildung des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0 begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses. Bestehen keine konkreten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung, muss das Gericht keine weiteren Ermittlungen zur Funktionsweise anstellen.

Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0 begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

Das Gericht ist nicht verpflichtet, aufgrund eines Beweisantrages weitere Ermittlungen zur Funktionsweise dieses Messgerätes anzustellen, wenn keine konkreten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung bestehen. Es ist dem Betroffenen zumutbar, solche Zweifel konkret darzulegen.

Das Amtsgericht müsse keine weiteren Ermittlungen zur genauen Funktionsweise des Messgerätes anstellen. Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0, das eine Bauartzulassung von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt erhalten habe, begründe keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

Die genaue Funktionsweise von Messgeräten sei den Gerichten auch in den Bereichen der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin nicht bekannt, ohne dass insoweit jeweils Zweifel an der Verwertbarkeit der Gutachten aufgekommen seien, die auf den von diesen Geräten gelieferten Messergebnissen beruhen. Nach welchem Prinzip das Geschwindigkeitsmessgerät funktioniere, sei bekannt. Bei dem Messverfahren handele es sich um standardisiertes Messverfahren.

Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung können aber nur konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung begründen. Ohne derartige Anhaltspunkte, würde der der Tatrichter die an seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannen, wenn er dennoch an der Zuverlässigkeit der Messung zweifle (OLG Koblenz a.a.O. - mit diesem Urteil wurde das vom Betroffenen zitierte Urteil des AG Kaiserslautern vom 14.03.2012 - 6270 Js 9747/11.1 OWi aufgehoben). Solche Anhaltspunkte lagen hier - s.o. - nicht vor.

Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 29. Januar 2013 - III-1 RBs 2/13
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Verkehrsrecht / Sicherheitsabstand

Kein Beweis mit unscharfem Frontfoto

Ein Foto nach einem Verkehrsverstoß muss deutlich sein, um den Betroffenen zu überführen. Ist das nicht der Fall, muss der Richter detailliert darlegen, warum er den Fahrer dennoch identifizieren konnte. Ein pauschaler Hinweis auf das Bild reicht nicht aus, entschied das Oberlandesgericht Bamberg am 22. Februar 2012 (AZ: 2 Ss OWi 143/12). Damit hob das Gericht eine Entscheidung des Amtsgerichts auf, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Eine Autofahrerin wurde wegen ungenügenden Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt. Der Richter des Amtsgerichts identifizierte die Frau pauschal anhand eines Frontfotos der Videoüberwachungsanlage. Tatsächlich war die Frau aber nur schwer auf dem Bild zu erkennen: Die Kinnpartie wurde durch Armaturenbrett und Lenkrad verdeckt, die Augenpartie samt der Augenbrauen durch eine große Sonnenbrille. Daher hob das Oberlandesgericht das Urteil wieder auf. Der Richter des Amtsgerichts hätte die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale benennen und beschreiben müssen, die ihm die Identifizierung ermöglicht hätten. Das Urteil wurde dem Amtsgericht zur erneuten Entscheidung vorgelegt.

OLG Bamberg, 22.02.2012 – Az.: 2 Ss OWi 401/12 –
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Bußgeld / rote Ampel

Das Umfahren einer roten Ampel durch Überqueren eines Tankstellengeländes stellt keinen qualifizierten Rotlichtverstoß dar.

Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss vom 2.7.2013 - 1 RBs 98/13 entschieden, dass es keinen qualifizierten Rotlichtverstoß darstellt, wenn eine rote Ampel durch das Durchfahren eines Tankstellengeländes umgangen wird. Biegt man also vor der Ampel auf einen nicht von ihr geschützten Bereich ab und fährt nach Durchqueren des Geländes hinter der Ampel wieder in den geschützten Verkehrsraum ein, so begeht man keine Ordnungswidrigkeit. Vielmehr nutzt der Verkehrsteilnehmer nach Ansicht des Gerichts lediglich eine Lücke aus, die es ihm ermöglicht, sich außerhalb des Haltegebots fortzubewegen. Das sonst auch zulässige Auffahren und Verlassen eines Privatgrundstücks werde nicht dadurch zur Ordnungswidrigkeit, dass es durch die Absicht, das Warten vor der roten Ampel zu umgehen, motiviert ist.

Anwalt für Strafrecht: Geldfälschung

Wer gefälschtes Geld bei der Bundesbank abgibt, damit dieses eingezogen und ggf. vernichtet wird, macht sich nicht gem. § 146 StGB strafbar durch Inverkehrbringen von Falschgeld.

Der BGH hat mit Beschluss vom 20.11.2012 (2 StR 189/12) entschieden, dass die Abgabe gefälschten Geldes bei der Bundesbank nicht den Tatbestand des Inverkehrbringens im Sinne des § 146 StGB (Geldfälschung) erfüllt. Die Bundesbank ist die zuständige Behörde für die Annahme und Entwertung beschädigter oder gefälschter Münzen und Geldscheine. Wird das Geld dort mit dem Ziel abgegeben, das Geld zu vernichten und den Nennwert zu erstatten, wird es nicht in den allgemeinen Zahlungsverkehr gebracht. Folglich ist es unwahrscheinlich, dass ein Dritter das Falschgeld erhält und damit nach Belieben umgehen kann. Anders ist die Situation, wenn das Geld bei einer Bank eingezahlt oder einfach weggeworfen wird. Dann nämlich besteht die Gefahr des Inverkehrbringens in den allgemeinen Zahlungsverkehr. Auch wer Münzen fälscht oder sich gefälschte Münzen verschafft, um sie bei der Bundesbank abzugeben und den Nennwert ersetzt zu bekommen, macht sich nicht gem. § 146 StGB strafbar.

Anwalt für Strafrecht: Widerstand / Körperverletzung

Der Tatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 Abs. 3 StGB ist nicht erfüllt, wenn Polizeibeamte dem Betroffenen falsch belehren und die Diensthandlung dadurch rechtwidrig i. S. d. § 113 Abs. 3 S. 1 StGB ist.

Mit Beschluss vom 23.07.2012 – 31 Ss 27/12 - hob das OLG Celle die Verurteilung eines Angeklagten wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und einer vorsätzliche Körperverletzung auf. Der Angeklagte wurde von zwei Polizeibeamten wegen des Verdachts einer Trunkeinheitsfahrt angehalten. Allerdings belehrten die Polizeibeamten den Angeklagten nicht über den konkreten Verdacht einer Verkehrsstraftat, sondern eröffneten gegenüber diesen lediglich die Durchführung einer allgemeinen Verkehrskontrolle. Auf die Frage des Angeklagten nach der Berechtigung ihres Vorgehens, wurde diesem erklärt, dass die Polizeibeamten jederzeit das Recht hätten, eine allgemeine Fahrzeugkontrolle i. S. d. § 36 Abs. 5 StVO durchzuführen. Der Angeklagte setze sich daraufhin mit Beschimpfung und körperlicher Gewalt zur Wehr. Es kam zu einer Rangelei beim sich ein Polizeibeamter körperliche Schmerzen zuzog. Daraufhin brachte ein Polizeibeamter den Angeklagten zu Boden, wo er diesen dann wegen des Verdachts der Straftaten der Beleidigung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte belehrte.

Das OLG Celle machte in seinem Beschluss deutlich, dass der Tatbestand des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 Abs. 3 StGB als objektive Bedingung der Strafbarkeit voraus setzt, dass die maßgebliche Diensthandlung der ein Widerstand entgegengesetzt wird, rechtmäßig ist. Wird die Rechtmäßigkeit einer Diensthandlung nicht bewiesen, so stellt die Diensthandlung einen rechtswidrigen Angriff da, gegen den der Betroffene grundsätzlich ein Notwehrrecht besitzt (BGHSt 4, 163). Dies erfasst auch eine hiermit in Zusammenhang stehende Körperverletzung (OLG Hamm, GA 73, 245). Der Entscheidung zufolge haben die tätig gewordenen Polizeibeamten den Betroffen im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle zur Herausgabe seiner Fahrzeugpapiere aufgefordert. Über die den konkreten Verdacht einer Verkehrsstraftat oder eine Ordnungswidrigkeit wurde der Betroffen jedoch nicht belehrt. Weiterhin wurde dem Betroffen auf seine Frage nach der Berechtigung ihres Vorgehens erklärt, dass die Polizeibeamten jederzeit das Recht hätten, eine Fahrzeugkontrolle i. S. d. § 36 Abs. 5 StVO durchzuführen und die Verkehrstauglichkeit des Fahrers zu überprüfen. Allerdings besteht für die allgemeine Verkehrskontrolle kein Raum, wenn das Anhalten eines Verkehrsteilnehmers wegen des konkreten Verdachts einer Verkehrsstraftat oder Verkehrsordnungswidrigkeit erfolgt ist (BGH NStZ 1984, 270).

Zwar wurde der Betroffenen hier auch über den Tatvorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und der vorsätzlichen Körperverletzung belehrt, jedoch nicht über den konkreten Verdacht der Trunkenheitsfahrt, einer Ordnungswidrigkeit oder zu mindestens eines Versuchs der Trunkenheitsfahrt. Dies führt zum Fehlen der Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Diensthandlung der Polizeibeamten und berechtigte den Betroffen damit zur Ausübung seines Notwehrrechts. Damit sprach das Gericht den Anklagten vom Vorwurf der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und der vorsätzlichen Körperverletzung frei.

Anwalt für Strafrecht: Drogeneinfuhr

Bestellt der Käufer Drogen im Ausland und bleibt es dabei dem Verkäufer und den von ihm beauftragten Kurieren überlassen, wie die bestellten Betäubungsmittel nach Deutschland gelangen, scheidet eine Strafbarkeit des Käufers wegen einer mittäterschaftlichen Einfuhr von Btm regelmäßig aus.

Mit Beschluss vom 25.9.2012 hob der 4. Strafsenat des BGH (4 StR 137/12) die Verurteilung eines Angeklagten wegen mittäterschaftlich begangener unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln auf. Der Angeklagte hatte bei einem auf Mallorca lebenden Drogenhändler Kokain bestellt und von diesem insgesamt 1065 Gramm Kokain erhalten. Die Einfuhr des Kokains nach Deutschland organisierte der Drogenhändler selbst und bediente sich dabei anderen Drogenkurieren. Obwohl das Kokain in Deutschland auf Anweisung des Angeklagten übernommen wurde, sah der BGH darin keine täterschaftliche Einfuhr. Diese scheide regelmäßig aus, wenn sich der Käufer darauf beschränkt, Betäubungsmittel im Ausland zu bestellen und es dem Verkäufer und den von ihm beauftragten Kurieren überlassen bleibt, wie die bestellten Drogen nach Deutschland gelangen. In diesen Konstellationen sei der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und das Vorhandensein von Tatherrschaft, nicht im erforderlichen Umfang gegeben. Denn Tatherrschaft würde voraussetzen, dass die Durchführung und der Ausgang der Einfuhr von Betäubungsmitteln maßgeblich vom Willen des Angeklagten abhängen. Dies war im vorliegenden Fall allerdings nicht erfüllt, da der Angeklagte lediglich eine Übernahme in Deutschland angewiesen hat. Das Verbringen des Rauschgifts über die deutsche Grenze war hingegen nicht Teil des vereinbarten Gesamtkonzepts.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung mit Todesfolge

Wird ein Brechmitteleinsatz zum Auffinden von Drogen fortgesetzt, obwohl das Opfer sich in einem körperlich kritischen Zustand befindet, so ist der Todeseintritt für einen erfahrenen Facharzt vorhersehbar und erfüllt damit den Tatbestand einer Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB.

In seinem Urteil vom 20.06.2012 – 5 StR 536/11 hob der BGH den zweiten Freispruch eines vor dem Landgericht Bremen Angeklagten Arztes im Hinblick auf den tödlichen Einsatz von Brechmitteln bei einem mutmaßlichen Drogenkurier erneut auf. Das Opfer war Anfang 2005 in Polizeigewahrsam gestorben, nachdem ihm der Arzt trotz seines kritischen Gesundheitszustandes gewaltsam Brechmittel eingeflößt hatte, um angeblich verschlucktes Kokain zu sichern. Das Opfer brach bei dieser Prozedur zusammen, fiel ins Koma und starb daraufhin im Krankenhaus. Das Landgericht Bremen sprach den Angeklagten in zwei Prozessen vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge frei. Diese Entscheidung kassierte der BGH nun erneut und machte deutlich, dass der Angeklagte den Todeseintritt des Opfers hätte erkennen können und müssen. Dazu führte er aus, dass die Fortsetzung des Brechmitteleinsatzes aufgrund des Risikos von erneuten Komplikationen nicht durch § 81a StPO gedeckt war und demnach eine rechtswidrige Körperverletzungshandlung darstellt. Außerdem habe der Arzt, durch die Fortführung des Brechmitteleinsatzes trotz Verschlechterung des Gesundheitszustandes beim Opfer nach der ersten Phase, seine Sorgfaltspflicht verletzt. In dieser Situation hätte er den Todeseintritt des Opfers nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten als Arzt vorhersehen müssen, auch wenn die Todesursache durch viele Faktoren ausgelöst wurde. Denn auch mit Komplikationen aufgrund nicht auf den ersten Blick erkennbarer Vorschädigungen müsse der fachkundige Arzt bei einem so gearteten Zwangseingriff stets rechnen. Der Rechtsstreit um den tödlichen Brechmitteleinsatz geht damit in die dritte Runde, die erneut vor einer anderen Schwurgerichtskammer des Landgerichts Bremen verhandelt werden muss.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Ein gewerbsmäßiger Diebstahl nach § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB liegt auch dann vor, wenn es dem Täter nicht auf eine Gewinnerzielung durch Verwertung der gestohlenen Gegenstände ankommt, sondern er die Beute der Familie schenken möchte.

In der Entscheidung 240 Ds – 1660 Js 47360/11 vom 6.6.2012 verurteilte das Amtsgericht Kassel eine 44-jährige Frau wegen dreifachen Diebstahls im besonders schweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung. Die Angeklagte hatte wiederholt Taschen und andere Bekleidungsstücke aus einem Modekaufhaus mitgenommen, um diese ihrer mittellosen Familie in Kamerun zu schenken. Dabei handelte es sich nach Ausführungen des Amtsgerichts um einen gewerbsmäßigen Diebstahl, der immer dann vorliegt, wenn der Täter sich aus der wiederholten Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang und gewisser Dauer verschaffen will, ohne dass er daraus ein kriminelles Gewerbe zu machen braucht. Einer Weiterveräußerungsabsicht des Täters bedürfe es hierfür nicht. Ferner komme es nicht darauf an, ob der Täter durch den Verkauf der gestohlenen Gegenstände einen Gewinn erzielt. Da die Angeklagte sich die Bekleidungsstücke zum Verkaufspreis als Geschenk für die Familie nicht hätte leisten können, hat sie sich Aufwendungen in erheblichem Umfang erspart und sich somit eines gewerbsmäßigen Diebstahls strafbar gemacht.

Anwalt für Strafrecht: Drogenfahrt

Keine Ordnungswidrigkeit wegen des Führens eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter Drogeneinfluss, wenn bei einem Erstkonsument der Konsumzeitpunkt schon längere Zeit zurückliegt, da hierbei in der Regel das Bewusstsein schwindet, dass der Drogenkonsum noch Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit haben könnte.

In seinem Beschluss vom 9.12.2011 führt das Kammergericht aus, dass keine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG wegen einer fahrlässigen Drogenfahrt vorliegen muss, wenn der Betroffene fahrlässig unter dem Einfluss von Drogen ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, der Konsumzeitpunkt aber schon längere Zeit zurückliegt. In diesen Fällen schwinde in der Regel das Bewusstsein, dass der Drogenkonsum noch Auswirkungen auf die Fahrfähigkeiten haben könnte. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Betroffene die Grenzen des Erstkonsums überschritten habe und deshalb als Gelegenheits- oder Dauerkonsument gelte. Denn sei der Konsum von Betäubungsmitteln so in den Lebensstil und das Lebenskonzept des Betroffenen eingepasst, dass der Betroffene lediglich die positiven Auswirkungen des Konsums erleben will, so dürfe er auch nach einer größeren Zeitspanne nicht ohne weiteres von einem vollständigen Abbau des Betäubungsmittels unter den analytischen Grenzwert des § 24a Abs. 2 StVG rechnen.

Strafprozessrecht / Durchsuchung von Wohnungen

Die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen bei einem nichtbeschuldigten Dritten ist rechtswidrig, wenn sie nur auf Schlussfolgerungen ohne hinreichend fundierte Tatsachengrundlage beruht und die Ermittlungsbehörden keine weniger einschneidende Maßnahme in Erwägung gezogen haben.

In dem Verfahren 1 Qs 72/12 vom 22.6.2012 stellte das Landgericht Limburg die Rechtswidrigkeit eines Durchsuchungsbeschlusses von Wohn- und Geschäftsräumen bei einem nichtbeschuldigten Dritten fest. Die Limburger Staatsanwaltschaft hatte einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gegen den Geschädigten beantragt, um ihre Ermittlungen gegen einen Beschuldigten wegen Hehlerei und Diebstahl voranzutreiben. Dabei erhoffte sie sich einen Beamer bei dem Geschädigten zu finden, der bei der Überführung des wegen Hehlerei Verdächtigen helfen sollte. Aufgrund des Ermittlungsgesuches wurde sogleich eine Durchsuchung bei dem Geschädigten vorgenommen, der den Beamer samt Rechnung angesichts des Beschlusses sofort freiwillig herausgab. Das Landgericht Limburg erklärte diesen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss der Staatsanwaltschaft für rechtswidrig, da ein Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG bei dem Geschädigten nicht gerechtfertigt war. Zwar ist aufgrund von § 103 StPO eine Durchsuchung bei einem Nichtbeschuldigten grundsätzlich möglich. Dazu müssen allerdings bestimmte Tatsachen vermuten lassen, dass sich bestimmte als Beweismittel dienende Gegenstände in diesen Räumen befinden. Reine Schlussfolgerungen ohne hinreichend fundierte Tatsachengrundlage seien hierbei allerdings, aufgrund der erhöhten Anforderungen der Durchsuchung bei einem nichtbeschuldigten Dritten, nicht ausreichend. Zudem hätten nach Ansicht des Gerichts zunächst weniger einschneidende Maßnahmen, wie beispielsweise die Aufforderung zur Herausgabe des Beamers, in Erwägung gezogen werden müssen. Dies erfordere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in diesem Fall nicht gewahrt worden sei und den Beschluss somit rechtswidrig mache.

Anwalt für Strafrecht: Beleidigung

Wird jemand allein aufgrund seiner Hautfarbe von der Polizei gebeten sich auszuweisen, so kann ein Vergleich des Polizeiverhaltens mit „SS-Methoden“ von der Meinungsfreiheit gerechtfertigt sein und stellt demnach keine Beleidigung gem. § 185 StGB dar.

In dem Verfahren 2 Ss 329/11 vom 20.03.2012 sprach das Oberlandesgericht Frankfurt einen Angeklagten frei, der auf die Aufforderung der Polizei, sich im Regionalexpress auszuweisen, geäußert hatte, dass ihn dies an SS-Methoden erinnere. Die Nachfrage des Beamten, ob der Angeklagte ihn beleidigen oder als Nazi beschimpfen wolle, verneinte er. Nach Ansicht des Gerichts kann die Äußerung des Angeklagten als Beleidigung im Sinne des § 185 StGB eingeordnet werden, da sie bei objektiver Bewertung nur so verstanden werden kann, als würde der Angeklagte das Vorgehen der Polizisten mit den Methoden im NS-Staat vergleichen und daher auch die handelnden Beamten selbst in die Nähe von SS-Mitgliedern rücken. Da sich die Kritik des Angeklagten jedoch in erster Linie gegen die gezielte Auswahl seiner Person aufgrund der Hautfarbe richtete und er dies jedenfalls subjektiv als Diskriminierung empfand, durfte er das polizeiliche Vorgehen unter dem Schutz der Meinungsfreiheit einer kritischen Würdigung unterziehen. Auch wenn die Wortwahl stark polemisiert war, nahm das Gericht nach einer Abwägung des Ehrschutzes und der Meinungsfreiheit eine Wahrnehmung berechtigter Interessen seitens des Angeklagten, also den Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB an. Die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung sei nicht überschritten, was sich vor allem in der deutlichen Distanzierung des Angeklagten von einer persönlichen Herabsetzung auf die Nachfrage des Beamten, gezeigt habe.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Bei gemischt genutzten Gebäuden liegt kein Wohnungseinbruchsdiebstahl vor, wenn der Täter in einen Geschäftsraum einbricht und es ihm darum geht, von dort ohne weitere Hindernisse aus dem Wohnbereich stehlen zu können, jedoch nur soweit die Räumlichkeiten vom Wohnbereich völlig getrennt sind.

In seinem Urteil vom 22.02.2012 – 378/11 hatte sich der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit einer Reihe von Einbruchsdiebstählen in Pfarrhäuser, Zahnarztpraxen und andere Objekte zu befassen. Aufgrund der vom Landgericht unberücksichtigt gebliebenen Bewertung der Räume als Wohn- oder Geschäftsräume, sah sich der BGH gezwungen, einige grundlegende Kriterien zum Wohnungseinbruchsdiebstahl bei gemischt, also zugleich Wohn- und Geschäftszwecken, genutzten Gebäuden auszuführen.

Danach liegt ein Wohnungseinbruchsdiebstahl im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB immer dann vor, wenn der Täter nur deshalb in einen privaten Wohnraum einbricht, um von dort ungehindert in die Geschäftsräume zu gelangen und dort zu stehlen. Folglich kann kein Wohnungseinbruchsdiebstahl angenommen werden, wenn der Täter in einen Geschäftsraum einbricht und es ihm nur darum geht, von dort ohne weitere Hindernisse in den Wohnbereich zu gelangen und dort zu stehlen. Dies gilt allerdings nur, wenn die geschäftlichen Räumlichkeiten vom Wohnbereich völlig getrennt sind. Dagegen liegt ein Wohnungseinbruchsdiebstahl vor, wenn in einen Raum eingebrochen wird, der zwar ausschließlich beruflich genutzt wird, aber derart in den Wohnbereich integriert ist, dass insgesamt eine geschlossene Einheit vorliegt, wie beispielsweise bei einem Büro eines Rechtsanwalts in dessen Wohnung.

Vergleichbares gilt nach Ausführgen des BGH auch für Einbrüche in Nebenräume, wie Keller oder Garagen. Auch hier kann kein Wohnungseinbruchsdiebstahl angenommen werden, wenn die Räume abgeschlossen oder selbstständig sind. Bricht der Täter allerdings in den Keller eines Einfamilienhauses ein, so stellt dieses einen Wohnungseinbruchsdiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB dar, weil dieser dem Begriff des Wohnens typischerweise zuzuordnen ist.

Anwalt für Strafrecht: Üble Nachrede / Beleidigung

Bei einem Angriff auf die Ehre eines Menschen muss das Gericht im Rahmen einer möglichen Strafbarkeit wegen Beleidigung oder übler Nachrede aufgrund unterschiedlicher Strafbarkeitsgrenzen eine Abgrenzung zwischen Werturteil und Tatsachenbehauptung vornehmen.

In einer Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 30.04.12 – 161 Ss 80/12 – musste sich das Kammergericht Berlin im Rahmen einer Verurteilung wegen Verleumdung als Revisionsgericht mit der Frage auseinandersetzen, ob die Formulierung „Alkoholiker“ eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil darstellt. Werturteile sind unter Berücksichtigung der von Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit auf etwaiges strafrechtlich relevantes ehrverletzendes Verhalten zu prüfen. Die strafrechtliche Beurteilung von Tatsachenbehauptungen wird grundsätzlich vom Wahrheitsgehalt der Aussage abhängig gemacht. Ein Werturteil kann auch vorliegen, wenn der tatsächliche Gehalt einer Äußerung so substanzarm ist, dass auch ein etwaig erkennbarer Tatsachenkern gegenüber der persönlichen Wertung vollständig in den Hintergrund tritt. Bei der notwendigen Auslegung einer Formulierung darf das Gericht auch nicht einseitig auf die für den Beschuldigten ungünstigste Auslegungsalternative abstellen. Vielmehr sind alternative, nicht völlig abwegige Deutungsmöglichkeiten einer Aussage mit schlüssigen Argumenten auszuschließen, bevor eine Verurteilung wegen Beleidigung oder Verleumdung erfolgen kann.

Straßenverkehrsrecht / Falschparken

Auch hartnäckiges Falschparken kann den Führerschein kosten. Eine Fahrerlaubnis kann nach einem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Berlin ungeachtet der im Verkehrszentralregister eingetragenen Punktzahl auch dann entzogen werden, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nur bloße Ordnungsvorschriften nicht einhält.

Zwischen November 2010 und Juni 2012 waren mit zwei auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeugen insgesamt 144 Verkehrsordnungswidrigkeiten (127 Parkverstöße, 17 Geschwindigkeitsüberschreitungen) begangen worden. Daraufhin entzog das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten sofort vollziehbar die Fahrerlaubnis des Antragstellers. Dieser machte hiergegen geltend, Parkverstöße brächten keine Gefahr für die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer mit sich. Die Verstöße hätten zum größten Teil seine Mitarbeiter verursacht. Soweit er das Fahrzeug gefahren habe, seien lediglich 42 Verstöße auf ihn zurückzuführen. Die von ihm begangenen Parkuhrverstöße hätten häufig ihren Grund darin, dass er entweder keine Zeit oder aber kein Münzgeld gehabt habe.

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts bestätigte die Entscheidung der Behörde. Eine Fahrerlaubnis könne nicht nur bei Eintragungen im Verkehrszentralregister, sondern auch demjenigen entzogen werden, der sich aus anderen Gründen als ungeeignet erwiesen habe. Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs seien für die Beurteilung der Fahreignung relevant, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum derart häuften, dass dadurch eine laxe Einstellung und Gleichgültigkeit gegenüber Verkehrsvorschriften jedweder Art offenbar werde. Dies sei dann anzunehmen, wenn - wie hier - auf ein Jahr gesehen nahezu wöchentlich ein geringfügiger Verstoß anfalle. Der Antragsteller verkenne die von ihm ausgehende Gefahr, die in seiner unangemessenen Einstellung zu den im Interesse eines geordneten Straßenverkehrs erlassenen Rechtsvorschriften liege. Die nicht von ihm begangenen Verstöße habe er jedenfalls ermöglicht, weil er als Halter das rechtswidrige Verhalten Dritter mit auf seinen Namen zugelassenen Fahrzeugen nicht rechtzeitig und im erforderlichen Umfang unterbunden habe.

Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 10.09.2012 – Az.: VG 4 L 271.12

Straßenverkehrsrecht / Bußgeld / Geschwindigkeitsverstoß

Die Geschwindigkeitsmessung mittels des Messgerätes "PoliScan speed" stellt nach Auffassung des Amtsgerichts Aachen kein "standardisiertes Messverfahren" dar. Die Messung war vorliegend nicht gerichtsverwertbar. Die betroffene Fahrzeugführerin war daher freizusprechen.

In der Sache wurde einer Autofahrerin eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften von 48 km/h vorgeworfen. Es erging ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 170,00 €, drei Punkten im Verkehrszentralregister und einem Fahrverbot von einem Monat.

Grundlage für den Bußgeldbescheid war eine Messung mit dem Gerät Vitronic PoliScan speed, Softwareversion 1.5.5, verwendete Objektive 50mm und 75 mm, Betriebszustand automatisch, Seitenabstand zum Fahrstreifen 208 cm, Aufstellungshöhe 102 cm.

Das Gericht konnte jedoch keine sicheren Feststellungen dahin treffen, dass dieses Gerät die von der Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit tatsächlich zutreffend gemessen hat.

Der Fahrzeugführerin konnte somit die Begehung des ihr vorgeworfenen Geschwindigkeitsverstoßes nicht mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden. Beim Gericht seien nicht zu überwindende Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan speed entstanden.

Das Amtsgericht Aachen stützte sich hierzu auf das schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten eines Sachverständigen. Dieser hatte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass eine Überprüfung von konkreten Messwerten im Rahmen einer nachträglichen Richtigkeitskontrolle beim Gerät PoliScan speed nicht möglich sei. Dies liege daran, dass die Messwerte zwar grundsätzlich vorhanden seien, aber seitens der Herstellerfirma Vitronic aus patentrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt würden. Es gebe ein erhebliches Informationsdefizit zulasten der Sachverständigen, weshalb das Gerät als eine „Black Box“ beschrieben werden müsse. Aus diesem Grund sei lediglich eine näherungsweise Feststellung der Geschwindigkeit unter Analyse des Messfotos mit Hilfe des sogenannten „Smear-Effekts“ möglich. Hierbei handele es sich nur um eine Pseudoauswertung, die mit einer Analyse der Messdaten nichts zu tun habe. Es komme dabei zu Abweichungen von bis zu 15% zu dem auf dem Messfoto angezeigten Wert.

Das Gericht war auch nicht in der Lage, die Richtigkeit der Messung unter Berücksichtigung von PoliScan speed als standardisiertes Messverfahren zugrundezulegen. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei PoliScan speed nicht um ein standardisiertes Messverfahren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist unter einem standardisierten Messverfahren ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Der BGH hat in einer früheren Entscheidung ebenfalls zu Geschwindigkeitsmessungen ausgeführt, dass die amtliche Zulassung von Geräten und Methoden ebenso wie die Reduzierung des gemessenen Wertes um einen – die systemimmanenten Messfehler erfassenden – Toleranzwert gerade den Zweck verfolgen soll, Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalles freizustellen. Es entspreche allgemein anerkannter Praxis, dass auch im Bereich technischer Messungen Fehlerquellen nur zu erörtern seien, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung. Technische Messsysteme, deren Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zur innerstaatlichen Eichung zugelassen sei, würden in diesem Zusammenhang grundsätzlich als standardisierte Messverfahren anerkannt. Zu diesem Themenkomplex muss allerdings angemerkt werden, dass es keine Dogmatik des BGH zum Begriff des standardisierten Messverfahrens gibt. Der Begriff standardisiertes Verfahren ist überhaupt zum ersten Mal im Urteil des BGH vom 29.09.1992, Az.: 1 StR 494/92, aufgetaucht, in dem es um ein daktyloskopisches Gutachten ging. Dort ließ der BGH die Mitteilung des Ergebnisses ausreichen, wenn von keiner Seite Einwände gegen die Tauglichkeit der gesicherten Spur und die Zuverlässigkeit der Begutachtung erhoben würden.

Die Obergerichte, denen als Rechtsbeschwerdegerichte in OWi-Sachen regelmäßig Sachverhalte mit dem Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan speed zur Entscheidung vorliegen, beschränken sich nunmehr auf die Feststellung, dass dieses von der PTB zugelassene Messsystem ein standardisiertes sei. Das OLG Düsseldorf hat das in einer Entscheidung dahingehend zusammengefasst, dass die Zulassung durch die PTB stets dazu führe, dass ein Messsystem zu einem standardisierten werde. Dieser durch das OLG Düsseldorf gezogene Schluss ist im Hinblick auf die BGH-Rechtsprechung folgerichtig.

Aus Sicht des rechtssuchenden Bürgers wäre diese Konstruktion hinnehmbar, wenn zumindest die Möglichkeit für gerichtlich bestellte Sachverständige bestünde, die Grundlagen für die Zulassung, insbesondere die exakte Funktionsweise des Messsystems, bei der PTB zu überprüfen, oder aber die Prüfung durch die PTB über jeden Zweifel erhaben wäre.

Ebenso wie die Herstellerfirma des Geräts PoliScan speed gewährt jedoch nach den glaubhaften Angaben des im vorliegenden Prozess bestellten gerichtlichen Sachverständigen auch die PTB keinen Zugang zu den relevanten Daten, ebenfalls mit Verweis auf patentrechtliche Bestimmungen zugunsten der Herstellerfirma. Im Rahmen einer Güterabwägung ist jedoch der Wahrheitsfindung im Bußgeldprozess der Vorrang gegenüber dem Interesse der Herstellerfirma an der Geheimhaltung der technischen Bauweise des Messgeräts einzuräumen. Es ist zwar leicht einsehbar, dass es für die Herstellerfirmen bequemer ist, den unbefugten Nachbau ihrer Geräte durch Geheimhaltung der technischen Spezifikationen als durch die Führung von Patentprozessen zu verhindern. Andererseits werden aufgrund von Messungen mit PoliScan speed bundesweit jährlich tausende Fahrverbote verhängt, die gravierende berufliche Folgen für die Betroffenen haben. Aufgrund der heute von den Arbeitnehmern verlangten Mobilität und der Lage auf dem Arbeitsmarkt ist es der Regelfall, dass bereits ein einmonatiges Fahrverbot zum Verlust des Arbeitsplatzes führt. Dieser Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG lässt sich durch Geheimhaltungsinteressen der Herstellerfirmen nicht rechtfertigen, zumal diese tatsächlich die Möglichkeit haben, gegebenenfalls eintretende Patentrechtsverletzungen gerichtlich geltend zu machen. Eine Firma, die sich darauf spezialisiert, Messgeräte herzustellen, mit denen regelmäßig in die Berufsfreiheit Dritter eingegriffen wird, hat diese Kontrolle durch Gerichte und Sachverständige hinzunehmen. Darüber hinaus erscheint es auch nicht nachvollziehbar, dass gerade die Untersuchung von Geräten und Messdaten durch gerichtlich bestellte und damit zur Verschwiegenheit verpflichtete Sachverständige dazu führen soll, dass Patentverletzungen Vorschub geleistet wird. Sollte tatsächlich jemand ein Interesse am unbefugten Nachbau von PoliScan speed haben, wäre es, anstatt an gerichtliche Sachverständige heranzutreten, analog zum Nachbau von deutschen Kraftfahrzeugen im Ausland für ihn naheliegender, schlicht und einfach einen Satz PoliScan speed zu kaufen und im Ausland nach allen Regeln der Kunst auseinanderzubauen.

All dies könnte natürlich vernachlässigt werden, wenn die Prüfung durch die PTB keine Angriffspunkte böte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine nähere Untersuchung der Prüfungsweise der PTB anhand der Prüfung des vorliegenden Geräts PoliScan speed zeigt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Prüfungen der PTB automatisch zu einer Anerkennung als standardisiertes Messverfahren führen.

So werden in der Literatur zum Beispiel Zweifel angemeldet, ob bei der PTB die Messwerterhebung durch PoliScan speed messtechnisch nachvollzogen werden kann. Die Vorgabe bei der PTB ist, dass jedem gültigen Geschwindigkeitsmesswert des neu zuzulassenden Geräts ein gültiger Wert einer Referenzmessung mit einem anderen Gerät gegenüberzustellen ist. Da jedoch die Referenzanlagen im Gegensatz zu PoliScan speed keine ausgedehnte Messzone, sondern nur kurze Messstrecken sowie Messzeiten überwachen, ist mithilfe der PTB-Referenzquellen eine Überprüfung eventueller Geschwindigkeitsschwankungen im Rahmen einer 25-30m langen Auswertestrecke beim PoliScan speed-Verfahren nicht möglich. Darüber hinaus wird in der Literatur vertreten, dass der auf PoliScan-Fotos eingeblendete Auswerterahmen nicht den Vorgaben der PTB (Ablichtung des Bereichs der Messwertbildung) entspricht, da der Bereich der Messwertbildung bei PoliScan speed deutlich früher stattfindet als der Moment der Auslösung des Fotos. Desweiteren ist nachgewiesen worden, dass der Auswerterahmen in bestimmten Konstellationen, insbesondere im unteren Geschwindigkeitsbereich, sogar auf stehenden Fahrzeugen zu sehen sein kann, wenn das gemessene Fahrzeug plötzlich nach rechts lenkt. Für solche Fälle hätte die PTB einen aufmerksamen Messbetrieb oder eine besondere Beschaffenheit der Messstelle vorschreiben müssen, was nicht geschehen sei. Die Zuordnung des Auswerterahmens ist auch bei mehreren durchs Bild fahrenden Fahrzeugen ein Problem. Dies führte dazu, dass sich das OLG Karlsruhe mit der Krücke behalf, jedenfalls bei Erfassung lediglich eines Fahrzeuges funktioniere das Gerät einwandfrei. Wie prüft aber das OLG Karlsruhe, ob nicht ein Fahrzeug die Messung verursacht hat, welches im Bild nicht mehr zu sehen ist?

Auch im Hinblick auf die im vorliegenden Fall verwendete Softwareversion 1.5.5. erscheinen Bedenken angebracht. Diese Version wurde vom Hersteller von PoliScan speed als Nachfolgerin der Versionen 1.5.3 und 1.5.4 in Umlauf gebracht, nachdem dort Probleme mit einer verzögerten Kameraauslösung aufgetreten waren. Diese führten dazu, dass es in 1-2% der Fälle zu Bildauslösungen mit Verzögerungen von 0,1 bis 0,15 Sekunden kam. Die Einführung der neuen Version geschah, obwohl der Hersteller nicht feststellen konnte, unter welchen Bedingungen der genannte Fehler auftrat. Es ist anzumerken, dass vor Einführung der neuen Version nahezu bei allen Geräten die beschriebenen Kamerafehlfunktionen aufgetreten sind. Diese Probleme wurden von der Herstellerfirma Vitronic erkannt und führten zur Entwicklung der neuen Version 1.5.5, allerdings ohne alle Betreiber der Anlagen über die Fehlfunktionen zu informieren, sodass es weiter zu Messungen mit den fehlerhaften Versionen kam. In diesem Zusammenhang muss hinterfragt werden, ob die PTB ihrer Aufgabe bei der Überwachung der Zulassung der Geräte tatsächlich nachgekommen ist. Auch für die im vorliegenden Fall verwendete Version 1.5.5 sind Hinweise vorhanden, dass es zu verzögerten Fotoauslösungen kommen kann. Der Fehler konnte daher nicht behoben, sondern lediglich die Auswirkungen durch eine Überwachung des Zeitpunkts des Belichtungssignals der Kameraeinheit eingegrenzt werden. Da diese Überwachung jedoch nicht funktionierte, hat auch die neue Softwareversion keine wesentlichen Verbesserungen mit sich gebracht. Darüber hinaus erstaunt, wenn bei Bekanntwerden von Fehlern einer alten Software zwar die neue Software durch die PTB zugelassen, die alte aber bis zur nächsten Eichung (die über ein Jahr später liegen kann) weiter benutzt werden darf.

Es ist derzeit so, dass ein Gerät zur PTB geschickt wird, mit einem Stempel der PTB aufgrund eines wie auch immer gearteten Prüfungsverfahrens zurückkommt und sodann aufgrund des PTB-Gütesiegels für den Einsatz als standardisiertes Messsystem zur Verfügung steht. In diesem Stadium eröffnen sich keinerlei Rechtsschutzmöglichkeiten für den Bürger, da er durch die die Herstellerfirma begünstigende Zulassung nicht unmittelbar drittbetroffen ist. Bei einer Messung durch das Messgerät wird ihm dann durch die Obergerichte entgegnet, dass das Gerät zugelassen sei und deshalb keine Überprüfungsmöglichkeiten bestünden. Diese Argumentation ist jedoch nicht schlüssig, da es aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, insbesondere unter dem Blickwinkel des Gewaltenteilungsprinzips, nicht hinnehmbar ist, dass Gerichte ohne die Möglichkeit eigener Überprüfung Bescheide und Genehmigungen von Behörden als unumstößlich hinnehmen. In diesem Zusammenhang mutet es skurril an, dass mit der Begründung, eine Behörde habe die Unfehlbarkeit des Messgerätes festgestellt, die Bußgeldbescheide von anderen Behörden, die mit diesem Messgerät arbeiten, ebenfalls faktisch unangreifbar werden.

Aus praktischer Sicht sei angemerkt, dass durch die Offenlegung der Messdaten durch die Herstellerfirma oder die PTB sicherlich keine Gutachtenflut und Kostenexplosion auftreten würde. Funktioniert das Gerät einwandfrei und lässt sich dies durch die Messdaten nachweisen, wird dies durch Gutachten bestätigt werden. Die Zuverlässigkeit des Gerätes wäre dann früher oder später aufgrund dieser konkreten Gutachten allgemein bekannt, sodass dann tatsächlich auf das Gerät als standardisiertes Messverfahren verwiesen werden kann und keine weiteren Gutachten mehr erforderlich sind. Darüber hinaus würde der PTB, die in ihrem Bereich über ein deutschlandweites Monopol verfügt, sicherlich ein gewisses Maß an gerichtlicher Kontrolle nicht schaden, allein schon um die Transparenz ihrer Prüfungen zu gewährleisten.

Amtsgericht Aachen, Urteil vom 10.12.2012 – Az.: 444 OWi-606 Js 31/12-93/12

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Ein Schlag mit der Hand gegen die von einem Pressefotografen vor seinem Gesicht gehaltene Kamera erfüllt nicht ohne weiteres den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung durch Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs.

Das Oberlandesgericht Hamburg stellte mit Beschluss vom 5.4.2012 – Aktenzeichen 3-14/12 unter anderem fest, dass es sich bei einer Kamera nicht zwingend um ein gefährliches Werkzeug handelt.

Ein gefährliches Werkzeug ist ein Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach Art der Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Dabei kommt es nach Ausführungen des Gerichts entscheidend auf die Erheblichkeit der Verletzungen an, die der Täter durch den Einsatz des Werkzeuges verursacht hat oder verursachen wollte.

Im zu verhandelnden Fall hatte der Angeklagte mit flacher Hand gegen die Kamera eines Pressefotografen geschlagen, um weitere Bildaufnahmen zu verhindern. Dadurch, dass die Kamera gegen das Gesicht des Fotografen gedrückt wurde, erlitt dieser Schmerzen im Oberkiefer und Kopfschmerzen, die allerdings nicht behandelt werden mussten und nach wenigen Tagen wieder verschwunden waren. Diese Verletzungen stufte das Oberlandesgericht als vergleichsweise gering ein. Auch hätten sie durch einen Schlag mit der bloßen Hand in das Gesicht herbeigeführt werden können. Außerdem habe das Landgericht nicht hinreichend belegt, dass der Angeklagte durch den Schlag tatsächlich erhebliche Verletzungen verursachen wollte. Auf dieser Grundlage sei lediglich eine Verurteilung wegen einfacher Körperverletzung möglich gewesen. Die Strafe einer gefährlichen Körperverletzung beträgt Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Im Gegensatz hierzu sieht das Gesetz für eine einfache Körperverletzung lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor.

Anwalt für Strafrecht: Alkohol / Schuldfähigkeit

Trotz hohem Blutalkoholwert von 3,88‰ muss keine Schuldunfähigkeit vorliegen

Das Landgericht Kleve hat mit Urteil vom 26.01.2012 (120 KLs 41/11) entschieden, dass der Täter trotz einer hohen Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3,88 Promille nicht zwangsläufig schuldunfähig (§ 20 StGB) ist. Regelmäßig wird zwar die Schuldunfähigkeit des Täters bei einer BAK von 3‰ ( 3,3‰ bei schweren Angriffen gegen die körperliche Unversehrtheit) gesehen. Ein höherer Grenzwert kann aber unter Berücksichtigung der Trinkgewohnheiten des Täters im Einzelfall angenommen werden, auch wenn die BAK nicht durch eine Blutentnahme nach der Tat ermittelt, sondern später anhand der Widmark-Formel berechnet wird. So kann nämlich bei Betrachtung aller relevanten Umstände auch nur eine verminderte Steuerungsfähigkeit des Täters vorliegen, die nicht zum Ausschluss der Schuldfähigkeit führt.

Straßenverkehrsrecht / Fahrtenbuch

Die Führung eines Fahrtenbuches kann auch dann angeordnet werden, wenn der Fahrzeughalter an der Feststellung eines Verkehrsverstoßes mitgewirkt hat, die Ermittlungsbemühungen der Behörde aber dennoch erfolglos blieben.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger in einem Anhörungsbogen zu einem Verkehrsverstoß angegeben, das Fahrzeug werde auch von seinen beiden Söhnen geführt. Bei den Beiden handele es sich um eineiige Zwillinge. Die Söhne selbst erklärten, sich zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes im Fahrzeug befunden zu haben. Wer von ihnen das Fahrzeug geführt habe, könne nicht mehr gesagt werden.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden ist die Auferlegung eines Fahrtenbuchs nicht davon abhängig zu machen, ob der Fahrzeughalter die Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu vertreten hat. Die Führung eines Fahrtenbuches könne auch dann angeordnet werden, wenn der Fahrzeughalter an der Feststellung mitgewirkt habe, die gebotenen Ermittlungsbemühungen der Behörde gleichwohl " aus welchen Gründen auch immer " erfolglos geblieben seien.

Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 17.01.2013 – Az.: 2 K 1957/12

Anwalt für Strafrecht

Bringt der Angeschuldigte auf einem Verkehrszeichen ein Hakenkreuz mit Papierfetzen eines Bieretiketts an und entfernt dieses sofort wieder, ohne dass ein nicht überschaubarer Personenkreis davon Kenntnis genommen hat, liegt kein öffentliches Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB vor.

Das Amtsgericht Rudolstadt lehnte in seinem Beschluss 375 Js 28454/12 -1 Ds jug vom 5.12.2012 die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen Angeschuldigten ab, der von der Staatsanwaltschaft wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB angeklagt wurde. Der Angeschuldigte hatte ein nationalsozialistisches Kennzeichen auf einem Verkehrsschild angebracht, indem er angefeuchtete und zerteilte Fetzen eines Bieretiketts in Form eines Hakenkreuzes auf dem Schild anordnete. Noch bevor es ihm gelungen war, das Zeichen wieder abzuwischen, wurde er von zwei Polizeibeamten entdeckt. Das Gericht führte hierzu aus, dass eine Verwendung eines nationalsozialistischen Kennzeichens im Sinne des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB erst dann vorliegt, wenn die Art der Verwendung die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche, nähere Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis ermöglicht. Dabei sei nicht die Öffentlichkeit des Ortes, sondern der unbestimmte und unbeschränkte Personenkreis, für den das Kennzeichen wahrnehmbar ist, entscheidend. Folglich fehle es regelmäßig an der Öffentlichkeit der Verwendung, wenn das Kennzeichen nur gegenüber einzelnen Personen gebraucht wird. Die bloße Möglichkeit des Hinzutretens von Dritten reiche nicht aus. Da das Hakenkreuz lediglich von den beiden Polizeibeamten gesehen wurde und zudem beim Antreffen des Streifenwagens sofort entfernt wurde, konnte das Amtsgericht hier mangels Erfüllung des Tatbestandes kein Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten eröffnen.

Anwalt für Strafrecht

Prüfung einer sexuellen Nötigung unter Ausnutzen einer schutzlosen Lage erfordert Auseinandersetzung mit einer eventuellen Fluchtmöglichkeit

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 20.03.12 (4 StR 561/11) entschieden, dass bei der Prüfung einer sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB eventuelle Schutzmöglichkeiten, namentlich das Vorhandensein von Fluchtmöglichkeiten des Opfers zu berücksichtigen sind. Um festzustellen, ob eine schutzlose Lage des Opfers vorliegt, in der es sich den Gewalthandlungen des Täters nicht entziehen kann, ist eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände vorzunehmen. Neben den äußeren Gegebenheiten (beispielsweise Beschaffenheit des Tatortes, Erreichbarkeit fremder Hilfe, Fluchtmöglichkeiten) ist auch das Vermögen des Opfers, Widerstand zu leisten oder erfolgreich die Flucht zu ergreifen, zu berücksichtigen.

Drogenstrafrecht / Btm

Vermittelt der Täter Drogengeschäfte über große Mengen Marihuana zwischen ihm bekannten Erwerbern und Verkäufern in den Niederlanden, so ist er lediglich als Gehilfe zum unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Btm) zu bestrafen, wenn er keinen Einfluss auf angefragte Mengen und deren Preise hatte, sondern lediglich bei der Abwicklung des Kaufs anwesend war.

Mit Beschluss vom 14.08.2012 – 3 StR 274/12 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass bei bloßer Vermittlung und Begleitung eines fremden Umsatzgeschäfts keine Täterschaft, sondern lediglich Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vorliegt. Denn dem Gericht zufolge ist Mittäter ausschließlich derjenige, der nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Beitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Vermittelt und begleitet der Täter jedoch nur fremde Umsatzgeschäfte, so stelle dies keine ausreichend gewichtige Aktivität des Täters dar. Damit wurde die Verurteilung des Angeklagten vor dem Landgericht Bückeburg wegen täterschaftlichem Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verworfen, da der Angeklagte nach Ansicht des BGH keinen eigenen Einfluss auf die Tat hatte. Er konnte weder Menge noch Preis für den Weiterkauf bestimmen und wirkte nur an der Tat mit, um eine vergleichsweise geringe Entlohnung zu erhalten und sich als Vermittler bekannt zu machen. Dies begründe an sich noch keine ausreichend gewichtigen Aktivitäten, die eine Täterschaft des Angeklagten hätten begründen können.

Straßenverkehrsrecht / Bußgeldverfahren

Wenn die Verteidigung ihr Recht auf Einsichtnahme in eine Bedienungsanleitung eines Atemalkoholtestgerätes im Falle des Fahrens unter Alkoholeinfluss geltend macht, ist eine Kopie der Anleitung zur Gerichtsakte zu nehmen. Der Betroffene ist nicht verpflichtet, sich selbst die Bedienungsanleitung zu einem Messgerät zu verschaffen und dafür gegebenenfalls Kosten aufzuwenden.

Im Rahmen einer Bußgeldsache hatte ein Rechtsanwalt von der zuständigen Behörde verlangt, eine Kopie der Bedienungsanleitung des bei der Alkoholkontrolle seines Mandanten verwendeten Atemalkoholtestgerätes Dräger 7120 Evidential übersandt zu bekommen.

Da die Behörde seinem Drängen nicht nachgab, musste gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Das Amtsgericht Königs Wusterhausen entschied, dass die Verwaltungsbehörde eine vollständige Kopie der Bedienungsanleitung des Atemalkoholtestgerätes zur Gerichtsakte zu nehmen und der Verteidigung sodann Akteneinsicht zu gewähren hat.

Aus dem Recht zur umfassenden Verteidigung folge, dass der Betroffene Kenntnis von allen die Entscheidung begründenden Tatsachen haben muss. Hierzu gehöre auch die Gewinnung von Beweisen, wobei beim Einsatz von Messgeräten auch die Kenntnis der Bedienungsanleitung dazu gehöre.

Bedarf es einer Bedienungsanleitung, um den Behördenmitarbeitern die ordnungsgemäße Bedienung eines Geräts zu ermöglichen, muss der Betroffene überprüfen können, ob die Mitarbeiter bei der Messung bedienungsanleitungsgemäß gearbeitet haben. Hierzu ist die Kenntnis der Bedienungsanleitung selbst nötig.

Allerdings müsse die Anleitung dem Betroffenen nicht in Kopie übersandt werden. Um dem Recht auf eine sachgerechte Verteidigung genüge zu tun, reiche es, wenn die Bedienungsanleitung zur Gerichtsakte gelange, da so auch das Gericht die Anleitung zur Kenntnis nehmen könne. Dem Betroffenen sei dann die Möglichkeit gegeben, die Anleitung im Wege der Akteneinsicht zur Kenntnis zu nehmen und zu kopieren.

AG Königs Wusterhausen, Beschluss vom 31.07.2012 – Az.: 2.4 OWi 401/12

Anwalt für Strafrecht: Raub

Behält der Täter eine Fanjacke des gegnerischen Fußballclubs, um später frei darüber entscheiden zu können, in welcher Form er mit dieser verfährt, so handelt er mit der für den Raubtatbestand nach § 249 Abs. 1 StGB erforderlichen Zueignungsabsicht.

In seinem Beschluss vom 7. November 2012 -.1 St OLG SS 258/12 entschied das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg, dass die für den Raub erforderliche Zueignungsabsicht auch dann vorliegt, wenn der Täter eine Sache mit dem Ziel wegnimmt, später frei darüber entscheiden zu können, in welcher Form er mit dieser weiter verfahren will. Damit bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth, das den Angeklagten wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt hatte. Die beiden Angeklagten hatten einem gegnerischen Fan dessen Fanjacke gewaltsam ausgezogen, um diese mitzunehmen. Erst danach wollten sie entscheiden, ob sie die Jacke vernichten oder als Trophäe und Beweis für den erfolgreichen Überfall behalten. Das Landgericht hatte die für den Raub erforderliche Zueignungsabsicht mit der Begründung angenommen, dass die Angeklagten sich der Jacke, wenn sie tatsächlich beabsichtigt hätten diese nur wegzuwerfen, schon auf dem Weg zum PKW hätten entledigen können. Dieser Argumentation pflichtete das OLG bei und betonte noch einmal, dass es den Angeklagten beim Verstecken der Jacke gerade nicht darum ging, diese zu zerstören, zu beschädigen oder sie beiseitezuschaffen. Somit komme weder eine straflose Sachentziehung noch eine Sachbeschädigung nach § 303 StGB in Betracht. Vielmehr stelle das Verhalten der Angeklagten, sich die Jacke zur weiteren Entscheidung vorzubehalten, einen Raub dar, da die erbeutete Fanjacke dem Vermögen der Angeklagten dadurch zumindest vorübergehend hinzugefügt wurde.

Anwalt für Strafrecht

Die Einziehung eines Computers als Tatwerkerzeug, mit welchem kinderpornografische Schriften heruntergeladen und abgespeichert wurden, ist nur nach pflichtgemäßem Ermessen des Tatrichters möglich.

Mit einer Verurteilung wegen Verschaffen oder Besitzes von kinderpornographischen Schriften gem. § 184 b Abs. 4 StGB, sind die Beziehungsgegenstände der Tat gem. § 184 b Abs. 6 S. 2 StGB zwingend einzuziehen.

Wurde das Verschaffen der kinderpornographischen Schriften - also das Herunterladen und Speichern der Bilddateien - mit einem Computer vorgenommen, so unterliegt nach Auffassung des BGH grundsätzlich lediglich die Festplatte als Speichermedium der Einbeziehung gem. § 184b Abs. 6 S. 2 StGB.

Allerdings machte der BGH in seiner Entscheidung vom 08.02.2012 – 4 StR 657/11 auch deutlich, dass die Einziehung des Computers als Tatwerkzeug, welcher zum Lade- und Speichervorgang der Bilddateien verwendet wurde, gem. §§ 74, 74b StGB möglich ist. Nach diesen Vorschriften kann der gesamte Computer eingezogen werden. Voraussetzung hierfür ist aber eine pflichtgemäße Ermessensausübung des Tatrichters.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Verweigert ein Zeuge aufgrund seines Zeugnisverweigerungsrechts erst in der Hauptverhandlung die Aussage, so dürfen das vom Zeugen in der polizeilichen Vernehmung übergebene Tonband und die daraus gefertigte Verschriftung nicht verwertet werden.

Nach § 252 StPO darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, nicht verlesen werden. Nach einem aktuellen Beschluss des BGH vom 23.10.2012 – 1 StR 137/12 unterliegen auch Tonbandaufnahmen, die der zeugnisverweigerungsberechtigte Zeuge der Polizei in einer früheren Vernehmung übergeben hat, diesem Verwertungsverbot.

In dem zu verhandelnden Fall war der Bruder der Angeklagten freiwillig bei der Polizei erschienen und hatte dort ein von ihm heimlich aufgenommenes Tonband übergeben, auf dem sich die Angeklagte belastende Äußerungen befanden. In der Hauptverhandlung berief er sich dann auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO und widersprach der Verwertung der polizeilichen Vernehmung. Die in die deutsche Sprache übersetzte Verschriftung des Tonbandes wurde vom Landgericht Mannheim dennoch mit der Begründung verlesen, dass das Tonband kein Bestandteil der Vernehmung und im Gegensatz zu einem Schriftstück nicht unmittelbar wahrnehmbar ist.

Auf die Revision der Verteidigung stellte der BGH fest, dass die vorgenommene Verwertung und Verschriftung des vom Zeugen übergebenen Tonbandes das Beweisverwertungsverbot des § 252 StPO verletzt. Zur Begründung führte er an, dass sich das Verbot nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen auch auf Schriftstücke erstreckt und es auf das die Beweisinformation enthaltene Speichermedium grundsätzlich nicht ankommen kann. Folglich müsse auch für die Tonbandaufzeichnung ein Verwertungsverbot gelten. Dass der Inhalt der Aufzeichnung nicht unmittelbar wahrnehmbar sei, kann nach Ansicht des BGH keine andere Behandlung rechtfertigen, da dies beispielsweise auch auf ein in einer fremden Sprache verfasstes Schriftstück zutrifft. Außerdem stelle die eigene Initiative des Zeugen keine Spontanäußerung außerhalb der Vernehmung dar, da die Niederschrift der Vernehmung von der Polizei explizit als einstündige Zeugenvernehmung gekennzeichnet wurde. Weil der BGH jedoch ausschließen konnte, dass das Urteil des Landgerichts auf diesem Rechtsfehler beruht, wurde es nicht aufgehoben und die Revision der Verteidigung als unbegründet verworfen. http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=179619789e0a2de0b7175d34aaf5ea7c&nr=62058&pos=0&anz=1

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist der Beschuldigte anzuhören. Das Gericht trägt die Beweislast, dass das Anhörungsschreiben den Beschuldigten erreicht hat.

Ein Beschuldigter ist vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers durch das Gericht aufzufordern, innerhalb einer bestimmten Frist einen Verteidiger zu benennen. Hierdurch soll der verfassungsrechtliche Anspruch gewahrt werden, durch einen Verteidiger als Pflichtverteidiger vertreten zu werden, zu dem ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. In der Regel wird ein Beschuldiger schriftlich aufgefordert, einen Verteidiger zu benennen. Nach Auffassung des Landgerichts Bochum in einer Entscheidung vom 07.03.12 – 7 Qs 3/12 - handelt es sich bei der Aufforderung, einen Verteidiger zu benennen, um eine gerichtliche Entscheidung gem. § 35 Abs. 2 StPO. Entscheidungen gem. § 35 Abs. 2 StPO sind einem Beschuldigten förmlich zuzustellen. Wird die Aufforderung, einen Pflichtverteidiger zu benennen, mittels einfachen Briefes übersandt, und lässt sich der Zugang des Schreibens nicht nachweisen, ist die Bestellung des vom Gericht ausgewählten Pflichtverteidigers aufzuheben und der Verteidiger des Beschuldigten als Pflichtverteidiger beizuordnen.

Anwalt für Strafrecht: Ausländerstrafrecht

Eine täterschaftliche Beihilfeleistung im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zur unerlaubten Einreise eines Ausländers liegt bei jeder Handlung vor, die den unerlaubten Grenzübertritt in irgendeiner Weise objektiv fördert.

In seinem Beschluss 4 StR 144/12 vom 6.6.2012 bestätigte der BGH die durch das Landgericht Detmold erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Einschleusens von Ausländern gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG in sieben Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Der Angeklagte hatte einem Syrer gegen Zahlung eines Zuschusses Informationen beschafft und dadurch dessen unerlaubte Einreise nach Deutschland erleichtert. Einem anderen Syrer lies er, ebenfalls gegen eine Geldzahlung, einen gefälschten Einreisestempel im Pass anbringen. In den übrigen Fällen hatte der Angeklagte unmittelbare Unterstützungen zur unerlaubten Einreise vorgenommen, indem er Transportfahrer organisiert, Routen festgelegt und gefälschte Einreisepapiere besorgt hatte. Da der Angeklagte für die Unterstützungshandlungen einen geldwerten Vorteil erhalten und auch wiederholt zugunsten mehrerer Ausländer gehandelt hat, ist nicht nur Beihilfe gegeben, sondern der Tatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG einschlägig. Hierzu führte der BGH aus, dass ein Hilfeleisten im Sinne dieser Vorschrift jede Handlung darstellt, die den unerlaubten Grenzübertritt in irgendeiner Weise fördert. Dass die Hilfeleistungen immer unmittelbar zum Grenzübertritt geleistet werden, sei nicht erforderlich. Vielmehr sei auch eine Unterstützung im Vorfeld der Einreise durch das Beschaffen und Weiterleiten von Informationen, Organisation von Reisemöglichkeiten und Beschaffung von gefälschten Reisedokumenten ausreichend, solange sie den Grenzübertritt ermöglicht oder erleichtert. Für den Fall, dass die unerlaubte Einreise nur versucht wurde, kommt für den Unterstützer eine Strafbarkeit wegen versuchten Hilfeleistens nach § 96 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AufenthG in Betracht, für deren Bewertung der BGH die allgemeinen Versuchsregeln heranzieht. Danach beginnt die Strafbarkeit, wenn der Täter eine Handlung vornimmt, mit der er nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Förderung der unerlaubten Einreise ansetzt. Ob die unerlaubte Einreise dabei tatsächlich selbst in das Versuchsstadium eingetreten ist, soll keine Rolle spielen.

Anwalt für Strafrecht: Betrug

Solange der Täter mittels Phishing widerrechtlich erlangte Konto- Identifikations- und Transaktionsnummern nicht verwendet, indem er sie beispielsweise in den Computer eingibt, um eine nicht autorisierte Überweisung zu tätigen, macht er sich weder des vollendeten noch des versuchten Computerbetrugs strafbar.

Der Angeklagte wurde im vorliegenden Fall vom Amtsgericht Berlin Tiergarten wegen versuchtem und vollendetem Computerbetrug gemäß § 263a StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Anlass dafür waren 4000,- €, die der Angeklagte von fremden Konten auf ein extra von Bekannten für ihn angelegtes Zielkonto transferiert hatte. Um an das Geld zu kommen, hatte er sich zuvor widerrechtlich Zugangsdaten zu den Konten der Geschädigten erschlichen (Phishing). Das Kammergericht Berlin verwarf nun das Urteil in dem Verfahren (3) 121 Ss 40/12 (26/12) mit der Begründung, dass die Einrichtung der Zielkonten und das Abfangen der Kontounterlagen zwar auf einer Täuschungshandlung beruhen, diese jedoch nicht zur Erfüllung des Tatbestandes des Computerbetrugs führen. Dazu hätte der Angeklagte erst einmal unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung im Sinne des § 22 StGB ansetzen müssen, was allerdings erst dann der Fall ist, wenn die Handlung nach dem Tatplan des Täters im Falle des ungestörten Fortgangs ohne Zwischenakte in die Tatbestandshandlung mündet. Bei der widerrechtlichen Verwendung von mittels Phishing erlangten, fremden Konto- Identifikations- und Transaktionsnummern sowie Zugangscodes, liegt ein Ansetzen zur Tat nach Meinung des Kammergerichts allerdings erst dann vor, wenn die Daten tatsächlich verwendet werden. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn die Daten in den Computer eingegeben werden, um so eine Überweisung von dem tatsächlich Berechtigten vornehmen zu können. Erst dadurch würde das Ergebnis des vom Täter unbefugt eingeleiteten oder manipulierten Datenverarbeitungsprozesses dann tatsächlich beeinflusst.

Anwalt für Strafrecht: Drogen / Verkehrsrecht

Wird der Täter in einem gesonderten Verfahren rechtskräftig wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt, das im Zusammenhang mit dem Treiben von Handel mit Betäubungsmitteln begangen wurde, ist keine parallele Verurteilung wegen des Betäubungsmitteldeliktes mehr möglich.

Ist ein Urteil erst einmal rechtskräftig, so entfaltet es eine Sperrwirkung, den Strafklageverbrauch. Das bedeutet, dass der Verurteilte nicht noch einmal wegen derselben Tat verfolgt werden darf. Dass dieser fundamentale Grundsatz unserer Verfassung nicht immer konsequent ernst genommen wird, musste der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren 3 StR 109/12 feststellen.

Der Angeklagte hatte ca. 317g Marihuana erworben, die er hälftig zum Weiterverkauf bestimmt und in einem Wald versteckt gehalten hatte. In der Tatnacht holte er die Drogen ab und geriet kurz darauf in eine Polizeikontrolle, bei der er festgenommen wurde. In der Fahrertür seines Autos wurde ein Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm gefunden, das er während der Autofahrt griffbereit mit sich geführt hatte. Außerdem wies das Ergebnis der dem Angeklagten entnommenen Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,43 ‰ und Hinweise auf Cannabiskonsum auf. Aufgrund dieses Vorfalls erließ das Amtsgericht Neuss Strafbefehl gegen den Angeklagten und verurteilte ihn wegen Trunkenheit am Steuer gemäß § 316 StGB zu einer Geldstrafe. Zusätzlich eröffnete das Landgericht Düsseldorf ein Verfahren wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG und verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten. In der gegen das Urteil des Landgerichts gerichteten Revision des Angeklagten stellte der BGH das Verfahren ein, da zwischenzeitlich das endgültige Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs eingetreten ist.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Autofahrt des Angeklagten gerade dem Transport der Betäubungsmittel gedient hat und das Mitführen der Betäubungsmittel deshalb in einem inneren Beziehungszusammenhang zum Fahrvorgang gesehen werden muss. Damit handele es sich bei dem Besitz und dem beabsichtigten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nicht um einen selbstständigen Teilakt, sondern um eine einheitlichen Tatvorgang, der nicht hätte gesondert betrachtet werden dürfen.

Anwalt für Strafrecht: Drogen / Btm

Die Installation einer Selbstschussanlage, um das zum Verkauf angebaute Betäubungsmittel zu schützen, ist kein bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge i. S. d. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG.

Im vorliegenden Fall hatten die Anklagten auf einem Dachboden eine Cannabisplantage angelegt, um damit ihren Eigenbedarf an Marihuana abzudecken und Überschüsse gewinnbringend zu verkaufen. Als die gesamte Plantage und Teile der technischen Ausrüstung entwendet wurden, installierte einer von ihnen eine Selbstschussanlage. Das Landgericht sprach die Angeklagten lediglich wegen unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig. Den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG hielt das Landgericht für nicht erfüllt an, da die am Tatort angebrachte Schusswaffe wegen ihrer Befestigung nicht ohne Weiteres zum Einsatz habe kommen können und somit nicht vom Wortlaut dieser Norm umfasst sei. In dem Verfahren 4 StR 435/07 - bestätigte der BGH zunächst die Auslegung des Landgerichts. Auch der BGH ist der Auffassung, dass eine festeingebaute Selbstschussanlage nicht unter den Begriff „Bei sich führen einer Schusswaffe“ subsumiert werden kann. Der Begriff des Mit- oder Beisichführens einer Waffe, bezieht sich auf bewegliche Gegenstände, nicht aber auch solche, die – etwa in einer Selbstschussanlage – fest installiert sind. Das Tatbestandsmerkmal „mit sich führen“ des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre also nur dann erfüllt, wenn der Täter das Tatmittel bewusst griffbereit bei sich hatte, um diese jederzeit einsetzen zu können. Der BGH bejahte dann aber für den Angeklagten ein Handeltreiben mit Btm unter mit sich führen einer Schusswaffe, der die zunächst bewegliche Waffe in Selbstschussanlage eingebaut hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Waffe beweglich und dieser Angeklagte konnte zu diesem Zeitpunkt jederzeit auf die Waffe zugreifen. Das Strafmaß für das Handeltreiben mit Drogen in nicht geringer Menge unter mit sich führen einer Schusswaffe beträgt Freiheitsstrafe von mindestens 5 bis 15 Jahre.

Anwalt für Strafrecht: Drogenstrafrecht

Die bloße Untätigkeit bei der Begleitung eines Haupttäters, der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge nach Deutschland einführt, stellt keine aktive Beihilfeleistung dar und rechtfertigt ihre Annahme selbst dann nicht, wenn der Begleiter um die Handlung des Haupttäters weiß und diese billigt

Um als Gehilfe einer Haupttat nach § 27 Abs. 1 StGB bestraft zu werden, reicht das bloße Billigen der Tat oder die schlichte Anwesenheit am Tatort nicht aus. Vielmehr muss der Haupttäter in seinem Tatentschluss oder der Bereitschaft zur Tatausführung bestärkt werden. Diese Regel zur Beihilfe wurde in dem Verfahren 3 StR 178/12 vom BGH in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) bestätigt. Dem Beschluss lag eine Entscheidung des Landgerichts Wuppertal zugrunde, in der die dort Angeklagte unter anderem wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts begleitete die Angeklagte einen Freund bis zur niederländischen Grenze, die dieser dann alleine zu Fuß passierte. In den Niederlanden angekommen, erwarb der Haupttäter 130 Gramm eines Heroingemischs. Anschließend rief er die Angeklagte, die auf deutscher Seite auf ihn wartete, an, um zu erfahren, ob sich Bedienstete des deutschen Zolls in der Nähe befänden. Zwar fasste sie in diesem Moment den Entschluss ihn vor Bediensteten des Zolls zu warnen, musste aber keine dementsprechende Warnung aussprechen, da sich niemand in der Nähe befand. Nach Ansicht des BGH durfte anhand dieser Feststellungen nicht darauf geschlossen werden, dass die Angeklagte die Einfuhr von Betäubungsmitteln mittels aktiven Tuns gefördert hat, da das Schweigen auf die Frage, ob sich Bedienstete des Zolls in der Nähe befinden, keine aktive Hilfeleistung darstellt. Dass sie dabei um das Tun des Haupttäters wusste und es billigte, genüge, genau wie die bloße Begleitung des Haupttäters, nicht schon für die Annahme einer Beihilfe. Vielmehr ist die Billigung der Tat nach den Ausführungen des BGH nur dann als Hilfeleistung zu werten, wenn sie gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht und dieser dadurch in seinem Tatentschluss oder in seiner Bereitschaft, ihn weiter zu verfolgen, bestärkt wird. Auch eine Strafbarkeit durch Unterlassen verneinte der BGH, da keine rechtliche Pflicht der Angeklagten begründet werden konnte, die Einfuhr des Heroingemischs zu unterbinden. Unter diesen Gesichtspunkten muss sich das Landgericht Wuppertal nun erneut mit der Verhandlung und Entscheidung zur Sache befassen.

Anwalt für Strafrecht: gefährlicher Eingriff Straßenverkehr

Die Beschädigung einer Bremsanlage eines Fahrzeuges stellt erst dann einen vollendeten Eingriff in den Straßenverkehr dar, wenn dadurch eine abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs herbeigeführt worden ist und sich diese Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines Menschen verdichtet hat.

In seinem Beschluss vom 26.7.2011 - 4 StR 340/11 betonte der BGH erneut, dass es für die Erfüllung eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB sowohl einer abstrakte Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs als auch einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen bedarf.

Das Landgericht Essen hat die Angeklagte wegen Anstiftung zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß §§ 315b Abs. 1 Nr.1, Abs. 3, § 26 StGB verurteilt, da sie einen Bekannten dazu veranlasst hat, an dem Pkw ihres Vaters einen Bremsschlauch anzuschneiden. Die Wirkung des Bremssystems wurde dadurch bei scharfen Bremsungen um bis zu 50% vermindert. Die Angeklagte wollte, dass ihr Vater bei seiner nächsten Autofahrt einen Verkehrsunfall erleidet und sich dabei Verletzungen zuzieht. Dieser bemerkte die fehlende Bremswirkung jedoch, als er (auf einer Straße mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h) hinter einem parkenden Fahrzeug anhalten wollte. Daraufhin bremste er stärker und zog die Handbremse an, sodass er rechtzeitig zum Stillstand kam.

Der BGH führte zum konkreten Gefährdungserfolg des § 315b StGB aus: „Die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache ist erst dann konkret gefährdet, wenn durch die Tathandlung ein so hohes Verletzungs- oder Schädigungsrisiko begründet worden ist, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob es zu einer Rechtsgutsverletzung kommt.“ Kritische Verkehrssituationen würden diesen Voraussetzungen nur genügen, wenn sie sich aus der Perspektive eines objektiven Beobachters als ein „Beinahe-Unfall“ darstellen. Dieser liege erst bei einer hochriskanten, praktisch nicht mehr beherrschbaren Verkehrssituation vor. Dass ein solcher „Beinahe-Unfall“ in diesem Fall bestand, konnte das Landgericht jedoch nicht hinreichend belegen. Demzufolge änderte der BGH den Schuldspruch aufgrund der fehlenden konkreten Gefährdung dahingehend ab, dass sich die Angeklagte lediglich wegen Anstiftung zum versuchten gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr schuldig gemacht hat.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Ein Pflichtverteidiger ist zu bestellen, wenn sich der Tatverdacht aus einer Vielzahl von Urkunden ergibt, die einem Beschuldigten nicht bekannt sind.

Nach § 140 Abs. 2 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn sich aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ein Beschuldigter nicht selbst verteidigen kann. In diesem Fall ist einem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Nach Auffassung des Landgerichts Cottbus in dem Verfahren 22 Wi Qs 17/11 ist dies insbesondere dann der Fall, wenn in der Anklageschrift auf eine Vielzahl von Urkunden Bezug genommen wird, die dem Beschuldigten nicht bekannt sind. Da lediglich ein Verteidiger umfassende Akteneinsicht erhält, gebietet es der Grundsatz des fairen Verfahrens, dem Beschuldigten einen Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beizuordnen.

Anwalt für Strafrecht: Fahrerflucht / Entzug Führerschein

Entfernt sich ein Unfallbeteiligter nach einem Unfall unerlaubt vom Unfallort und meldet diesen erst mit 40-minütiger Verspätung bei der Polizei, ist der Straftatbestand der Fahrerflucht gem. § 142 StGB zwar erfüllt, rechtfertigt aber nicht zwingend die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

Gemäß § 142 Abs. 1 StGB wird ein Unfallbeteiligter, der sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten des Geschädigten Angaben zu seiner Person ermöglicht oder eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, um Feststellungen zu seiner Person vornehmen zu lassen (Unfallflucht), mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Darüber hinaus droht der Verlust des Führerschein. Der Führerschein kann gegebenenfalls bereits im Ermittlungsverfahren vorläufig entzogen werden kann.

Mit Beschluss vom 6.7.2012 – 12 Qs 81/12 stellte das Landgericht Aurich fest, dass der Tatbestand der Unfallflucht auch dann erfüllt ist, wenn der Unfallbeteiligte den Unfall zwar bei der örtlichen Polizeidienststelle meldet, dies aber erst mit 40-minütiger Verzögerung geschieht. Der Beschuldigte hatte, nachdem er an einem Bahnübergang gegen den dortigen Schrankenantrieb gefahren war, sein Auto mit einem Freund zur Werkstatt gebracht und sich erst danach bei der Polizei gemeldet. Damit genügte er seiner Wartepflicht nicht.

Grundsätzlich ist zwar auch eine aktive Tätigkeit geeignet, den Unfallverursacher von dieser zu entbinden (was insbesondere der Fall ist, wenn die Polizei verständigt und damit dem Feststellungsinteresse des Geschädigten Rechnung getragen wird). Hierbei ist ihm allerdings nur gestattet, sich zum Zwecke der Benachrichtigung der Polizei vorübergehend vom Unfallort zu entfernen. Der Beschuldigte hatte die Fahrt zur Werkstatt zunächst vorgezogen, womit er den Tatbestand der Fahrerflucht erfüllt hat.

Dennoch verneinte das Landgericht eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Dies begründete es damit, dass der Beschuldigte nur „gerade noch“ den Tatbestand erfüllt hat und sich sein Verhalten damit am untersten Rand der Strafwürdigkeit befindet. Auch wurde dem Feststellungsinteresse der geschädigten Deutschen Bahn AG durch die nachträgliche Aufklärung der Tat Rechnung getragen, sodass der Schutzzweck der Fahrerflucht gem. § 142 StGB nicht gefährdet wurde. Überdies hinaus wies der Verkehrszentralregisterauszug des Beschuldigten keine Eintragungen auf. All diese Umstände ließen das Landgericht zu dem Schluss kommen, dass die Indizwirkungen des § 69 Abs. 1 Abs. 2 Nr.3 StGB widerlegt und dem Beschuldigten der beschlagnahmte Führerschein wieder herauszugeben ist.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrsstrafrecht

Raubt der Täter sein Opfer beim Halt des Kraftfahrzeuges in einem Wohngebiet aus, so handelt es sich nicht um eine Ausnutzung von spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs, die zu einer Strafbarkeit wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer nach § 316 a StGB führt

§ 316 a StGB (räuberischer Angriff auf Kraftfahrer) lautet: Wer zur Begehung eines Raubes (…) einen Angriff auf Leib oder Leben oder die Entschlussfreiheit des Führers eines Kraftfahrzeugs oder eines Mitfahrers verübt und dabei die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

In dem Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 244/12 entschied der BGH, dass ein räuberischer Angriff auf Kraftfahrer nicht vorliegt, wenn der Täter das Kraftfahrzeug in ein Wohngebiet fährt und sein mitfahrendes Oper dort bei einem Halt des Kraftfahrzeuges ausraubt. Die beiden Angeklagten hatten den Geschädigten schon im Pkw durch Faustschläge misshandelt und ihm, bevor sie ihn endgültig auf einem Parkplatz hatten liegen lassen, beim Halt in einem Wohngebiet seine Wertgegenstände abgenommen. Aufgrund dieser Feststellungen wurden sie vom Landgericht Leipzig wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit Raub, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung verurteilt.

Dieses Urteil hielt der rechtlichen Überprüfung des BGH nicht stand.

Neben dem Führer eines Kraftfahrzeugs kann zwar grundsätzlich auch der Mitfahrer ein taugliches Opfer im Sinne des § 316 a StGB sein. Allerdings kann aufgrund der Feststellungen des Landgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die Angeklagten bei Begehung der Tat die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt haben, da das Fahrzeug sich zum Zeitpunkt des Raubes nicht im fließenden Verkehr befunden hat. Auch ein verkehrsbedingter Halt mit laufendem Motor, bei der das Opfer regelmäßig keine Möglichkeit hat, sich dem Angriff ohne Eigen- oder Fremdgefährdung (beispielsweise durch Ziehen der Handbremse oder Öffnen der Tür) zu entziehen, liegt nicht vor. Für die Fälle des nicht verkehrsbedingten Halts bedarf es nach Ansicht des BGH zusätzliche, im Urteil darzulegende Umstände, die die Annahme einer Ausnutzung der spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs rechtfertigen.

Anwalt für Strafrecht: Vergewaltigung

Der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Vergewaltigung ist nicht erfüllt, wenn sich der Täter erst nach Abschluss der Gewalthandlung dazu entschließt, den Geschlechtsverkehr mit seinem Opfer durchzuführen

Zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten kam es zu einem Streit, bei dem die Geschädigte dem Angeklagten ein Glas Wodka ins Gesicht schüttete. Daraufhin wurde der Angeklagte so wütend, dass er auf die Geschädigte einschlug und ihr mit einem Küchenmesser drohte, sie zu erstechen. Er warf das Messer in die Spüle, schubste die Geschädigte ins Schlafzimmer und führte den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr aus. Ihm war dabei bewusst, dass sich die Geschädigte aufgrund der vorher erlittenen Verletzungen nicht zur Wehr setzen konnte.

Anhand dieser Feststellungen hatte das Landgericht Bielefeld den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Jahren verurteilt und seine Unterbringung in Sicherheitsverwahrung angeordnet.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hob dieses Urteil mit dem Beschluss vom 29.8.2012 – 4 StR 277/12 auf. Ohne Zweifel hat eine körperliche Misshandlung der Geschädigten stattgefunden. Das Landgericht hat jedoch nach Ansicht des BGH nicht hinreichend erkennen lassen, dass die Misshandlung bei Durchführung des Geschlechtsverkehrs stattgefunden hat.

Als der Angeklagte auf die Geschädigte einschlug, passierte dies zunächst aus Wut und nicht mit der gegenwärtigen Absicht, sie zu vergewaltigen. Da der Entschluss zur Durchführung des Geschlechtsverkehrs erst nach Abschluss der Gewalthandlung entstanden ist, ist die Anwendung des Qualifikationstatbestandes ausgeschlossen. Die mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter 5 Jahren belegte Qualifikation ist lediglich dann anwendbar, wenn das Opfer während der Vergewaltigung körperlich misshandelt wird.

Anwalt für Strafrecht: Raub

Die gewaltsame Wegnahme eines Mobiltelefons zwecks Durchsuchens und Kopierens von Bilddateien begründet nicht die Strafbarkeit wegen Raubes nach § 249 Abs. 1 StGB

Die für den Raub nach § 249 Abs. 1 StGB erforderlichen Zueignungsabsicht fehlt, wenn der Täter bei gewaltsamer Ansichnahme eines Mobiltelefons lediglich beabsichtigt, den Speicher zu durchsuchen und die dabei aufgefunden Bilddateien zu kopieren. Durch dieses Verhalten eignet er sich weder den Sach- oder Substanzwert des Mobiltelefons an, noch wird dessen Wert durch den vorübergehenden Gebrauch gemindert.

Das Kopieren der aufgefundenen Bilddateien stellt zwar einen bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sache dar, führt aber nicht zu einer Strafbarkeit wegen Raubes, da die Bilddateien durch das Kopieren nicht verbraucht werden.

Auch der Einsatz von Gewalt, um die Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung zu erreichen oder den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern, begründet keine Strafbarkeit nach § 249 StGB. Dem Täter fehlt es hierbei an dem für die Aneignung erforderlichen Willen, den Bestand seines Vermögens oder den eines Dritten zu ändern.

Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren 3 StR 392/11 und hob damit die vom Landgericht Duisburg ausgesprochene Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten auf. Das Verhalten des Angeklagten erfüllt nach Ansicht des BGH lediglich den Tatbestand der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB.

Anwalt für Strafrecht: Totschlag

Ein gezielter Messerstich in den Brustkorb des Opfers begründet nicht zwingend die Annahme eines direkten Tötungsvorsatz beim Täter, so dass auch lediglich eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht kommt

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am 16.8.2012 in dem Verfahren 3 StR 237/12 ein Urteil des Landgerichts Osnabrück, in dem der Angeklagte wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde.

Der Angeklagte hatte sein Opfer in alkoholisiertem Zustand nach einer körperlichen Auseinandersetzung mit einem Klappmesser gezielt in die linke Brusthälfte gestochen. Das Opfer verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus an seinen Verletzungen.

Die Nebenklägerin legte gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück Revision vor dem BGH ein, da das Landgericht bei dem Angeklagten keinen Tötungsvorsatz festgestellt und ihn deswegen nicht wegen Totschlags verurteilt hatte.

Allerdings konnte sich auch der BGH nur von einem direkten Körperverletzungsvorsatz überzeugen. Er führte aus, dass der Täter, um einen Tötungsvorsatz annehmen zu können, den Tod des Opfers als nicht ganz fern liegend erkennen und diesen Erfolg billigen oder sich zumindest um des erstrebten Zieles willen damit abfinden muss.

Zwar war der gezielte Messerstich in den Brustkorb des Opfers eine hochgradig gefährliche Gewaltanwendung, die als Indiz für die Billigung des Todes gegen den Angeklagten gewertet wurde.

Zugunsten des Angeklagten wurde allerdings der unter enthemmender Wirkung von Alkohol spontan ausgeführte Messerstich, das fehlende Tötungsmotiv und die im Allgemeinen nicht zu Aggressionen neigende Persönlichkeit des Angeklagten berücksichtigt. Aufgrund der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung kam damit auch der BGH zu dem Entschluss, dass der Angeklagte sich zwar der Gefahr des Todeseintritts bewusst war, er diesen aber zu keinem Zeitpunkt innerlich als Resultat seiner Tat gebilligt hat.

Anwalt für Strafrecht: Brandstiftung

Eine durch Brandlegung bewirkte Verrußung einer Teeküche stellt keine teilweise Zerstörung eines Gebäudes dar und begründet somit nicht die Strafbarkeit wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 StGB

Der vor dem Landgericht München Angeklagte wollte im Verwaltungsgebäude des geschädigten Unternehmens einen Brand legen, indem er in der Teeküche des Gebäudes eine Kaffeemaschine auf eine Herdplatte stellte und diese dann auf maximale Leistung schaltete.

Der geplante Brand sollte damit wie die Folge einer Nachlässigkeit aussehen. Tatsächlich geriet nur die Kaffeemaschine in Brand und es kam zu einer Verrußung der Küche, die dadurch unbenutzbar wurde. Außerdem entstanden Putzabplatzungen an der Decke und es lösten sich zwei Wandfließen.

Das Landgericht München hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. In der Revision wurde dieses Urteil vom Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren 4 StR 344/11 aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen.

Der BGH machte deutlich, dass die teilweise Zerstörung eines zu gewerblichen Zwecken genutzten Gebäudes wegen der hohen Strafandrohung des § 306 StGB eine Zerstörung von Gewicht erfordert. Das Gebäude muss für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für einzelne seiner Zweckbestimmungen oder ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil muss unbrauchbar gemacht werden. Nach Ansicht des BGH liegt dies bei einer Teeküche aufgrund ihrer untergeordneten Bedeutung für den Widmungszweck des Verwaltungsgebäudes eher fern. Sie kann auch nicht als zwecknötiger Teil des Gebäudes angesehen werden. Das für die Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB erforderliche Gewicht ist demnach nicht erreicht.

Anwalt für Strafrecht: Bedrohung

Eine im Zustand momentaner Erregung ausgesprochene Drohung wie „Ich schlag` Dich tot!“ genügt nicht unbedingt für die Verwirklichung des Bedrohungstatbestandes des § 241 Abs. 1 StGB

Der Bedrohung gemäß § 241 StGB macht sich strafbar, wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht.

Es ist nicht erforderlich, dass das Opfer die Bedrohung tatsächlich ernst nimmt und der Täter die Drohung verwirklichen will oder kann. Ausgenommen sind allerdings alle Ankündigungen, die nicht als objektiv ernstzunehmende Bedrohung mit einem Verbrechen angesehen werden können, selbst wenn der Bedrohte sich von den Ankündigungen beeindrucken lässt.

Eine solche nicht ernstzunehmende Bedrohung nahm das Amtsgericht Rudolstadt in dem Verfahren 355 Js 15271/12 – 1 Ds jug an und lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 9.7.2012 mangels Erfüllung eines Straftatbestands ab.

Die Staatsanwaltschaft hatte gegen den in einer therapeutischen Förderanstalt untergebrachten Angeschuldigten Anklage erhoben, weil er seiner Erzieherin, nach einem missverständlichen Telefonat mit seiner Mutter, den Telefonhörer vor die Füße warf und wutentbrannt behauptete, die Erzieherin habe seiner Mutter „Scheiße erzählt“. Dabei fuchtelte er mit der Faust vor ihrem Gesicht herum und schrie: „Ich schlag` Dich tot!“.

Das Amtsgericht machte deutlich, dass es sich bei der Äußerung des Angeschuldigten nur um eine „jugendliche Groß- und Wichtigtuerei“ handelt, die dem „jugendlichen Übermut und somit den Antriebskräften der Entwicklung“ entsprungen ist. Kriminelles Unrecht mit tatbestandlicher Relevanz sei ihr jedoch, unter Berücksichtigung des Umfeldes und der Eigenart der beteiligten Personen, nicht zuzusprechen.

Anwalt für Strafrecht: Strafprozessrecht

Selbstgespräche unterliegen im Strafverfahren einem Verwertungsverbot und können somit trotz Überwachung nicht verwendet werden

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 22.12.2011 – 2 StR 509/10 das mittels akustischer Überwachung aufgezeichnete Selbstgespräch eines Beschuldigten für unverwertbar erklärt. Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, seine Ehefrau im Zusammenwirken mit weiteren Mittätern ermordet zu haben. Aufgrund einer ordnungsgemäßen richterlichen Anordnung gemäß § 100f StPO wurde eine elektronische Überwachung im Auto des Beschuldigten durchgeführt. Der Beschuldigte äußerte in den aufgezeichneten Selbstgesprächen unter anderem: „oho I kill her… oh yes, oh yes… and this is my problem…“, sowie „nö, wir haben sie tot gemacht…“. Der Bundesgerichtshof entschied, dass diese Aussagen dem selbstständigen Beweisverwertungsverbot von Verfassungs wegen unterliegen, da die Abhörmaßnahme den absolut geschützten Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung (Art.2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt hat. Der Grund für den Schutz eines solchen Kernbereichs ist, dass sich jeder Mensch in einem Rückzugsraum mit dem eigenen Ich befassen können soll, ohne Angst vor staatlicher Überwachung haben zu müssen. Auch ein Alleinsein mit sich selbst in einem Pkw begründet diesen Schutz, da hier das Risiko einer Außenwirkung der spontanen Äußerungen nahezu ausgeschlossen ist. Die Nichtöffentlichkeit der Gesprächssituation und die mögliche Unbewusstheit über die Äußerungen im Selbstgespräch mussten deshalb zu einem Verwertungsverbot der erlangten Informationen führen.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Eine religiös motivierte Beschneidung kann als Körperverletzung gem. § 223 StGB gewertet werden, ohne dass Eltern in die Körperverletzung einwilligen können

Das Landgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 7.5.2012 – 151 Ns 169/11 die religiös motivierte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen männlichen Kleinkindes als tatbestandsmäßige Körperverletzung gemäß § 223 StGB gewertet.

Das Landgericht Köln sah den Tatbestand der Körperverletzung durch die Operation als erfüllt an. Die Einwilligung der Eltern zur Beschneidung ihres 4-jährigen Sohnes wurde nicht als sozialadäquat und damit tatbestandsausschließend anerkannt. Auch eine rechtfertigende Einwilligung der Eltern sah das Gericht nicht als gegeben an. Dies begründete es damit, dass vom Sorgerecht der Eltern im Sinne des § 1627 BGB nur solche Erziehungsmaßnahmen gedeckt sind, die dem Wohl des Kindes dienen. Die Beschneidung eines Jungen hingegen entspricht nach dem Landgericht Köln "weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung des innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfelds noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes". Die Religionsfreiheit und das Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 4 I, 6 II GG werden durch das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Art. 2 I und II 1 GG begrenzt. Selbst wenn man die Beschneidung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für erforderlich hält, ist sie nach Auffassung des Gerichts jedenfalls unangemessen. Der Körper des Kindes würde dauerhaft verändert und laufe dem Interesse des Kindes, später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können, zuwider. Der Angeklagte Arzt, der die Beschneidung durchgeführt hatte, wurde vom Landgericht Köln dennoch freigesprochen. Aufgrund der unklaren Rechtslage zur Beschneidung musste das Gericht einen Verbotsirrtum annehmen, da selbst der Versuch des Angeklagten, sich über die Rechtslage zu informieren, zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hätte.

Anwalt für Strafrecht: Körperverletzung

Das Bespritzen mit Sperma kann eine Körperverletzung darstellen, die bei einer Vorstrafe wegen exhibitionistischer Handlungen bereits zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten führen kann

Das Amtsgericht Lübeck hat in seiner Entscheidung vom 08.06.2011 – 746 Js 13196/11 festgestellt, dass sich jemand wegen vorsätzlicher Körperverletzung nach § 223 StGB strafbar macht, wenn er sein Opfer mit zuvor abgefülltem Sperma bespritzt und damit ihm zurechenbare psychische oder physische Beeinträchtigungen beim Geschädigten verursacht. Die Beeinträchtigungen müssen allerdings über die Erregung ein bloßes Ekelgefühls hinausgehen, um den Tatbestand des § 223 StGB zu erfüllen.

Der Angeklagte hatte eine Frau, die mit ihrer 7-jährigen Tochter in der Warteschlange eines Supermarkts vor ihm stand, mit zuvor abgefülltem Sperma im Bereich des Gesäßes bespritzt. Die Geschädigte bemerkte die feuchte Stelle im Rückenbereich und erkannte durch den Geruch, dass es sich bei der auf ihrer Kleidung befindlichen Flüssigkeit um Sperma handelte. Als Folge der Tat litt sie unter erheblichen psychischen Belastungen und massiven Schlafstörungen. Dies war auch darauf zurückzuführen, dass sie im Alter von 15 Jahren Opfer einer Vergewaltigung geworden ist. Außerdem leidet die Geschädigte an der Krankheit Multiple Sklerose, die zusammen mit dem Stress der Tat wiederholte und massive Krampfanfälle ausgelöst hat.

Das Amtsgericht Lübeck ist der Auffassung, dass solche psychischen Vorbeeinträchtigungen des Opfers und die dadurch wieder ausgelösten somatischen Folgen nicht ungewöhnlich und somit für den Täter vorhersehbar sind. Er kann schlichtweg nicht darauf vertrauen, nicht auf ein vorgeschädigtes Opfer zu treffen. Da der Angeklagte zudem einschlägig wegen exhibitionistischen Handlungen vorbestraft war, wurde er wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Verkehrsstrafrecht / Drogen

Keine Grenzwerte bei Kokainkonsum, bei deren Überschreitung die absolute Fahruntüchtigkeit begründet werden kann

Strafbar nach § 316 StGB macht sich, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses von alkoholischer Getränke oder anderen berauschenden Mitteln nicht in der Lage dazu ist (Trunkenheitsfahrt).

In seiner Entscheidung im Verfahren (524) 11 Ju Js 1853/10 (36/11), 524 – 36/11 stellte das Landgericht Berlin fest, dass die Überschreitung der festgelegten Grenzwerte von 10 ng/ml Kokain, im Gegensatz zu dem bei Alkoholkonsum festgelegten Grenzwert von 1,1 ‰, nicht zur Annahme einer absoluten Fahruntüchtigkeit gem. § 316 StGB führt. Die beschriebene Mindestmenge stellt lediglich ein sicheres Indiz für Kokainkonsum dar.

Zwar erkennt das Landgericht Berlin einen Widerspruch darin, dass der Erwerb von Drogen strafrechtlich sanktioniert wird, während es ungestraft bleibt sich unter Drogeneinfluss ans Steuer zu setzen. Es führt jedoch aus, dass dieser Widerspruch nicht durch die Aufstellung irgendwelcher Grenzwerte von Gerichten selbst, sondern nur vom Gesetzgeber gelöst werden kann.

So konnte die Angeklagte, bei der trotz 14 ng/ml Kokain keinerlei Auffälligkeiten in ihrem Fahrverhalten festgestellt werden konnten, lediglich zu einer Geldstrafe von 500,-€ wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit verurteilt werden.

Ordnungswidrigkeit / „Vier-Augen-Prinzip“ bei Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät

Ein „Vier-Augen-Prinzip“, nach dem eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Lasermessgerät nur dann zur Grundlage einer Verurteilung in einer Bußgeldsache gemacht werden kann, wenn der vom Gerät angezeigte Messwert und seine Übertragung in das Messprotokoll von einem zweiten Polizeibeamten kontrolliert worden ist, gibt es nicht.

Nach einem Beschluss des 3. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 21.06.2012 - III-3 RBs 35/12 - kann ein vom Lasergerät angezeigter Messwert im Einzelfall nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung verwendet werden.

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Den Verstoß hatte das Amtsgericht auf der Grundlage der Zeugenaussage eines Polizeibeamten festgestellt, der das Ergebnis der mit einem Lasermessgerät durchgeführten Geschwindigkeitsmessung allein vom Anzeigefeld des Messgerätes abgelesen und in das schriftliche Messprotokoll eingetragen hatte. Eine Kontrolle der Richtigkeit des abgelesenen und eingetragenen Wertes durch einen anderen Polizeibeamten erfolgte nicht. Hiergegen wandte sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er rügte, dass das ihm vorgehaltene Messergebnis wegen der Verletzung eines „Vier-Augen-Prinzips“ nicht gegen ihn verwertbar sei.

Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm hat die Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt. Das vom Betroffenen angeführte „Vier-Augen-Prinzip“ gebe es nicht. Auch bei Lasermessgeräten, die ein Messergebnis nicht fotografisch-schriftlich dokumentierten, sei der vom Gerät angezeigte Messwert und dessen Zuordnung zu einem bestimmten Fahrzeug im Einzelfall nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung zu beurteilen und könne z. B. durch Zeugenaussage eines beteiligten Polizeibeamten geklärt werden. Es existiere kein Beweisverbot, das die Verwertung eines allein von einem - und ohne Kontrolle durch einen weiteren - Polizeibeamten festgestellten Messwertes untersage. Wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gebe es auch es keine Beweisregel, die ein derartiges „Vier-Augen-Prinzip“ als Voraussetzung für gerichtliche Feststellungen vorschreibe.

Straßenverkehrsrecht / altersbedingter Entzug der Fahrerlaubnis

Das hohe Alter eines Kraftfahrers rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 02.05.2012 – OVG 1 S 25.12 – bietet nicht jeder Abbau der geistigen und körperlichen Kräfte Anlass für eine Entziehung oder Beschränkung der Fahrerlaubnis. Hinzutreten muss vielmehr, dass es im Einzelfall zu nicht mehr ausreichend kompensierbaren, für die Kraftfahreignung relevanten Ausfallerscheinungen oder Leistungsdefiziten gekommen ist.

Allerdings kann der im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigende Gesichtspunkt einer jahrzehntelangen unfallfreien Teilnahme am Straßenverkehr den Befund, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis aktuell nicht mehr befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, nicht ohne Weiteres entkräften. Auch wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis für einen älteren und kranken Menschen als gravierende Verschlechterung seiner Lebensqualität empfunden wird, so muss dies im Hinblick auf seine eigene Sicherheit und die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer dann zurückstehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber den komplexen Anforderungen des heutigen öffentlichen Straßenverkehrs nicht mehr gerecht wird.

Zu prüfen ist daher immer, ob im konkreten Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen.

Anwalt für Strafrecht: Fahrerflucht

Bei einer Unfallflucht sind im Rahmen der Strafzumessung die Verletzungen des Geschädigten zu berücksichtigen. Im Falle eines tödlichen Unfalls kann auch ohne Verschulden am Unfall für die Unfallflucht eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt werden.

Nach einer Entscheidung des OLG Franfurt (Main) – 3 Ss 356/11 - können im Rahmen der Strafzumessung beim Vorwurf der Fahrerflucht die eingetretenen Schäden berücksichtigt werden.

Im Verfahren des OLG Frankfurt (Main) hatte ein Autofahrer unverschuldet ein Kind (D) überfahren. Obwohl der Fahrer die schweren Verletzungen des Kindes bemerkt hatte, fuhr er, ohne seinen Gestellungspflichten zu genügen, davon. Das Kind ist verstorben.

Das Amtsgericht Frankfurt (Main) hatte den Autofahrer zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Strafmaß bei Fahrerflucht beträgt Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

Gegen das Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

Das Landgericht Frankfurt (Main) verurteilte den Fahrer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Aufgrund der Strafhöhe konnte die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Landgericht hat dazu die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für die Neuerteilung des Führerscheins von 18 Monaten verhängt.

Die Revision des Autofahrers hat das OLG verworfen.

Das OLG hat ausgeführt:

Das Landgericht durfte dem Angeklagten strafschärfend anlasten, dass D bei dem Unfall schwerste Verletzungen erlitten und der Angeklagte dies erkannt hatte. Die Schwere des Unfalles und seiner Folgen können bei der Strafzumessung zum Nachteil des Täters berücksichtigt werden, da in diesen Fällen das durch § 142 StGB geschützte Interesse der Unfallbeteiligten an der Feststellung des Hergangs und der Sicherung und Erhaltung der Beweise für etwaige zivilrechtliche Ansprüche besonders hoch ist.

Drogenstrafrecht / Verstoß gegen Betäubungsmittelgesetz

Beweisverwertungsverbot, wenn Beifahrer wegen des Verdachtes eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ohne Ermächtigungsgrundlage auf Btm durchsucht wird.

Das Amtsgericht Köln hat in seinem Verfahren 585 Ds 223/09 einen Angeklagten von einem Vorwurf „Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz“ freigesprochen, der als Beifahrer im Rahmen einer Verkehrskontrolle auf Drogen durchsucht worden ist.

Im Rahmen der Durchsuchung hatte die Polizei illegale Betäubungsmittel in Form von Marihuana in geringer Menge aufgefunden. Der Angeklagte soll nach dem Auffinden gegenüber der Polizei angegeben haben, dass man in der gemeinsam mit seinen Eltern bewohnten Wohnung noch weiteres Marihuana finden würde. Bei der daran anschließenden Hausdurchsuchung wurde Amphetamin in geringer Menge gefunden.

Das Amtsgericht hat in beiden Tatkomplexen ein absolutes Verwertungsverbot angenommen. Weder die Durchsuchung des Angeklagten noch die Hausdurchsuchung waren rechtmäßig, da eine Ermächtigungsgrundlage für beide Durchsuchungen nicht vorhanden war.

Gem. § 36 Abs. 5 StVO darf nur der Fahrer kontrolliert werden. Für die Durchsuchung gem. § 102 StPO ist erforderlich, dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat des Beifahrers vorliegen. Dass der Fahrer bei einem Drogenschnelltest positiv getestet worden ist, gibt der Polizei nicht das Recht, ohne weitere Anhaltspunkte auch den Beifahrer zu durchsuchen. Anhaltspunkte, dass die Durchsuchung zur Eigensicherung der Beamten durchgeführt worden ist, lagen nicht vor.

Auch die Hausdurchsuchung ohne Durchsuchungsbefehl war rechtswidrig. Es lag keine wirksame Einwilligung aller Familienangehörigen vor. Insbesondere hätte durch die Polizeibeamten darauf hingewiesen werden müssen, dass die Hausdurchsuchung nur mit einer Einwilligung durchgeführt werden kann.

Anwalt für Strafrecht: Mord

Kein Mord aus Heimtücke an zweitem Opfer, wenn das zweite Opfer aufgrund der Beobachtung der Tötung es ersten Opfers nicht mehr arglos war

Als Mörder mit lebenslanger Freiheitsstrafe gem. § 211 StGB wird bestraft, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tötung ausnutzt.

Ein Opfer ist arglos, wenn es nicht mit einem Angriff auf das Leben rechnet. Abzustellen ist hierbei grundsätzlich auf den Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs. Der maßgebliche Zeitpunkt ist nach der Rechtsprechung dann vorzuverlegen, wenn der Täter dem Opfer bereits feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz bemessen ist, dass für das Opfer keine Möglichkeit besteht, dem Angriff irgendwie zu begegnen.

In der Entscheidung des BGH vom 15.09.2011 - 3 StR 223/11 – hatte das zweite Tatopfer die unmittelbar zuvor stattgefundene heimtückische Tötung des ersten Tatopfers wahrgenommen. Deshalb konnte das zweite Tatopfer nach Auffassung des BGH nicht mehr arglos sein, da dem Angriff auf das zweite Tatopfer die besondere Gefährlichkeit der Tatbegehung fehlte. Das Tatopfer wurde nicht in einer besonderen hilflosen Lage überrascht. Der enge räumliche und zeitliche Zusammenhang zur heimtückischen Tötung des ersten Tatopfers allein ist für die Annahme der heimtückischen Tötung des zweiten Opfers nicht ausreichend.

Anwalt für Strafrecht: schwerer Raub räuberische Erpressung

Kein schwerer Raub oder schwere räuberische Erpressung bei Verwendung einer Wasserpistole

Eine schwerere räuberische Erpressung oder ein schwerer Raub gem. § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB liegen vor, wenn der Täter ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand des Geschädigten durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern.

In der Entscheidung des BGH vom 11.05.11 – 2 StR 618/10 - hatte der Täter eine äußerlich erkennbare Wasserpistole verwendet, wahrheitswidrig aber gegenüber den Geschädigten angegeben, dass es sich um eine Schusswaffe handeln würde. Die Wasserpistole hatte der Täter bei einem Überfall auf eine Bank in seiner Jackentasche verborgen gehalten. Die Bankangestellten konnten nur die Umrisse der Wasserpistole wahrnehmen und gingen aber von einer scharfen Schusswaffe aus.

Problematisch im Rahmen der Beurteilung sind Gegenstände, die objektiv nicht gefährlich sind, der Geschädigte aber aufgrund der Angaben oder des Verhaltens des Täters subjektiv von einer Gefährlichkeit ausgeht.

Das Landgericht war der Auffassung, dass es ausreichend sei, wenn der Geschädigte einen Gegenstand als gefährlich einstuft.

Im Gegensatz hierzu stellt der BGH auf die objektiv wahrnehmbare Gefährlichkeit des Gegenstandes ab. Maßgeblich ist die Sicht eines objektiven Beobachters. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit ist nach Auffassung des BGH auf eine objektive Scheinwirkung abzustellen. Wenn die objektive Ungefährlichkeit des Gegenstandes bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild offenkundig ist, scheidet ein schwerer Raub oder eine schwere räuberische Erpressung aus.

Da die Wasserpistole nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als Spielzeug zu klassifizieren war, kann eine Bestrafung wegen schweren Raubes oder schwerer räuberischen Erpressung nicht erfolgen.

In seiner Entscheidung führt der BGH aus:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheiden als tatbestands-qualifizierende Drohungsmittel solche Gegenstände aus, bei denen die Drohungswirkung nicht auf dem objektiven Erscheinungsbild des Gegenstands selbst, sondern auf täuschenden Erklärungen des Täters beruht. Danach haftet einem zur Drohung eingesetzten vorgeblich gefährlichen Gegenstand keine objektive Scheinwirkung an, wenn seine objektive Ungefährlichkeit schon nach dem äußeren Erscheinungsbild offenkundig auf der Hand liegt. Für diese Beurteilung kommt es allein auf die Sicht eines objektiven Betrachters und nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall das Tatopfer eine solche Beobachtung tatsächlich machen konnte oder ob der Täter dies durch sein täuschendes Vorgehen gerade vereitelte.

Der BGH hob das Urteil des Landgerichts diesbezüglich auf.

Der schwere Raub sieht ein Strafmaß von drei Jahren Freiheitsstrafe bis 15 Jahren Freiheitsstrafe vor. Die Strafe bei einm einfachen Raub' oder einer einfachen räuberischen Erpressung'' ist Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

Die Entscheidung finden Sie hier:

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Eine Beiordnung eines Pflichtverteidigers ist auch notwendig, wenn mit einer anderen Strafe eine nachträgliche Gesamtstrafe von einem Jahr gebildet werden muss

Das Landgericht Berlin hat in seiner Entscheidung vom 13. April 2011 – 528 Qs 43 u. 44/11 – entschieden, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt, wenn mit einer früheren Verurteilung eine Gesamtstrafe gebildet werden muss, die dann bei ungefähr einem Jahr liegen wird. In einer solchen Situation ist einem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 2 StPO aufgrund der Schwere der Tat zu bestellen. Darüber hinaus sind in der Entscheidung des Landgerichts Berlin bei der Gesamtstrafenbildung Fragen der Konkurrenzen von einzelnen Tathandlungen zu erörtern. Deshalb ist die Bestellung eins Pflichtverteidigers auch aus Gründen der Schwierigkeit der Rechtslage geboten.

Anwalt für Strafrecht: Sachbeschädigung

Ein Heraustreten einer Scheitenscheibe aus einem Polizeifahrzeug erfüllt nicht den Straftatbestand der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel

Nach § 305a StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer ein Kraftfahrzeug der Polizei ganz oder teilweise zerstört. Das OLG Oldenburg hat in seiner Entscheidung vom 27.04.2011 - 1 Ss 66/11 - entschieden, dass ein teilweises Zerstören nur vorliegt, wenn durch eine Substanzverletzung einzelne, funktionell selbständige Teile der Sache, die für die zweckentsprechende Nutzung des Gesamtgegenstandes von Bedeutung sind, unbrauchbar gemacht werden. Eine lediglich nachteilige Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit ist nicht ausreichend. Im konkreten Fall hatte der Beschuldigte eine Seitenscheibe aus einem Polizeifahrzeug herausgetreten. Da durch die Beschädigung der Seitenscheibe die Funktionsfähigkeit des Polizeiwagens nicht aufgehoben worden ist, lag eine Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel nicht vor. Es verbleibt bei einer Sachbeschädidung gem. § 303 StGB, die milder bestraft wird.

Anwalt für Strafrecht: Kapitalstraftaten

Mord wegen Verdeckungsabsichts kann auch vorliegen, wenn man glaubt, durch die Tötung eine günstigere Beweisposition aufrechterhalten zu können

Die vorsätzliche Tötung eines anderen Menschen stellt zunächst einen Totschlag dar. Wenn besondere Merkmals hinzutreten, wird aus dem Totschlag Mord. Mord wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Nach § 211 StGB ist z. B. Mörder, wer, um eine Straftat zu verdecken, einen Menschen tötet. In seiner Entscheidung vom 17.05.2011 - 1 StR 50/11 - stellt der BGH klar, dass es nicht nur darum geht, die Aufdeckung einer Straftat zu verhindern. Vielmehr genügt es, wenn durch die Tötung Spuren verdeckt werden sollen. Für die Vereckungsabsicht bei Mord ist ausreichend, dass der Täter glaubt, mit der Tötung eine günstigere Beweisposition aufrecht erhalten zu können. Solange der Täter davon ausgeht, dass die Tat noch nicht voll erkannt bzw. überführungsfähig ist, kommt Verdeckungsabsicht in Betracht.

Anwalt für Strafrecht: Drogen

Keine vollendete Einfuhr von Btm auf dem Postweg, wenn Btm bei Zollkontrolle im Ausland entdeckt und überwacht nach Deutschland transportiert werden

In seiner Entscheidung vom 15.02.11 - 1 StR 676/10 - hat der BGH entschieden, dass eine vollendete Einfuhr von Betäubungsmitteln in die Bundesrepublik Deutschland nicht vorliegt, wenn die Drogen bereits durch einen ausländischen Zoll entdeckt und aufgrund einer Absprache der auslänsichen und deutschen Zollbehörden im Wege eines überwachten Weitertransports nach Deutschland verbracht werden.

Häufig kommt es vor, dass Drogen per Post nach Deutschland eingeführt werden sollen. Diese Übersendung stellt regelmäßig in dem Moment, in welchem die Drogen die Grenze passieren, eine vollendete Einfuhr von Drogen dar.

Sobald aber die Drogen nach Entdeckung durch einen ausländischen Zoll nach Absprache mit den deutschen Behörden nach Deutschland eingeführt werden, liegt eine wesentliche, den Vorsatz ausschließende Abweichung des vorgestellten Kausalverlaufs vor.

"Der Weitertransport des Kokains nach Deutschland nach dessen Entdeckung beruhte nicht mehr auf dem Tatplan der Angeklagten, sondern auf einer einvernehmlichen Entscheidung der deutschen und brittischen Zollbehörden, die allein aus ermittlungstaktischen Gründen zur Überführung der Angeklagten getroffen wurde."

Der überwachte Weitertransport hat eine neue, vom ursprünglichen Tatentschluss unabhängige Kausalkette in Gang gesetzt, die sich nicht mehr in den Grenzen der allgemeinen Lebenserfahrung befunden hat.

Deshalb scheidet eine vollendete Einfuhr von Betäubungsmitteln aus.

Die vollständige Entscheidung finden Sie hier:

Anwalt für Strafrecht: Strafbefehl

Verwerfung Einspruch gegen Strafbefehl und nicht Haftbefehl wenn Beschuldigter nicht anwesend

Ein Angeklagter ist grundsätzlich verpflichtet, zur Hauptverhandlung zu erscheinen. Wenn er nicht anwesend und nicht entschuldigt ist, wird ein Gericht in der Regel einen Haftbefehl gem. § 230 StPO erlassen. Eine Besonderheit gilt im sogenannten Strafbefehlsverfahren. Hat ein Gericht einen Strafbefehl erlassen, kann der Beschuldigte gegen den Strafbefehl Einspruch einlegen. Das Gericht muss dann eine Hauptverhandlung anberaumen. Wenn der Beschuldigte zur Hauptverhandlung nicht erscheint, ist das Gericht nicht verpflichtet, einen Haftbefehl zu erlassen. Vielmehr kann nach dem Oberlandesgericht Brandenburg in seiner Entscheidung vom 24.08.2011 (1 Ws 133/11) der Einspruch ohne Verhandlung verworfen werden. Das Gericht ist nicht verpflichtet, einen Haftbefehl zu erlassen, um dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, sich gegen die erhobenen Tatvorwürfe zu verteidigen. Der Einspruch gegen den Strafbefehl darf aber nur verworfen werden, wenn kein Verteidiger zu Beginn der angesetzten Hauptverhandlung anwesend ist. Ein mit schriftlicher Vollmacht versehender Rechtsanwalt darf auch ohne Anwesenheit des Beschuldigten die Hauptverhandlung durchführen. Die Verwerfung des Einspruchs gegen den Strafbefehl ist in dieser Situation nicht möglich.

Die Entscheidung finden Sie hier:

Anwalt für Strafrecht: Stalking

Voraussetzungen eines beharrlichen Handels bei Nachstellen (Stalking)

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 19.11.2009 -3 StR 244/09- ausgeführt, dass ein beharrliches Handeln im Sinne von § 238 StGB ein wiederholtes Tätigwerden voraussetzt. Weiterhin ist notwendig, dass der Beschuldigte aus Missachtung des entgegenstehenden Willens oder aus Gleichgültigkeit gegenüber den Wünschen des Betroffenen in der Absicht handelt, sich auch in Zukunft so zu verhalten. Letztlich muss die Lebensgestaltung des Betroffenen schwerwiegend beeinträchtigt sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Betroffene zu einem Verhalten veranlasst wird, das er ohne Zutun des Beschuldigten nicht gezeigt hätte und das zu gravierenden Folgen führt, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung erheblich und objektivierbar hinausgehen.

Die Entscheidung finden Sie hier:

Anwalt für Strafrecht

Rechtswidrige Hausdurchsuchung kann zu Beweisverwertungsverbot führen

Für eine Hausdurchsuchung ist grundsätzlich erforderlich, dass ein Richter einen Durchsuchsbeschluss erlässt. Ohne einen derartigen Durchsuchungsbeschluss ist eine Hausdurchsuchung nur bei Gefahr im Verzuge oder mit Einwilligung des Berechtigten rechtmäßig.Es kommt regelmäßig vor, dass Polizeibeamte keinen Durchsuchungsbeschluss haben und eine Gefahr im Verzuge nicht vorliegt. Gefahr im Verzuge liegt nur vor, wenn ein Zuwarten den Durchsuchungszweck gefährden würde. Wollen Polizeibeamte trotzdem den Wohnraum betreten, dürfen sie dies nur mit Einwilligung des Berechtigten tun. Das Landgericht Hamburg hat in seiner Entscheidung vom 30.06.10 - 706 Ns 17\/10 - ausgeführt, dass in einem derartigen Fall der Betroffene ausdrücklich durch die Polizei darüber aufgeklärt werden muss, dass die Durchsuchung nur mit seiner freiwilligen Einwilligung erfolgen kann und im Falle seiner Ablehnung die Durchsung unterbleiben wird. Nutzt die Polzei die Unkenntnis des Betroffenen über die Aufklärungspflicht bewusst aus, besteht in Bezug auf die aufgefundenen Beweismittel ein sogenanntes Beweisverwertungsverbot. Die Beweise dürfen dann in einem Strafverfahren nicht verwertet werden.

Pflichtverteidiger bei U-Haft

Befindet sich ein Beschuldigter in einem Verfahren in Untersuchungshaft, ist ihm auch in anderen Verfahren, in denen er sich nicht in Untersuchungshaft befindet, ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

Nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ist in seiner neuen Fassung einem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger zu bestellen, sobald er in Untersuchungshaft genommen wird. Es ist bisher nicht abschließend geklärt, ob sich diese Vorschrift auch auf weitere Verfahren erstreckt, in welchem kein Haftbefehl vollstreckt wird. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt – 3 Ws 351/10 – muss dem Beschuldigten auch in dem Verfahren ein Pflichtverteidiger bestellt werden, in welchem er sich nicht in Untersuchungshaft befindet. Das Oberlandesgericht nimmt in seiner Entscheidung Bezug auf eine ähnliche Vorschrift im Jugendstrafrecht. Im Rahmen des Jugendstrafrecht ist es weitgehend anerkannt, dass auch in weiteren Verfahren die Bestellung eines Pflichtverteidigers zu erfolgen hat. Da dem Gesetzgeber die Auslegung im Jugendstrafrecht bei der Schaffung des neuen § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO bekannt gewesen ist, kann deshalb die Auslegung im Jugendstrafrecht auf die Auslegung im Erwachsenenstrafrecht übertragen werden.

Anwalt für Strafrecht

Verfahrenseinstellung wegen Verfahrensdauer

Ein Beschuldigter findet in der Regel ein Strafverfahren als sehr belastend. Deshalb ist anerkannt, dass die Verfahrensdauer als quasi Sanktion bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen ist. In einer Entscheidung vom 21. November 2010 hat das LG Bremen – 5 (22) Kls 30 Js 41576/94 entschieden, dass bei überlanger Verfahrensdauer ein Strafverfahren auch eingestellt werden muss. Dem Verfahren, in welchem das Landgericht zu entscheiden hatte, lag eine schwere räuberische Erpressung zu Grunde. Das Strafverfahren zog sich bereits seit 16 Jahren, wovon 10 Jahre durch die Justiz verschuldet waren. Aufgrund dieser zeitlichen Dauer wäre es nicht mehr gerechtfertigt gewesen, trotz des erheblichen Tatvorwurfs das Verfahren mit einer Verurteilung enden zu lassen. Deshalb wurde das Verfahren eingestellt.

Anwalt für Strafrecht: Verkehrstrafrecht

Trunkenheit im Straßenverkehr liegt bei einem motorisierten Krankenfahrstuhlfahrer spätestens ab einer Promillegrenze von 1,1 Promille vor.

Wegen Trunkenheit im Verkehr gem. § 316 StGB macht sich strafbar, wer im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Bei der Bestimmung der Fahruntüchtigkeit unterscheidet man die relative und die absolute Fahruntüchtigkeit. Die relative Fahruntüchtigkeit liegt ab 0,3 Promille und einem alkoholbedingten Fahrfehler vor. Bei der absoluten Fahruntüchtigkeit reicht eine bestimmte Promillezahl, ohne dass es auf einen alkoholbedingten Fahrfehler ankommt. Die Fahruntüchtigkeit wird also unwiderlegbar vermutet. Bei Autofahrern liegt die Promillegrenze bei 1,1 Promille. Nach einer Entscheidung des OLG Nürnberg vom 13.12.10 - 2 St OLG Ss 230/10 - gilt dieser Wert auch bei motorisierten Krankenfahrstühlen gem. § 4 Abs. 1 FeV, so dass spätestens ab 1,1 Promille auch die Benutzung eines Krankenfahrstuhls strafbar ist.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Haftgrund Fluchtgefahr und Flucht bei EU-Bürger

Ein Beschuldigter kann in Untersuchungshaft genommen werden, wenn die Gefahr besteht, dass er sich dem Verfahren entziehen wird. Regelmäßig wird bei ausländischen Beschuldigten ohne festen Wohnsitz in Deutschland die Untersuchungshaft angeordnet. In der Entscheidung des Landgerichts Aurich vom 10.03.2010 - 12 Qs 51/10 - wurde der Erlass eines Haftbefehls bei einem polnischen Staatsbürger abgelehnt. Nach der Entscheidung des Landgerichts liegt keine Flucht vor, wenn ein Ausländer sich in sein Heimatland zurückbegibt, ohne das dies im Zusammenhang mit der Straftat steht. Auch hält man sich nur verborgen, wenn man unangemeldet, unter falschen Namen oder an einem unbekannten Ort lebt, um sich dem Verfahren zu entziehen. Da der Beschuldigte in Polen einen festen Wohnsitz und damit eine ladungsfähige Anschrift hat, hält er sich nicht verborgen.

Anwalt für Strafrecht: Untersuchungshaft

Haftgrund Fluchtgefahr bei versuchtem Mord

Ein Beschuldigter kann in Untersuchungshaft genommen werden, wenn die Gefahr besteht, dass er sich dem Verfahren entziehen wird. Für die Beurteilung greifen Gerichte häufig auf die Straferwartung zurück. Um so höher die zu erwartende Strafe ist, um so höher ist die Fluchtgefahr. Bei Kapitalverbrechen wie z.B. Mord und Totschlag wird deshalb regelmäßig ein Haftbefehl wegen Fluchtgefahr erlassen. Das LG Koblenz - 2090 Js 24962/08 - 3 Ks - hat in seiner Entscheidung vom 07.02.2011 entschieden, dass auch beim Vorwurf eines versuchten Mordes an sechs Personen nicht zwingend ein Haftbefehl zu erlassen ist. Der dortige Beschuldigte wusste bereits geraume Zeit von den gegen ihn geführten Ermittlungen, ohne dass er geflüchtet sei. In einer solchen Situation kann man nicht mehr von einer Fluchtgefahr ausgehen. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Haftbefehls war deshalb mangels Haftgrund abzulehnen.

Anwalt für Strafrecht: Pflichtverteidiger

Einem Beschuldigten ist mit Vollstreckung von U-Haft unverzüglich ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Unverzüglich bedeutet aber nicht, dass dem Beschuldigten keine Frist zur Benennung eins Verteidigers eingeräumt werden muss.

Nach § 140 Abs. 1 Nr. StPO ist einem Beschuldigten unverzüglich mit der Vollstreckung von Untersuchungshaft ein Pflichtverteidiger beizuordnen. Aufgrund der Schocksituation im Falle einer Inhaftierung sind viele Inhaftierte nicht in der Lage, einen Verteidiger zu benennen. In einer solchen Situation neigen die Gerichte dazu, dem Beschuldigten einem dem Gericht wohlgesonnen Verteidiger zu bestellen. Das LG Krefeld - 21 Qss 190/10 - ist in seiner Entscheidung vom 13.07.2011 der Auffassung, dass unter unverzüglich nicht sofort verstanden werden darf. Vielmehr ist dem Beschuldigten eine Frist von 14 Tagen zu gewähren, innerhalb derer er einen Verteidiger benennen soll. Der gewählte Verteidiger wird dann vom Gericht dem Beschuldigten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Dies gilt aber nicht, wenn der Beschuldigte das Gericht bittet, ihm einen vom Gericht ausgewählten Verteidiger zu bestellen. Als Verhafteter sollte man darauf bestehen, sich innerhalb von 14 Tagen einen Verteidiger suchen zu dürfen.

Anwalt für Strafrecht: Auslieferungshaft

keine Auslieferung nach Ägypten wegen Haftbedingungen

Nach einer Entscheidung des OLG Köln vom 21.06.2010 - 6 AuslA 106/08 - kommt eine Auslieferung nach Ägypten nicht in Betracht, wenn nicht auszuschließen ist, dass die Auslieferung wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung gem. § 73 IRG widersprechen könnte. Zu den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung zählen insbesondere, dass die verhängte Strafe nicht grausam, unmenschlich oder erniedrigend sein darf. Aufgrund des Alters des Gesuchten und der Dauer der in Ägypten zu vollstreckenden Strafe konnte im dem OLG Köln zur Entscheidung vorliegenden Fall nicht gewährleistet werden, dass diese wesentlichen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung eingehalten werden. Deshalb ist die Auslieferung nach Ägypten unzulässig und der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Erlass eines Auslieferungshaftbefehls abzulehnen.

Anwalt für Strafrecht: Beamtenrecht

außerdienstlicher Besitz kinderpornografischer Schriften stellt einen beamtenrechtlichen Pflichtenverstoß dar

Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht vom 19. August 2010 – 2 C 13/10 - stellt der außerdienstliche Besitz von kinderpornografischen Schriften gem. § 184 StGB ein beamtenrechtliches Dienstvergehen gem. § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG dar, welcher disziplinarrechtlich geahndet werden muss.

Die Entscheidung finden Sie unter:

Ausländerrecht

Abschiebungshaft und Strafverfahren

Der Bundesgerichtshof hat in einer weiteren Entscheidung erneut festgestellt, dass im Falle eines noch offenen Strafverfahrens, Abschiebungshaft nur rechtmäßig ist, wenn die zuständige Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ihre Zustimmung zur Abschiebung erteilt. Diese Zustimmung kann nur durch die Staatsanwaltschaft selbst erteilt werden und nicht beispielsweise durch ermittelnde Polizeibeamte. Wenn ein solches Einvernehmen nicht vorliegt, ist der Haftantrag bereits unzulässig.

Dabei ist zu beachten, dass die Zustimmung der Staatsanwaltschaft für sämtliche offene Strafverfahren vorliegen muss.

Den genauen Wortlaut der Entscheidung finden Sie unter folgendem Link:

Anwalt für Strafrecht: Urkundenfälschung

Übersendung eines vorher eingescannten und dann im Computer manipulierten Schriftstücks per Fax stellt keine Urkundenfälschung dar

Aufgrund des technischen Fortschritts müssen sich die Gerichte immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, ob eine Manipulierung an einem Schriftstück unter zur Hilfenahme von technischen Hilfsmitteln eine Urkundenfälschung darstellt. In seiner Entscheidung vom 27.01.10 – 5 StR 488/09 – hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine Urkundenfälschung nicht vorliegt, wenn das Original eingescannt und dann im Computer bearbeitet wird. Voraussetzung ist aber, dass die Reproduktion nicht den Anschein einer Originalurkunde hervorruft. Die Reproduktion darf einer Originalurkunde nicht so ähnlich sein, dass die Möglichkeit einer Verwechslung nicht ausgeschlossen werden kann. Auch durch ein späteres Versenden dieser manipulierten Reproduktion per Fax wird beim Empfänger keine Urkunde im Sinne von § 267 StGB hergestellt. Der Faxausdruck stellt lediglich eine Kopie eines vermeintlichen Originals dar.

Weitere Informationen zur Urkundenfälschung finden Sie unter: http://www.urkundenfälschung.com/
http://www.urkundenfälschung.com/

Anwalt für Strafrecht: Wirtschaftsrecht

Verpflichtung zur Einzahlung auf Sperrkonto nach VOB beinhaltet keine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht

Bisher war durch den Bundesgerichtshof noch nicht abschließend geklärt, ob die Verpflichtung zur Einzahlung der durch den Auftraggeber einbehaltenen Sicherheit gem. § 17 Nr. 6 VOB eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht beinhaltet. In diesem Falle würde ein Unterlassen der Einzahlung eine Untreue gem. § 266 StGB darstellen (so OLG München NJW 2006, 2278). Der BGH vertritt in einer Entscheidung vom 25.05.2010 – VI ZR 205/09 – die Auffassung, dass die Verpflichtung zur Einzahlung keine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht, sondern lediglich eine zivilrechtliche Nebenpflicht darstellt. Insbesondere sei der Auftragnehmer nicht schutzwürdig. Vielmehr könne er dem Auftraggeber eine Frist zur Einzahlung auf das Sperrkonto setzen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird der Sicherheitseinbehalt fällig und kann somit vom Auftragnehmer unmittelbar gefordert werden.

Die Entscheidung finden Sie unter:

Anwalt für Strafrecht: Führungsaufsicht

Generelles Verbot zum Halten und Führen von KFZ im Rahmen der Führungsaufsicht

Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt/Main – 3 Ws 423/10 – kann im Rahmen der Führungsaufsicht in Ausnahmefällen ein generelles Verbot der Haltung und Führung eines Kraftfahrzeuges angeordnet werden. Nach § 68 b StGB kann das zuständige Gericht für die Dauer der Führungsaufsicht anordnen, dass es der verurteilten Person untersagt ist, Kraftfahrzeuge oder bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen zu halten oder zu führen.Es ist umstritten, ob auf diese Vorschrift auch ein generelles und umfassendes Verbot zum Halten und Führen von Kraftfahrzeugen gestützt werden kann. Gegen ein solches Verbot spricht, dass außerhalb der Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB das „Vollstreckungsgericht“ nachträglich über einen sehr erheblichen Eingriff entscheiden kann. Das OLG Frankfurt/Main geht davon aus, dass eine Anordnung wenigstens dann zulässig sei, wenn das Tatgericht eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht getroffen hat, weil der Betroffene nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Hinzuweisen ist, dass die Anordnung im Rahmen der Führungsaufsicht für den Betroffenen nachteilig ist. Ein Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht kann unter den Voraussetzungen des § 145 a StGB zur Strafbarkeit führen.

Anwalt für Strafrecht: Diebstahl

Es liegt nur eine einfacher Diebstahl und kein schwerer Diebstahl vor, wenn der Täter einen vom Berechtigten gewidmeten Schlüssel benutzt, da es sich hierbei nicht um einen falschen Schlüssel handelt.

Ein vom Berechtigten gewidmeter Schlüssel ist nach Auffassung des OLG Köln in seiner Entscheidung vom 19.03.10 – 1 RVs 48/10 – kein falscher Schlüssel im Sinne eines Diebstahls in besonders schwerem Fall gem. § 243 StGB. Nach § 243 Abs 1 S 2 Nr. 1 StGB begeht der Täter einen besonders schweren Diebstahl, wenn er zur Ausführung der Tat mit einem falschen Schlüssel in ein Gebäude eindringt. Falsch ist ein Schlüssel, wenn ihm die Widmung des Berechtigten fehlt. Dient ein Schlüssel nach dem Willen des Berechtigten generell der Öffnung des Verschlusses schadet es nicht, wenn der Schlüssel von einem Nichtberechtigten verwendet wird. Es bleibt dann beim einfachen Diebstahl gem. § 242 StGB.

Anwalt für Strafrecht

Blenden eines Piloten mit Laser stellt gefährlichen Eingriff in Luftverkehr dar

Nach Auffassung des AG Hamm in seiner Entscheidung vom 13.01.10 – 50 Ds 578/09 - stellt das beabsichtigte Blenden eines Piloten mit einem Hochleistungslaserpointer einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr gem. § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Ein derartiges Verhalten könne jederzeit zu einem Unfall führen, da der Pilot in der Führung des Hubschraubers derart beeinträchtigt wird, dass er die Kontrolle über das Fluggerät verliert.

Anwalt für Strafrecht: Prostitution

Kein Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung bei Vermietung von Zimmern

Das OLG Hamm hat in seinem Beschluss vom 11.05.10 III-2 Ws 86/10 entschieden, dass das bloße Vermieten von Zimmern an Prostituierte unter 21 Jahre nicht den Straftatbestand des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung gem. § 232 StGB erfüllt. Nach dem Wortlaut von § 232 Abs. 1 Satz 2 StGB sei erforderlich, dass der Täter die Prostituierte unter 21 zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution bringt. Hierfür sei das bloße Überlassen eines Zimmers nicht ausreichend, wenn die Prostituierte bereits vor dem Überlassen des Zimmers zur Ausübung der Prostitution entschlossen war und diesen Entschluss frei getroffen hat

Ausländerrecht

Beratung im Ausländerrecht / Altfallregelung

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung die für die Beratung im Ausländerrecht wichtig ist, festgestellt, dass die Strafbarkeit eines Ehegatten bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels im Rahmen der so genannten Altfallregelung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise dazu führt, dass die gesamte Familie keinen Aufenthaltstitel bekommen kann, solange die Straftat im Strafregister verzeichnet ist. Dies führt in der Praxis dazu, dass regelmäßig Familien die ein straffällig gewordenes Familienmitglied im Haushalt wohnen haben, nicht von der Altfallregelung profitieren können. Im Rahmen einer Beratung im Ausländerrecht sind daher alle weiteren Möglichkeiten zu prüfen, einen gesicherten Aufenthaltstitel zu erlangen.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts findet sich unter folgendem Link:

Anwalt für Strafrecht: Kinderpornografie

Besitzverschaffung von Kinderpornografie durch Betrachten im Internet

Bisher ist rechtlich nicht abschließend geklärt, wann man sich wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften gem. § 184 b StGB strafbar macht, wenn die Bilder aus dem Internet auf dem Bildschirm betrachtet werden.

Sobald die Dateien auf einem permanenten Speichermedium abgelegt werden, ist der Straftatbestand des Besitzes kinderpornografischer Schriften unstreitig erfüllt.

Erfolgt keine permanente Speicherung, werden die pornografischen Dateien beim Aufrufen der Seite lediglich im Cache Speicher automatisch abgelegt. Ob diese Speicherung einen Besitz darstellt, wird durch Gerichte nicht einheitlich beantwortet. Der Wortlaut Besitz spricht zunächst dagegen. Das Oberlandesgericht Hamburg hat in seiner Entscheidung vom 15.02.12010 – 2-27/10 – aber entschieden, dass der Straftatbestand des Verschaffen kinderpornografischer Schriften erfüllt ist, wenn gezielt Seiten mit kinderpornografischen Inhalt aus dem Internet aufgesucht werden. Das OLG kommt durch Auslegung des strafrechtlichen Besitzbegriffs – welcher hiernach nicht übereinstimmt mit dem zivilrechtlichen Besitz gem. § 854 BGB - zu einer Strafbarkeit.

Verkehrsrecht

Führerschein / vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis

Das Landgericht Bonn hat entschieden, dass eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (gemäß § 111 a StPO) aus Günden des Vertrauensschutzes nicht möglich ist, wenn den Behörden die Vorwürfe gegen den Fahrer bereits ein Jahr bekannt waren und in diese Zeit keine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis beantragt worden ist.

Im konkreten Fall wurde dem Fahrer vorgeworfen, im November 2008 im Zusammenhang mit einer Autofahrt eine Nötigung und eine Unfallflucht (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) begangen zu haben. Der Fahrer wurde im August 2009 angeklagt und das Verfahren gegen ihn im November 2009 eröffnet. Erst Mitte Dezember wurde gegen den Fahrer die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet.

Zusätzlich zu der über einen Jahr betragenden Zeitspanne seit dem Tatvorwurf berücksichtigte das Gericht, dass der Fahrer in dieser Zeit ununterbrochen am Straßenverkehr teilgenommen hatte, ohne nachteilig aufgefallen zu sein.

(Landgericht Bonn, Beschluss vom 22. Januar 2010, Az. 24 Qs 112 Ja 376/09-5/10)

Verkehrsrecht

Beweiswürdigung / „Verspäteter“ Zeuge

Im konkreten Fall war der für einen Rotlichtverstoß „verspätete“ Zeuge nicht in der polizeilichen Unfallaufnahme in Erscheinung getreten. Der Kläger hatte vorgetragen, dass der Zeuge ihn angeblich erst zu einem nicht näher bezeichneten späteren Zeitpunkt auf den Unfall angesprochen habe. Das Kammergericht Berlin hat (mit Beschluss vom 11. März 2009, Az. 12 U 78/08) entschieden, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn das Gericht daran zweifelt, dass der „verspätete“ Zeuge überhaupt am Unfalllort anwesend war.

Anwalt für Strafrecht: Haft

nachträgliche Sicherungsverwahrung nur bei neuer Tatsache

In seiner Entscheidung vom 07.05.10 – 2 Ws 209/09 – führt das Oberlandesgericht München aus, wann die Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung möglich ist. Neben der Gefährlichkeit ist wesentliche Voraussetzung, dass eine neue Tatsache gem. § 66b Abs. 1 StGB vorliegt. Eine neue Tatsache liegt nicht in Umständen, die dem ersten Tatrichter bekannt waren oder die er bei angemessener Sachverhaltsaufklärung hätte erkennen können. Eine neue Tatsache liegt nach Auffassung des OLG München auch dann nicht vor, wenn sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Beurteilung der Anknüpfungstatsachen – hier der Diagnose - geändert hat. Sollte sich lediglich die Bewertung bekannter Umstände verändert haben, scheidet die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung aus. Nach der Entscheidung des OLG München kann in einer solchen Situation auf die Gefährlichkeit einer Person nur durch Anordnung der Führungsaufsicht und nicht durch die nachträgliche Sicherungsverwahrung reagiert werden.

Anwalt für Strafrecht

Totschlag an einem Neugeborenen durch Unterlassen

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 12.11.2009 – 4 Str 227/09 - ist eine schwangere Frau vom Einsetzen der Geburtswehen an verpflichtet, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um das Leben des Kindes zu erhalten. Eine Mutter hat gegenüber ihrem Kind eine Garantenstellung. Deshalb ist sie verpflichtet, einen möglichst sicheren Geburtsverlauf und die erforderliche Erstversorgung des Neugeboren sicherzustellen. Verstößt eine schwangere Frau gegen diese Verpflichtung und verstirbt deshalb das neugeborene Kind, macht sich die Mutter wegen Totschlags durch Unterlassen strafbar.

Verkehrsordnungswidrigkeit

Daten aus automatische Videoaufzeichnung unterliegen Verwertungsverbot

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 09. Februar 2010 -IV-3 Rbs 8/10- entschieden, dass die zum Zwecke der Abstandsmessung im Straßenverkehr durchgeführte Videoaufzeichnung in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstoßes der Einhaltung des Mindestabstandes nicht verwertet werden darf. Es liegt ein nicht gerechtfetigter Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, da eine Ermächtigungsgrundlage für die Videoaufzeichnung der Strafprozessordnung oder anderen Gesetzen nicht zu entnehmen sei. Das OLG leitet aus diesem rechtswidrigen Eingriff ein Verwertungsverbot her.

Anwalt für Strafrecht: Entziehung Führerschein

Die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt aufgrund Amfetamineinflusses setzt eine drogenbedingte Ausfallerscheinung voraus.

Das Landgericht Trier – 1 Qs 2/08 – ist der Auffassung, dass eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 100 a StPO nur dann möglich ist, wenn der Beschuldigte unter dem Einfluss von Amfetaminen ein Kraftfahrzeug geführt hat und Ausfallerscheinungen aufgrund des Drogenkonsums feststellbar sind. Ohne Ausfallerscheinungen ist der Tatbestand von § 316 StGB - Trunkenheit im Verkehr – nicht erfüllt. Der Führerschein ist deshalb vorläufig nur abzugeben, wenn es aufgrund des Drgonkonsums zu Fahrfehlern gekommen ist.

Anwalt für Strafrecht: Drogen

Hausdurchsuchung 10 Monate nach Betäubungsmittelfahrt

Das Landgericht Koblenz (StV 2009, 179) hat entschieden, dass eine Hausdurchsuchung wegen Verdachts des Besitzes von Betäubungsmitteln rechtswidrig ist, wenn die Anordnung der Hausdurchsuchung darauf gestützt wird, dass dem Beschuldigten nach einer Unfallflucht vor 10 Monaten eine Blutprobe abgenommen und in dieser dann Betäubungsmittel nachgewiesen wurden. Das Landgericht geht zutreffend davon aus, dass nicht zu erwarten sein wird, dass nach 10 Monaten Drogen aufgefunden werden, die im Zusammenhang mit dem damaligen Konsum stehen.

Anwalt für Strafrecht: Kinderpornografie

Keine Verbreitung kinderpornographischer Schriften bei Unkenntnis über Arbeitsweise von Internet-Tauschbörsen

Eine Verbreitung kinderpornografischer Schriften gem. § 184 a StGB liegt nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg vom 08. Mai 2009 – 1 Ss 46/09 – bei Nutzung einer Internet Tauschbörse dann nicht vor, wenn der Beschuldigte nicht weiß oder damit rechnet, dass die von ihm heruntergeladenen und gespeicherten Dateien ohne sein Zutun von anderen Mitgliedern der Tauschbörse genutzt werden können. Nach Auffassung des OLG Oldenburg besteht kein Erfahrungsgrundsatz, dass ein Nutzer einer Tauschbörse wisse oder damit rechne, dass allein durch seinen Download andere Nutzer auf seine Dateien zugreifen können.

Anwalt für Strafrecht: Fahrerflucht

Erheblichkeitsgrenze bei Fremdschaden

Ab wann nach einer Unfallflucht die Fahrerlaubnis entzogen wird und damit der Führerschein abzugeben ist, wird bei Sachschaden durch die Gerichte nicht einheitlich beantwortet. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 13. Mai 2008 – 5/9a Qs 5/08 – soll ein bedeutender Fremdschaden im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erst ab einem Schaden von mindestens 1.400,00 € vorliegen. Bisher ging die überwiegende Rechtsprechung von einem Schaden von mindestens 1.300,00 € aus. Die Erheblichkeitsgrenze kann für einen Autofahrer existentiell sein, da ab Überschreiten der Grenze in der Regel die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für die Neuerteilung verhängt wird. Weitere Informationen zur Fahrerflucht erhalten Sie unter: www.strafverteidiger-fahrerflucht.de
http://www.strafverteidiger-fahrerflucht.de/

Anwalt für Strafrecht: Alkohol am Steuer

Kein Richtervorbehalt bei Blutentnahme nach Trunkenheitsfahrt, wenn eine Verzögerung von mehr als zwei Stunden zu erwarten ist.

Das AG Cottbus ist in dem Verfahren 95 Ds 1221 Js 19295/08 (104/08) der Auffassung, dass es im Falle einer Trunkenheitsfahrt für die Blutentnahme wenigstens dann keiner vorherigen richterlichen Anordnung gem. § 81a Abs. 2 StPO bedarf, wenn die vorherige Anordnung zu einer nicht unerheblichen zeitlichen Verzögerung von zwei Stunden führt.

Anwalt für Strafrecht

Anordnung von Ordnungsgeld ohne Gewährung rechtlichen Gehörs

Eine Anordnung von Ordnungsgeld ohne Gewährung rechtlichen Gehörs ist nach Auffassung des OLG Hamm – 1 Ws 338 – nur in Ausnahmefällen möglich. Voraussetzung ist, dass die Ungebühr und der Ungebührwille völlig außer Frage stehen und bei Gewährung des rechtlichen Gehörs nach dem bisherigen Verhalten des Betroffenen mit weiteren groben Ausfällen zu rechnen ist. Grund hierfür ist, dass auch die Anordnung von Ordnungsgeld dem Verfassungsgrundsatz des rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 GG unterliegt.

Anwalt für Strafrecht: allgemeines Strafrecht

Verwertungsbetrug durch Einsatz einer betrügerisch erlangten ec Karte

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Verfahren 4 Str 485/08 entschieden, dass entgegen der älteren Rechtsprechung ein vollendeter Betrug im Zusammenhang mit einer durch Falschangaben erlangten ec Karte nicht immer schon dann vorliegt, wenn dem Täter von seiner Bank die ec Karte ausgehändigt wird. Vielmehr kann ein vollendeter Betrug erst dann vorliegen, wenn der Vermögensschaden beim jeweiligen Vertragspartner eingetreten ist. Grund hierfür ist, dass der garantierte Scheckverkehr zum 31. Dezember 2001 aufgehoben wurde. Von der kartenausgebenden Bank wird die Einlösung einer Lastschrift nicht mehr garantiert. Deshalb werden seit dem ec Karten im Rahmen von unterschiedlichen Zahlungssystemen eingesetzt. Zunächst gibt es das POZ System, wo ein elektronisches Lastschriftverfahren stattfindet. Weiterhin gibt es das POS System, bei welchem eine unmittelbare Abbuchung stattfindet. Bei der Benutzung des POZ Systems übernimmt die Bank regelmäßig keine Garantie für eine Zahlung. Ein Schaden tritt damit nicht mehr bei der kartenausgebenden Bank, sondern vielmehr beim jeweiligen Vertragspartner ein. In dieser Situation kann nicht bereits die Ausgabe der ec Karte sondern erst der Eintritt des Vermögensschaden beim jeweiligen Vertragspartner zur Vollendung des Betruges führen.

Anwalt für Strafrecht: Ausländerrecht

Ausländerzentralregister ist teilweise europarechtswidrig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in dem Verfahren C 526/06 entschieden, dass das in Deutschland geführte Ausländerzentralregister gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG verstößt. Durch das Ausländerzentralregister werden nicht deutsche Unionsbürger, die in Deutschland leben, diskriminiert. Das Ausländerzentralregister verfolgt zwar durch die systematische Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten den legitimen Zweck der Kriminalitätsbekämpfung, doch ist eine unterschiedliche Behandlung von Deutschen und Unionsbürgern nicht gerechtfertigt. Die Entscheidung des EuGH führt nicht zur Nichtigkeit der Vorschriften über das Ausländerzentralregister. Vielmehr sind die Vorschriften eurporechtskonform auszulegen. Das Ausländerzentralregister darf nicht mehr auf Unionsbürger angewendet werden.

Anwalt für Strafrecht:

Kein Verwertungsverbot bei Verfahrensrüge hinsichtlich des rechtsanwaltlich vertretenden Mitbeschuldigten

Ein Verstoß gegen die Pflicht, den Rechtsanwalt eines Beschuldigten über die anstehende Vernehmung zu unterrichten, führt laut BGH – 1 StR 691/08 nicht zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich eines rechtsanwaltlich vertretenen Mitbeschuldigten. Der BGH ist der Auffassung, dass die Vorschrift des § 168 c Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 StPO lediglich dem Schutz des Beschuldigten dient. Der Rechtsanwalt des Beschuldigten soll bei der Vernehmung anwesend sein können. Der Mitbeschuldigte oder sein Rechtsanwalt haben dagegen bei der Vernehmung des Beschuldigten kein Anwesenheitsrecht.

Anwalt für Strafrecht:

Revisionsbegründung im Strafrecht durch Rechtsanwalt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in dem Verfahren 2 Str 225/09 nochmals klargestellt, dass die Begründung einer Revision in Strafsachen durch einen Rechtsanwalt erfolgen muss. Eine durch den Angeklagten abgegebene Erklärung ist formunwirksam.